Englgrösdorf
Das Ende eines "Todeskandidaten"

In Englgrösdorf wurde der aus dem frühen 16. Jahrhundert stammende Meierhof abgerissen

29.03.2020 | Stand 02.12.2020, 11:38 Uhr
Prägte die Geschichte und das Ortsbild von Englgrösdorf über Jahrhunderte: der aus dem frühen 16. Jahrhundert stammende Meierhof. Das Gebäude stand über Jahrzehnte leer und verfiel. Am Ende gab es keine Rettung mehr (rechtes Bild unten 2019). Jetzt wurde es abgerissen. Das Foto oben stammt aus den 1940er-Jahren, links unten ein Bild aus dem Jahr 2012, aufgenommen während eines Besuchs von Vertretern des Jurahausvereins und Landrat Anton Knapp. −Foto: Sammlung Rieder/Jurahausverein/EK-Archiv

Englgrösdorf - Unter dem Titel "Ein ,stattlicher' Todeskandidat" hat der Jurahausverein Eichstätt schon 1996/97 in der zweiten Ausgabe seiner Zeitschrift "Das Jurahaus" über den vom Verfall bedrohten und unter Denkmalschutz stehenden "Moiahof" in Englgrösdorf geschrieben.

Dem Siechtum wollte niemand etwas entgegensetzen. Jetzt hat der Todeskandidat das Zeitliche gesegnet. Das aus dem frühen 16. Jahrhundert stammende Gebäude wurde abgerissen. Mit amtlicher Erlaubnis. Damit ist eines der beeindruckendsten Beispiele an Jurabau-Kultur unwiederbringlich verlorengegangen.

Ein Verlust, der Kreisheimatpfleger Karl Heinz Rieder besonders schmerzt. Der promovierte Archäologe, dessen private Wurzeln in Englgrösdorf liegen und der der wohl aus dem neunten Jahrhundert stammenden Hofstelle, ihren Gebäuden und deren Geschichten persönlich sehr nahe steht, muss jetzt "Trauerarbeit" leisten, wie er sagt. Mehr als 40 Jahre lang hat er sich bemüht, das majestätische Anwesen, das als Zentrum des Dorfes untrennbar mit der Siedlungsgeschichte des Ortes und des Altmühltals zwischen Böhming und Kinding verbunden war, zu retten. Vergeblich. Letztlich blieb auch ihm nur mehr übrig, den Todeskampf des Hauses mit zu verfolgen und zuzusehen, wie der Verfall nicht mehr zu stoppen war.

Seitens der Eigentümer war immer klar: Ein Erhalt kommt nicht infrage. Da nützten auch die Bemühungen weder der privaten und ehrenamtlichen noch der amtlichen Denkmalschützer nichts. Schon vor 30 Jahren hatte das Landratsamt Eichstätt auf Druck des Landesamts für Denkmalpflege und des Kultusministeriums auf eine Sanierung des hochwertigen und geschichtlich wichtigen Gebäudes gedrängt. Ohne Erfolg. Auf weitere Maßnahmen allerdings - wie eine Anordnung oder die Errichtung eines Notdachs - wurde verzichtet. Karl Heinz Rieder erinnert sich noch genau, dass dies damals eine Möglichkeit gewesen wäre, dem Haus noch eine Chance zu geben. Im Hoffen darauf, dass eventuelle Nachbesitzer des derzeitigen Eigentümers die historische Wertigkeit, den bedeutenden architektonischen sowie kulturgeschichtlichen Wert des Gebäudes sowie dessen Wohn- und Lebensqualität zu schätzen wissen, eine Sanierung in Angriff nehmen würden. Denn von dem Eigentümer, der ebenso wie seine Schwester unverheiratet in einem benachbarten Neubau lebt und keine Nachkommen hat, sei ein Sinneswandel nicht zu erhoffen gewesen.

Auch der Jurahausverein kann auf zahlreiche Besuche und intensive Bemühungen, das stattliche Gebäude zu erhalten, zurückblicken. Für Vereinsvorsitzende Eva Martiny ist der jetzt erfolgte Abbruch eine "Denkmalzerstörung mit Ansage". Weder durch die hohen Zuschüsse noch durch angedrohte Zwangsmaßnahmen, die dann doch nicht durchgeführt wurden, hätte sich die Eigentümerfamilie von einer Sanierung überzeugen lassen, so Martiny. Jahrelang sei versäumt worden, konsequent auf eine Sanierung oder auf eine Instandhaltung zu drängen, kritisiert Martiny in diesem Zusammenhang vor allem politische Entscheidungsträger.

So verfiel das Gebäude zusehends. Letztlich war das einst so markanten Anwesen nicht mehr zu retten. Nach einem letzten Ortstermin im Dezember vergangenen Jahres musste auch Kreisbaumeister Christian Süppel eingestehen, dass es lediglich noch eine Frage von Wochen gewesen wäre, dass sich das Loch in der Traufseite noch deutlich erweitert hätte. "Die Pfetten- und Deckenbalkenkonstruktion war hier komplett zerstört", wie er gegenüber unserer Zeitung erklärt. "Eine Schadenskartierung hätte nur unter lebensgefährlichen Bedingungen stattfinden können", ist sich Süppel sicher.

EK