Eichstätt
Noch sechs Monate Zeit zur Rettung

Bischöfliches Priesterseminar hat jetzt die Trägerschaft für das Jura-Museum zum Jahresende gekündigt

08.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:28 Uhr
Der Aquariensaal im Jura-Museum ist einer der Bereiche, die dringend saniert werden müssen. Regens Michael Wohner (kleines Bild) sieht sich außerstande, die Kosten dafür mitzutragen. Letztlich hat das Priesterseminar nun auch deshalb gekündigt. −Foto: Fotos: Chloupek

Eichstätt (EK) Regens Michael Wohner hat Ernst gemacht und am Donnerstag per Boten an Wissenschaftsministerin Marion Kiechle die Kündigung der Trägerschaft für das Eichstätter Jura-Museum übermittelt: "Wir sind mit dieser Aufgabe überfordert", begründet der Leiter des Bischöflichen Priesterseminars diesen Schritt gegenüber unserer Zeitung mit Blick auf die Finanzlage der Diözese.

Angekündigt sei dieser Schritt bereits seit April vorigen Jahres - überrascht worden sei also niemand, erklären Regens Michael Wohner und Bistumssprecher Martin Swientek im Pressegespräch. "Die Entscheidung ist nicht leicht gefallen, war aber unvermeidlich." Im Verlauf des Gesprächs wird ein Ringen um Finanzen, aber auch ein Zeitenwandel deutlich.

Hauptsächlich geht es ums Geld. Den Löwenanteil - etwa 80 Prozent der Kosten - zahlt zwar jetzt schon der Freistaat Bayern, doch für das Seminar geht es um ein jährliches Defizit aus dem laufenden Betrieb, das 2016 bei 106000 Euro lag. Für 2017 errechnet Wohner ein Minus von rund 119000 Euro. Das Priesterseminar gibt seine jährlichen Ausgaben mit rund drei Millionen Euro an, darunter 200000 Euro im Schnitt für das Museum, und es kann diese Ausgaben offenbar schon länger nicht mehr selbst tragen: Seit 2006 übernimmt die Diözese das Defizit aus dem Bistumshaushalt - Tendenz steigend.

Denn das Seminar bekommt für seine Bemühungen zwar einen Hauptteil der Eintrittsgelder, doch die Besucherzahlen schwinden drastisch: von 90499 im Jahr 2000 auf 43264 im vorigen Jahr . "Das Museum muss dringend seine Attraktivität steigern. Dafür braucht es Geld", sagt Wohner. Geld, das er nicht aufbringen könne. Und mit dieser Erkenntnis begann zu Beginn von Wohners Regentschaft 2016 eine Abwärtsspirale, die zu der aktuellen reichlich verfahrenen Situation geführt hat: Generalsanierung und Neukonzeptionierung sind seit vielen Jahren geplant - damit wurde Michael Wohner auch gleich zu Beginn seiner Amtszeit konfrontiert: Er bekam eine Kostenschätzung von 1,5 Millionen Euro vorgelegt. Und selbst wenn eine Reihe von Förderzusagen in Aussicht gestanden haben, "etwa 700000 Euro wären noch ungedeckt gewesen. Das hätten wir nicht leisten können." Und dann sei immer noch von Zusatzkosten - etwa für neue Fußböden, die Rede gewesen. Deshalb sei es jetzt letztlich richtig gewesen, die "Reißleine" zu ziehen; nach zahlreichen Gesprächen auch mit den Kooperationspartnern der staatlichen Stellen. Wohner hat etwa 70 Termine dazu in seinem Kalender notiert. Zumal die Trägerschaft eines Museums ja nichtzu seinen Kernkompetenzen zähle: "Das hätte mich wirklich überfordert" - das Wort fällt während des Pressegesprächs immer wieder. Als Regens, so erklärt Wohner, sei er für die geistige und geistliche Ausbildung der Priesteramtskandidaten zuständig - derzeit sind es 21 Männer. Und die Zeiten hätten sich geändert.

Das haben sie zweifellos: Bei Eröffnung des Jura-Museums 1976 betonten Kirche und Staat die gemeinsame Verantwortung für die Bildung und die Vermittlung der Lehre von der Entwicklung des Lebens. Die Besonderheit des Museums macht gerade die Tatsache aus, dass die wissenschaftlichen Fossiliensammlungen einen theologischen Hintergrund haben. Franz Xaver Mayr (1887 bis 1974), Professor für Naturgeschichte an der damaligen Philosophisch-theologischen Hochschule in Eichstätt, war der geistige Vater des Jura-Museums, dessen Eröffnung er nicht mehr erleben konnte. Evolution war für ihn die Verwirklichung eines göttlichen Schöpfungsplanes. Das war auch der Geist, in dem die Sammlungen seit dem 18,. Jahrhundert für die Priesterausbildung angelegt wurden. Inzwischen studieren die Priesteramtskandidaten an der Katholischen Unveristät mit modernen Mitteln, die Sammlungen und das Museum seien dafür nicht mehr nötig. Etwaige historische Verpflichtungen sieht Wohner nicht.

