Eichstätt
Hightech gegen Borkenkäfer

Die Wälder bei Eichstätt dienen als Forschungsfeld für den Harvesterfällkopf "Debarking Head"

06.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:19 Uhr
Beeindruckende Kraft: Weniger als fünf Minuten braucht der Harvester, um die Fichte zu fällen und zu schälen. −Foto: Foto: Chloupek

Eichstätt/Affenthal (DK) Wenn die Praxis hält, was Entwicklung und Forschung versprechen, dann brechen in der Wald- und Forstwirtschaft beim Kampf gegen den Borkenkäfer neue, bessere Zeiten an. Der Ortstermin gestern Vormittag in einem privaten Fichtenbestand im Affenthal bei Eichstätt war vielversprechend.

Tanja Schorer-Dremel hatte als Vorsitzende des Landesverbands Bayern der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald die Vertreter der Staatsforsten und der Privatwaldbesitzer zu einem Fachgespräch mit Vorführung in den Wald beim Affenthal gebeten. Es ging um einen neuartigen Harvester-Aggregatkopf, der den Waldbesitzern beim Kampf gegen den Borkenkäfer gute Dienste leisten soll und der jetzt über die erste Test- und Forschungsphase hinaus ist. Bei der INTERFORST 2018, der alle vier Jahre stattfindenden Leitmesse für Forsttechnik, wurde er im Juli in München unter großer internationaler Beachtung präsentiert, in den Wäldern rund um Eichstätt ist er bereits im Einsatz.

Norbert Harrer vom Forstservice Harrer und Mayer aus Inching ist technologisch bayernweit führend: Er arbeitet nun als Projektpartner im vierten Jahr eng mit Joachim Heppelmann und Kollegen von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf zusammen. Es geht um eine Technik, die in der Eukalyptusbaumernte in Südamerika schon seit Jahrzehnten angewendet wird und die hierzulande eigentlich den Nährstoffent-ztug bei der Holzernte minimieren sollte: Das sofortige Entrinden der Bäume nach dem Fällen.

Dazu wurde ein eigener Fällkopf für die modernen Harvestermaschinen entwickelt. Mit nährstoffarmen Böden gibt es rund um Eichstätt allerdings kaum Probleme - hier kämpft man dagegen enorm mit dem Borkenkäfer, einem Schädling, der Jahr für Jahr aufs neue besonders die Fichtenbestände dezimiert und ohne effektive Gegenmittel durchaus Existenzen bedroht. Auf der Messe war gerade aus Österreich, Polen und Tschechien das Interesse am "Debarking Head" enorm - dort herrscht bekanntlich eine große Borkenkäferplage. Harrer erzählt, dass allein in Tschechien 10 Millionen Festmeter Holz dem Schädling zum Opfer gefallen seien.

Im Landkreis Eichstätt fällt die "Käferbilanz" in diesem Jahr noch nicht ganz so schlecht aus wie 2017 - doch seit zwei Wochen vermehren sich die Schädlinge wegen der Trockenheit und Bruthitze über Gebühr. "Es wird allmählich besorgniserregend", sagt Hans Stadler, der Vorsitzende der Forstbetriebsgemeinschaft, in der die Waldbauern rund um Eichstätt organisiert sind. "Jetzt hat wohl auch der letzte kapiert, dass wir wegen des Klimawandels Probleme bekommen und dringend neue Lösungen brauchen." Deshalb war Stadler gestern mit großem Interesse beim Ortstermin dabei, ebenso wie Jörg Maier vom Wittelsbacher Ausgleichfonds und Rudolf Habereder von den Staatsforsten Kipfenberg.

Bisher heißt das Hauptrezept im Kampf gegen den Borkenkäfer in Privatwäldern und im Staatswald gleichermaßen: befallene Bäume möglichst schnell raus aus dem Wald! Selbst wenn das zu wirtschaftlichen Einbußen führt und auch organisatorisch oft schwierig ist - denn irgendwo muss das Holz ja bis zu seiner weiteren Verwendung gelagert werden.

Mit dem "Debarking Head" auf dem Harvster wird nun der Stamm nun gleich beim Fällen sofort geschält und dem Käfer damit der Garaus gemacht. Ein Vorgang, der gestern bei der Vorführung keine fünf Minuten pro Fichte gedauert hat. Die entrindeten Stämme können dann offenbar bedenkenlos im Wald gelagert werden.

Das alleinige Allheilmittel gegen Käferbefall sei die neue Technik sicher nicht, räumt Harrer ein, aber "es ist ein wichtigher Baustein im Borkenkäfermanagement", zumal ja ab nächstes Jahr kein zugelassenes Spritzmittel mehr zur Verfügung stehen wird.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft fördert das Projekt, das mit der wissenschaftlichen Begleitung durch die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf noch bis Dezember 2019 laufen wird. Dabei geht es auch um die Entwicklung und Bewertung von Logistikketten beim Einsatz dieser entrindenden Harvesterfällköpfe; denn natürlich spielt die Wirtschaftlichkeit eine entscheidende Rolle. Nach den bisherigen Erkenntnissen kostet der Einsatz des Fällkopfes je Festmeter etwa fünf Euro mehr; das könne sich aber noch ändern, denn die Wissenschaftler rechnen derzeit noch relativ geringe Festmetermengen hoch.

Getestet wurde das neue System bisher an den Baumarten Fichte, Kipfer, Lärche, Douglasie, Buche und Eiche, die genannten Entrindungsgrade von über 80 Prozent bei Kiefer und Fichte beeindruckten die Praktiker beim Ortstermin durchaus.

Allerdings ist noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten, bestätigt Norbert Harrer: Manche große Sägewerksbetreiber nehmen die Stämme lieber mit Rinde - sie verwerten die dann als Energieträger selbst. Kleinere Sägewerke seien dagegen froh, das Entrinden nicht übernehmen zu müssen. Sorgen, dass mit der frühen Entrindung die Holzqualität leiden könnte, können die Wissenschaftler ihren bisherigen Erkenntnissen zufolge entkräften. Jörg Heppelmann verweist darauf, dass mit dem speziellen Aggregatskopf das Holz sogar weniger angegriffen wird wie mit einem herkömmlichen Kopf.

Die Umbauzeit beträgt je nach Hersteller und Aggregat zwischen ein und sechs Stunden, die Investitionskosten für einen "Debarking Head" liegen je nach Hersteller und Aggregat zwischen etwa 3500 und 12000 Euro. Norbert Harrer hat derzeit zwei solcher Köpfe auf seinen insgesamt acht Harvestern im Einsatz. Das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten fördert den Einsatz ab einer Mindestmenge von 100 Festmetern mit 2,50 Euro pro Festmeter.

Dennoch wurde das Projekt für dieses Jahr zumindest in den Staatsforsten Kipfenberg wieder gestoppt, sagt Rudolf Habereder: Denn das Entrinden der Bäume hilft offenbar nur im ersten Entwicklungsstadium der Borkenkäfer. Heuer seien die Käfer schon zu weit gediehen: "Wir fahren das Holz zur Sicherheit lieber schnell raus aus dem Wald." Da stimmen ihn seine Kollegen Stadler und Maier zu. Ab 2019 wäre der Einsatz eines "Debarking Heads" für sie jedoch durchaus denkbar. Aktuell hoffen sie wie alle Waldbauer jedoch auf ein zügiges Ende der Hitzewelle, baldige und satte Regengüsse und einen möglichst kühlen September als natürliche Mittel gegen die Käferplage.

Eva Chloupek