Eichstätt
"Das Fenster für Trump war Clinton"

Auftakt der 30. Wintervortragsreihe über Populismus - in Abwesenheit des Referenten Veith Selk

21.11.2018 | Stand 23.09.2023, 5:02 Uhr
Der Eichstätter Anglist Thomas Hoffmann (links) leitet seit einem Jahr das Veranstalterteam; für den erkrankten Referenten trug Tobias Hirschmüller (rechts) dessen Manuskript vor. −Foto: oh

Eichstätt (EK) Eigentlich war der Politologe Veith Selk aus Darmstadt als Auftakt-Redner zur neuen Wintervortragsreihe vorgesehen. Aufgrund einer Grippe konnte er zwar nicht nach Eichstätt kommen, sein Vortrag über die Frage "Warum Populismus? Politikwissenschaftliche Perspektiven auf ein umstrittenes Phänomen" war aber trotzdem hier zu hören:

Vor den rund 50 Besuchern, die in den Kapuziner-Hörsaal gekommen waren, trug Tobias Hirschmüller das Manuskript vor, das der Referent dazu zur Verfügung gestellt hatte.

Dabei hatte der Lehrbeauftragte im Fach Neuere und Neueste Geschichte den Referenten eigentlich nur vorstellen und einführen wollen, wurde dann aber seinerseits eingeleitet durch den Eichstätter Sprachwissenschaftler und Anglisten Thomas Hoffmann, der seit dem vorigen Jahr das Veranstalterteam leitet. Hoffmann erinnerte daran, dass die Wintervortragsreihe heuer schon ihr 30-jähriges Bestehen feiert und ging ein auf die Geschichte der zur Institution gewordenen Reihe ein, die 1988 mit einem Zyklus zum Thema "Das 14. Jahrhundert" startete und sich dann nicht nur mit Jahrhunderten, sondern auch mit Mythen und Rahmenthemen wie "Radikalismen", "Protest", "Geld", "Venedig" oder "Metropolen" beschäftigt hatte.

Längst sei Populismus, so die Einleitung von Veith Selks Vortrag, "keine bloße Episode oder Randerscheinung mehr": die USA unter Donald Trump, Marine Le Pens "Front National" in Frankreich oder die "Partij voor de Vrijheid" von Geert Wilders in den Niederlanden. "Modetrends kommen und gehen, aber der Populismus wird bleiben", so Selks These, die sein Vortrag in drei Schritten entfaltete.

Zunächst ging es um die Frage, was Rechts-Populismus ist. In Deutschland sei der Begriff mit sehr negativen Konnotationen verbunden, weshalb AfD-Politiker wie Alexander Gauland ihn aufzuwerten versuchen, wenn sie behaupten, Populismus sei "nicht verwerflich und nichts anderes als das, was Martin Luther getan habe: dem Volk aufs Maul zu schauen". Der Begriff bezeichne einerseits einen Stil, andererseits eine Ideologie. Diese verfüge über eine selektive Wahrnehmung und behaupte, dass bestimmte gesellschaftliche Gruppen in der Politik nicht mehr repräsentiert werden, zu deren Fürsprechern sich Populisten machen: Sie behaupten, im Sinne des Volkes zu agieren und den politischen Eliten entgegenzutreten. Dazu werde eine aggressive Freund-Feind-Rhetorik gebraucht, das "gute Volk" werde den "korrupten Eliten" gegenübergestellt.

Im zweiten Abschnitt untersuchte der Vortrag, warum Populismus derzeit so erfolgreich sei. Die Antwort: "Er nutzt Gelegenheitsfenster." In Deutschland sei das zunächst die Opposition gegen den Euro und später die Flüchtlingswelle gewesen; "das Fenster für Trump war Hillary Clinton", meinte Selk. Ein weiterer Erfolgsgrund bestehe darin, dass Populisten Hilfe für jene versprechen, die durch Modernisierung und Innovation unter die Räder zu geraten drohen. Abstiegsängste äußern sich dadurch, dass sie ihrerseits Schwächere abwerten. Außerdem liefern die gern für Schlagzeilen anfälligen Massenmedien Populisten ein willkommenes Forum. Während der Stil etablierter Parteien eher bürokratisch sei, bieten Populisten die von Protestwählern gewünschte Emotion und Leidenschaften.

Als weitere Gründe für den Erfolg des Populismus führte der Vortrag die Zunahme der Komplexität in der Politik an, in der oft keine klare Verantwortlichkeiten mehr zu erkennen seien, sowie die Tatsache, dass die Interessen von Reichen oft stärker berücksichtigt werden.
 

Nächster Vortrag

Im Rahmen der Wintervortragsreihe zum Thema Populismus an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) hält am heutigen Donnerstag, 22. November, Paul Schreyer (freier Journalist) einen Vortrag zum Thema "Wie man die Demokratie nicht gegen Populisten verteidigt".Die Veranstaltung beginnt um 18.15 Uhr im Raum 209 des ehemaligen Kapuzinerklosters (Kapuzinergasse 2, Eichstätt). Das Programm der Reihe findet sich online unter www. ku. de/wintervortragsreihe.

Walter Buckl