Eichstätt
Damit die Ethik nicht zu spät kommt

KU und Gabrieli-Gymnasium veranstalten Podiumsdiskussion zu Fortschritt in der Gen-Editierung

13.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:47 Uhr
Schüler und Professoren auf einem Podium: Ein Kooperationsprojekt zwischen der Katholischen Universität und dem Gabrieli-Gymnasium will die ethische Diskussion über Genom-Editierung beim Menschen fördern ? das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt das Vorhaben mit 200000 Euro. −Foto: Foto: Poese

Eichstätt (EK) Erbkrankheiten heilen, Designer-Babys erschaffen - was nach Science Fiction klingt, rückt mit einem neuen Verfahren in der Genom-Editierung erstmals in greifbare Nähe. Wie man das Thema ethisch betrachten muss, diskutierten Fachleute und Schüler am Dienstagabend an der KU. Dabei geht es um Hoffnungen genauso wie um Ängste.

Was ist neu an der Diskussion über genetische Manipulationen am Menschen? Dass sich die Voraussetzungen geändert haben. Mit einem Verfahren namens CRISPR/Cas 9 kann man sehr gezielt Gene aus der menschlichen DNA herausschneiden, einfügen oder ausschalten. Und all das ist "sehr viel einfacher, sehr viel preiswerter und sehr viel effizienter als herkömmliche Methoden", wie Moderator Dr. Roland Kipke es zu Beginn der Podiumsdiskussion zusammenfasste. Damit bekommt das Thema eine neue Brisanz. Es geht nun um eine baldige Realität statt um Science Fiction.

Was bedeutet das für die Gesellschaft? Mit diesem Problem haben sich Schülerinnen und Schüler des Gabrieli-Gymnasiums beschäftigt - in ihrem P-Seminar mit dem Titel "GenEthik - Medizinische Revolution oder unkontrollierbare Entwicklung?". Das Projekt ist eine Kooperation mit der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) - mit der Stiftungsprofessur für Bioethik mit Markus Rothhaar und seinem Team - und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 200000 Euro gefördert.

Um das komplexe Thema in den Griff zu bekommen, hat die Biologie-Lehrerin Dr. Katrin Pesch, die selbst Genetikerin ist, mit den Schülern zunächst die biologischen Grundlagen erarbeitet. Dann sind die Elftklässler in die ethische Diskussion eingestiegen. Ihre Argumente haben sie im Kontakt mit Wissenschaftlern und Fachleuten gesammelt - Bioethikern von der KU und der TU Berlin und Praktikern aus genetischen Laboren. Dabei haben die Schülerinnen und Schüler ihr Verständnis für das Thema weiterentwickelt: "Natürlich fachlich, aber auch in der Weise, wie sie das reflektieren", findet Lehrerin Katrin Pesch. Wie differenziert die Jugendlichen ihre Meinung zum Thema Genom-Editierung inzwischen ausdrücken können, zeigten sie den etwa 50 Zuhörern im größten Hörsaal der KU in ihren "Memoranden" zu Beginn. Sie fassten darin die wichtigsten Hoffnungen, Ängste und Argumente zusammen.

"Gene-Editing hat enormes Heilungspotenzial", erklärten Elisabeth Fuchs und Frederic Zinsmeister. Auch in der Landwirtschaft gebe es sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten. Pflanzen könnte man so verändern, dass sie resistenter sind und man mit weniger Pestiziden auskommt, um sie zu schützen. Das Genom von Kühen könnte man so beeinflussen, dass sie von vornherein keine Hörner haben. "Durch die Genschere wird massiv in die Natur eingegriffen", gaben dagegen Marie-Kristin Nieberle und Danielle Rudolph zu bedenken. Sie mahnten außerdem, dass der Weg vom Heilen von genetischen Erkrankungen und Behinderungen hin zum Erschaffen von Designer-Babys nach Wunsch womöglich nicht weit sei. Man nennt diesen Gedanken das "Dammbruch-Argument": Es besagt, dass es nicht einfach ist, eine Grenze zwischen Therapie und Enhancement, also der Verbesserung ohne therapeutischen Nutzen, zu ziehen.

Dieses Thema diskutierten die anwesenden Gäste kontrovers. "Man kann in der Tat keine gute Grenze ziehen zwischen Therapie und Enhancement", sagte Birgit Beck, Juniorprofessorin für Ethik- und Technikphilosophie an der Technischen Universität Berlin. "Wo die Grenze tatsächlich zu ziehen ist, das werden wir täglich neu verhandeln", prophezeite Michael Fuchs, Professor für Praktische Philosophie und Ethik an der Katholischen Privatuniversität Linz. Die entscheidende Frage sei: "Inwiefern dürfen wir denn über viele Generationen über das Schicksal der Menschen entscheiden?" Beim derzeitigen Stand der Technik gehe man noch davon aus, dass die Veränderung der Gene irreversibel ist, also auch weitervererbt wird. Wie Dr. Michael Bonin von den IMGM Laboratories in München erläuterte, arbeite man daran, dass die Eingriffe auch eine zeitliche Begrenzung haben können. "Da ist noch viel Grundlagenforschung nötig", sagte er im Bezug auf "Rückholaktionen auf DNA-Ebene".

Ganz anders argumentierte Stefan Sorgner, Professor für Philosophie an der John Cabot University in Rom. Er könne es "nicht verstehen, dass das Designer-Baby immer als eine Horrorvision dargestellt wird". Schließlich verändere auch die Erziehung den Menschen erheblich und auch da seien die Effekte teils irreversibel. Er stellte das Gene-Editing in eine Reihe mit Dingen wie dem Erlernen der Muttersprache oder Impfungen - all das seien Dinge, die das Leben eines Menschen besser machen könnten.

Der Schüler Max Köppel warf in die Diskussion ein, ob es überhaupt sinnvoll sei, jetzt schon ethische Überlegungen über die Zukunft anzustellen, obwohl man doch nicht wisse, wie sich die Technik bis dahin verändert habe. "Der Vorwurf ist normalerweise, dass die Ethik zu spät kommt", sagte Michael Fuchs dazu. Deswegen müssten Philosophen und Ethiker "nah an der Forschungs-Avantgarde dranbleiben".

Die Podiumsdiskussion ist nur einer von mehreren Schritten in dem Kooperationsprojekt "GENEDIS" der Katholischen Universität und des Gabrieli-Gymnasiums. Geplant ist außerdem, Lehrmaterialien zu dem Thema zu entwickeln. Bei allen Vorhaben ist ein Filmteam der Firma Video München dabei. Daraus entsteht ein Lehrfilm, der für den Unterricht genutzt werden kann. Einen Trailer gibt es schon jetzt im Internet unter www.genedis-eichstaett.de.

Katrin Poese