Eichstätt
Dem Vielkönner Pilz auf der Spur

Caroline Gebert und Johanna Liebmann referierten über Pilze als Nahrungsmittel und Umweltschützer

01.07.2021 | Stand 05.07.2021, 3:33 Uhr
  −Foto: Kusche

Eichstätt - Klimaretter, hochwertige Fleischalternative und Bioregenerator - Pilze haben ein erstaunliches Potenzial.

Als Expertinnen in Sachen Pilze boten die beiden Lüneburger Umweltwissenschaftlerinnen Johanna Liebmann und Caroline Gebert im Rahmen der Ringvorlesung des Umweltreferats der KU Eichstätt-Ingolstadt überraschende Einblicke in ihr Herzensthema "Fungi for Future - wie Pilze uns helfen können, das Klima zu retten". Ihre Vision: Einen Beitrag zur regionalen, klimapositiven, urbanen Landwirtschaft zu leisten und Jung und Alt für das große Potenzial von Pilzen zu begeistern.

"Urban Mushfarming" - so heißt das Projekt, das Gebert und Liebmann 2019 mitten in der Lüneburger Altstadt ins Leben riefen. Begeistert vom Prinzip des "Cradle-to-Cradle" - einer durchgängigen und konsequenten Kreislaufwirtschaft - züchten sie auf der Grundlage von Kaffeesatz ganzjährig Edelpilze, die an die lokale Gastronomie verkauft werden. Neben der Pilzzucht leisten die beiden Umweltwissenschaftlerinnen nicht nur umfassende Bildungsarbeit, sondern beschäftigen sich auch selbst intensiv mit dem Potenzial von Pilzen und Myzelien, jenem unterirdischen Geflecht, das unzählige Funktionen im Informations- und Stoffaustausch in Ökosystemen ermöglicht: "Pilze kommunizieren in einem Netzsystem unterirdisch miteinander, sie binden CO2, können Wüstenbildung verhindern und Ökosystemen dabei helfen, sich zu regenerieren", erläuterte Liebmann. Als Beispiele nannte sie bestimmte Arten des Austernseitlings, der zur Regeneration von mit Erdöl verseuchten Flächen eingesetzt werde, oder den ?Tübinger Gießkannenschimmel', der Plastik abbauen könne - Fähigkeiten also, die im Bereich der Umweltverschmutzung ungeahnte Potenziale eröffneten. Andererseits betreffe die Klimakrise aber auch die Welt der Pilze in dramatischer Weise: Ihre Reproduktion werde beeinflusst, was sich erheblich auf alle Lebensräume von Menschen, Tieren und Pflanzen auswirke, und ihre Physiognomie verändere sich, so Gebert.

Doch nicht nur Pilze allein haben die beiden enthusiastischen Lüneburgerinnen in ihren Bann gezogen. Zu ihrer Berufung haben sie auch das Konzept des Cradle-to-Cradle gemacht, das Prinzip der Kreislaufwirtschaft und des Upcyclings, das für die beiden Frauen eine Lösung für den Konflikt von immer knapper werdenden Ressourcen und stetig wachsenden Müllmengen aufzeigt: "Abfall kann wieder Nährstoff werden, wenn wir Produkte und Wirtschaftsweisen zirkulär und klimapositiv gestalten", betonte Gebert nachdrücklich. Zentral für die beiden engagierten Lüneburgerinnen sei dabei auch, dass sich die "Cradle-to-Cradle"-Denkschule durch ein positives Menschenbild auszeichne: "Dem Menschen wird das Potenzial zugeschrieben, nicht pauschal Schädling, sondern potenzieller Nützling für seine Umwelt zu sein", so Liebmann. Während bei einer linearen Wirtschaft eine möglichst hohe Effizienz angestrebt werde, gehe es bei Cradle to Cradle darum, effektive statt nur effiziente Lösungen zu finden.

Welchen Nutzen Pilze für den Menschen besitzen, fassten die beiden Referentinnen dann noch einmal für ihre etwa 25 Zuhörer zusammen: Neben den rund 350 Speisepilzarten, von denen aber nur einige Dutzend bekannt sind und häufiger verzehrt werden, gibt es auch solche, die für die Lebensmittelherstellung Verwendung finden, zum Beispiel Hefen oder Schimmelpilze. Als gesunde und leckere Fleischalternative gebe es Pilze, die eine Struktur wie ein Steak haben, betonte Gebert. Auch als den Ertrag vergrößernden "Impfstoff" für die Wurzeln von Kulturpflanzen bieten Pilze ein großes Potenzial. Und für die Medizin beinhalten Pilze antitumorelle, antibakterielle und antivirale Wirkstoffe, die es in Pflanzen nicht gebe. Besonders faszinierend sei der Vielkönner Myzel aber auch als Biomaterial, das als Dämmmaterial, Styroporersatz, Leder oder Schuhsohlen verwendet werden könne und viele ökologische Vorteile gegenüber üblichen, oft umweltschädlichen Materialien genieße.

EK