Das Bischöfliche Priesterseminar ist also aus dem Rennen - und die Diözese selbst oder eine ihrer anderen Körperschaften springt definitiv nicht ein, wie Pressesprecher Martin Swientek betont: "Bei den zumindest mittelfristig zusätzlich zu erwartenden notwendigen Investitionen, die nötig sind, um das Museum attraktiv zu erhalten, ist wohl von Aufwendungen in Millionenhöhe für den Träger auszugehen. Im Blick auf die hohen Anforderungen an den Bistumshaushalt vor allem in der Seelsorge, im Blick auf beispielsweise die 400 Kirchenstiftungen, die durch Zuschüsse unterstützt werden, im Blick auf rund 2500 kirchliche Gebäude, für die sich die Diözese verantwortlich sieht, sind Zuwendungen an Dritte - und als solches ist das Jura-Museum zu sehen - aus begrenzten Haushaltsmitteln nicht zu leisten." Das Jura-Museum stünde hier in "direkter Konkurrenz" mit den Pfarreien. Eine weitere finanzielle Förderung des Museums sei nicht mehr vermittelbar, während draußen in den Pfarrgemeinden die Gelder knapp würden.

Zur Einordnung ist ein Blick in den Bistumshaushalt hilfreich: Der zeigt, dass die Diözese für 2018 mit Kirchensteuereinnahmen von rund 118,3 Millionen Euro (rund 4,2 Millionen mehr als 2017) und einem Haushaltsüberschuss von 8,8 Millionen Euro rechnet.

Die Eichstätter Landtagsabgeordnete Eva Gottstein (FW) hat kein Verständnis für diesen Rückzug der Kirche: "Professor Mayr würde sich im Grabe umdrehen, wenn er sieht, wie mit seinem Vermächtnis umgegangen wird." Die Trägerschaft eines solchen Museums, das ein Brückenschlag zwischen theologischer Schöpfungslehre und naturwissenschaftlicher Evolutionstheorie ist, sei "durchaus ein katholischer Ansatz, den man nicht aufgeben sollte"; gerade im Hinblick auf Papst Franziskus' Enzyklika "Laudato Sì". in der es um die Schöpfung, um Umwelt- und um Klimaschutz gehe. Alles Themen, die im Jura-Museum dargestellt würden.

Damit gerät das Schicksal des Eichstätter Jura-Museums nun auch in den bayerischen Landtagswahlkampf - was ihm allerdings nützen könnte: Die Freien Wähler haben diese Woche einen Dringlichkeitsantrag zur Rettung des Museums in den Landtag eingebracht - demzufolge der Freistaat im Notfall selbst zumindest übergangsweise die Trägerschaft übernehmen müsse. Gottstein erklärt, der Antrag sei bewusst auch als Signal an die betroffenen Mitarbeiter zu verstehen. Zum Hintergrund: Das Priesterseminar beschäftigt zehn Personen, meist in Teilzeit, am Jura-Museum.

Die Eichstätter CSU-Abgeordnete Tanja Schorer Dremel versichert auf Anfrage, ohne ins Detail gehen zu wollen, das Thema sei "auf höchster Regierungsebene" bekannt, man arbeite an Lösungen, intern würden verschiedene Betriebsformen diskutiert.

Eichstätts Oberbürgermeister Andreas Steppberger (FW) kündigt einen dringlichen Brief an Ministeripräsident Markus Söder (CSU) an und betont, er sei den Freien Wählern "sehr dankbar" für ihren Antrag im Landtag: "Eine Schließung wäre wirklich eine Katastrophe." Steppberger sieht die Regierung und den Freistaat in der Pflicht, jetzt dafür zu sorgen, "dass wir nicht einmal in die Nähe des Gedankens kommen, das Museum zuzusperren". Noch habe man ein halbes Jahr Zeit, das zu verhindern. Steppberger bestätigte, dass es eine Reihe von Gesprächen gebe. Vorstellbar sei vieles, ob nun ein Zweckverband, wie ihn zuletzt die stellvertretende Landrätin Rita Böhm (CSU) ins Gespräch gebracht hatte, oder eine andere Kooperationsform mit Kirche, Staat, Kommunen , vielleicht mit privaten Partnern? Hinter den Kulissen wird in diesen Tagen eifrig verhandelt. Spruchreife Lösungen gibt es noch nicht.
 

Eva Chloupek