Eichstätt
Der Todesweg der Hexen

Erich Naab erinnert beim Jurahausverein an ein düsteres Kapitel der Geschichte

18.08.2019 | Stand 02.12.2020, 13:15 Uhr
  −Foto: Martiny/Reinbold

Eichstätt (EK) Mit 60 Besuchern war das neu gestaltete Höfchen des Museums "Das Jurahaus" in Eichstätt gut gefüllt, als Professor Erich Naab einlud, sich auf den Todesweg der Eichstätter "Hexen" zu machen.

Die Veranstaltung wollte der grauenhaften Verbrechen gedenken, die vor allem im 17. Jahrhundert an unschuldigen Menschen begangen wurden. Die Vorsitzende des Jurahausvereins, Eva Martiny, nannte bei der Begrüßung einige Zahlen: Während der Hexenverfolgung im Hochstift Eichstätt seien in der Zeit von 1532 bis 1723 nachweislich 224 Menschen, davon 197 Frauen, in einem Hexenprozess zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. Die Hauptphase der Hexenverfolgung sei mit 80 Prozent aller Opfer zwischen 1613 und 1630 in die Regierungszeit des Fürstbischofs Johann Christoph von Westerstetten gefallen.

Eva Martiny stellte einen Bezug dieser Ereignisse zu dem Handwerkerhaus her, in dem sich heute das Museum des Jurahausvereins befindet. "Unser Türgewände ist älter als das Haus, es trägt ein Metzgerbeil als Zunftzeichen, die Jahreszahl 1606 und die Initialen LS. " Es sei möglich, dass es vom Haus einer Metzgerfamilie aus dem Buchtal stamme, die unter Westerstetten weitgehend ausgelöscht worden war. Auf jeden Fall aber handele es sich um die Ermordung von Menschen in der Nachbarschaft des Vorgängerbaus. Das gesamte Buchtalviertel, vor den Stadtmauern gelegen, sei 1634 während des Dreißigjährigen Kriegs zerstört worden, das heutige Museum wohl das erste Haus, das 1657 wiederaufgebaut wurde. Der Todesweg, den die Verurteilten zum Hinrichtungsplatz am Galgenberg gekarrt wurden, habe in unmittelbar Nähe vorbeigeführt.

Erich Naab begann mit seiner Lesung mit einem Text aus dem zeitgenössischen "Simplicius Simplicissimus" von Grimmelshausen, der die Absurdität der Anschuldigungen gegen die vermeintlichen "Hexen" deutlich werden ließ. Wie perfide die größere Anfälligkeit der Frauen gegenüber teuflischer Einflussnahme im "Hexenhammer" des Dominikanermönchs Heinrich Cramer begründet wurde, zeigte Naab mit einigen Zitaten aus dem unsäglichen Werk. Mit dem "Hexenhammer" war 1486 die Hexenverfolgung legitimiert worden, es könnte als eine Art Handbuch für diese Verbrechen bezeichnet werden. Erschütternd war das Beispiel der Metzgersfamilie Steinel aus dem Buchtal, wo in den 1620er Jahren Großmutter, Mutter und Tochter hingerichtet wurden. Die Tochter war bei ihrer Ermordung 12 Jahre alt, bei ihren angeblichen Vergehen, der Teilnahme an einem Hexentreffen, war sie drei bis vier Jahre alt, so Naab.

Wie kritische Stimmen aus den Reihen der Jesuiten damals mundtot gemacht wurden war zu hören, als Naab aus einer Verfügung des Jesuitengenerals Mutius Vitelleschi vorlas, die Mitgliedern seines Ordens untersagte, sich über die Hexenverfolgung kritisch zu äußern.

Überdeutlich wurde an diesem Text aber auch, wie das Zuschauen und Wegschauen vieler ein derartiges Unrecht begünstigten. Damit schlug Naab den Bogen zu weitaus jüngeren Ereignissen, nämlich der Ermordung der Juden während der Nazizeit und dem Tod unzähliger Menschen auf der Flucht über das Mittelmeer. "Ihr Zuschauenden, unter deren Blicken getötet wurde", zitierte Naab das Gedicht von Nelly Sachs von 1944/45. Auch am Hinrichtungsplatz bezog er sich auf die Verbrechen während der Nazizeit, als er an der Stele von Rupert Fieger zum Gedenken an die Hexenprozesse die "Todesfuge", ebenfalls von 1944/45, von Paul Celan rezitierte mit der berühmten Zeile: "Der Tod ist ein Meister aus Deutschland".

Sowohl Naab als auch Martiny war es ein Anliegen, die Anonymität der Opfer der Hexenverfolgung aufzubrechen und ihnen mit ihren Namen und ihrer Geschichte ihre Würde zurückzugeben. Vor dem Scharfrichterhaus am Neuen Weg, dem Weg zum Hinrichtungsplatz, verteilte Naab Zettel mit siebenmal sieben Namen, einer willkürlichen Auswahl aus der Liste der Verurteilten des Hochstifts Eichstätt. Heinrich Stürzl hat 2013 alle bekannten Namen in den Blättern des Bayerischen Landesvereins für Familienkunde veröffentlicht, nachdem er sich auf die Suche nach seinen unter Fürstbischof Westerstetten ermordeten Vorfahren gemacht hatte.

Eva Martiny wünschte sich, dass alle Opfer dieses himmelschreienden Unrechts an prominenter Stelle in Eichstätt mit ihren Namen für die Öffentlichkeit sichtbar gemacht werden sollten. Die beeindruckende Veranstaltung schloss Naab am Hinrichtungsplatz mit tröstenden Worten aus der Bergpredigt.