Eichstätt
Der Gatte, der Teenager und ich - CORONotizen aus der Kleinstadt

Letzte Folge

07.08.2020 | Stand 02.12.2020, 10:48 Uhr
  −Foto: Wein, Elisabeth, Pollenfeld/Preith

Jede Lage, so ernst sie auch sein mag, wird leichter, wenn wir uns unseren Humor bewahren - gerade auch, wenn man viel mehr Zeit mit der eigenen Familie verbringt, als man vielleicht jemals wollte.

Deshalb erzählt Autorin Elisabeth Wein in unserer Kolumne "CORONotizen aus der Kleinstadt", wie eine Familie, bestehend aus Mutter, Vater und Teenager-Sohn, ihren Corona-Alltag meistert. Und auch wenn es diese Eichstätter Familie tatsächlich geben und sich durchaus ein wahrer Kern in den Begebenheiten finden sollte, sind sie doch alle frei erfunden. Sie wollen vor allem eines: Sie in dieser schwierigen Zeit zum Lachen bringen.

Wir müssen einen schweren Verlust betrauern: Heimbeschulung und Heimbespaßung haben dem Laptop des Teenagers den Rest gegeben, nur noch Röcheln dringt aus seinem überforderten Lüfter. Der Teenager nimmt Abschied und betet zum Heiligen PacMan und der Heiligen Zelda, dass sie ihm beim großen Super Mario gute Fürsprecher seien.

Der Laptop ist tot - es lebe der Laptop. Der Teenager schaut sich, das alte Gerät ist noch nicht ganz abgekühlt, nach einem jüngeren, schlankeren Modell mit rattenscharfer Grafik um. Und wie es so ist mit den jungen Dingern: Sie kosten jede Menge Geld, das der Teenager nicht hat. Der Gatte, Finanzminister und Anlageberater des Hauses, unterbreitet dem Teenager zwei Alternativen. Die erste besteht aus einer längeren, entbehrungsreichen Sparperiode bis zum Erreichen des notwenigen Geldbetrags. Zur Überbrückung könne das Kind ein Gerät aus dem väterlichen Altbestand nutzen. Allerdings sei dessen Grafikkarte so schwach, dass die Pixel praktisch einzeln an ihren Platz getragen werden müssten.

Der zweite Vorschlag gefällt dem Teenager schon besser: Der Gatte streckt ihm das Geld für einen nagelneues High-End-Teil vor und verlangt dafür neben einem ausgeklügelten Finanzplan zur Rückzahlung eine Woche seiner Ferienzeit für Arbeitseinsätze.

Der Teenager sagt zu. Montag morgen erscheint er noch gut gelaunt beim neuen Arbeitgeber, der ihm einen fensterlosen, schlecht belüfteten Platz im Keller zuweist. Dort darf das Kind zwei Tage lang Kabel putzen und beschriften. Bereits am ersten Nachmittag passt der Teenager mich auf dem Weg in die Waschküche ab und fleht mich an, ihm im Wäschekorb in die Freiheit zu verhelfen. Am nächsten Tag steckt er mir Zettel zu, darauf folgender Text: "Ich werde von einem bösen Mann zur Arbeit gezwungen - bitte schickt Hilfe. "

Am Mittwoch gründet der Teenager einen Betriebsrat, um sich für mehr Tageslicht stark zu machen. Mit Erfolg. Der Gatte verlagert ihn in den Garten, wo Unkraut gejätet werden will. Daraufhin fordert das Kind, neuerdings Mitglied einer Ein-Mann-Gewerkschaft, die 35-Stunden-Woche und Lohnfortzahlung im Unlustfall.

Die Lage spitzt sich zu. Freitags ruft der Teenager den Streik aus, singt in unserer Einfahrt Arbeiterlieder und liest den Nachbarskindern aus dem "Kommunistischen Manifest" vor. Der Gatte hingegen droht dem jungen Klassenkämpfer, die aufblasbare Strafgaleere in unserem Pool zu Wasser zu lassen, um den Teenager damit in unsere Kolonien zu verschiffen. Wo immer die sich auch befinden mögen.

Es ist eindeutig an der Zeit, dass eine höhere Macht einschreitet - und in diesem Fall bin das ich. Der einfachste Weg, Jung- und Altmännchen wieder zu vereinen, ist sie gemeinsam abzumahnen. Ich knöpfe mir die beiden also vor und halte mit sonorer Stimme einen Vortrag, dass wegen eines Laptops und ein bisschen Ferienarbeit unsere Familie doch nicht den Bach runter gehen könne. Der Plan geht auf. "Du redest dich leicht", mokieren sie sich in Einigkeit, "während wir hier schwer arbeiten, verschanzt du dich seit Corona-Beginn hinter deinem Laptop und schreibst deine CORONotizen! Kein Wunder, dass hier alles liegen bleibt und wir armen Männer Schwerstarbeit leisten müssen. Wir brauchen dringend Urlaub! "

Die beiden sind nicht nur im Recht, sondern tatsächlich eindeutig urlaubsreif. Genau wie ich. Außerdem ist es an der Zeit, die heimische Scholle nach all diesen seltsamen Wochen wieder öfter mal zu verlassen. Mit dem nötigen Abstand selbstverständlich. Und etwas Abstand gönnen sich auch der Gatte, der Teenager und ich. Deshalb verabschieden sich die CORONotizen an dieser Stelle - der natürlich rein fiktiven Familie war es eine Ehre, dass wir Sie in den vergangenen Wochen zum Lachen bringen durften. Vielleicht liest man sich mal wieder. Denn wenn wir eines gelernt haben: Was kommt, kann niemand voraussagen. Aber wir machen auf alle Fälle das Beste daraus.

EK

Ende.