Walting
Das Klima ist vergiftet

Im Streit um den Kindergartenneubau in Walting ziehen die Initiatoren nun ihr Bürgerbegehren zurück

10.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:35 Uhr
In der 2500-Seelen-Gemeinde Walting herrscht dickte Luft - im Zusammenhang mit einem Bürgerbegehren gibt es zum Teil offene Anfeindungen. Dessen Initiatoren haben ihre Unterschriftensammlung am Dienstag gestoppt. Inhaltlich geht es um die Frage, ob im geplanten Kindergartenneubau am Ortsrand nahe der Schule (oben links) wie vorgesehen ein Gemeindesaal oder nun doch eine weitere Krippengruppe Platz finden sollen. −Foto: Hager/Archiv

Walting (EK) Die Unterschriftensammlung für das Bürgerbegehrens"Zweite Kinderkrippe statt Sitzungssaal" in Walting wurde am Dienstag gestoppt, obwohl die Initiatoren, wie sie mitteilen, das Quorum fast erreicht haben. Ihren Rückzug begründen sie damit, dass sie "weitere unsachliche und persönliche Angriffe auf Unterstützer des Begehrens" beenden wollen.

Die Gemeinderäte Markus Birkner und Werner Mandlinger sowie Michael Zehetleitner, die das Bürgerbegehren iniitiert haben, erklären in einer schriftlichen Mitteilung an unsere Redaktion, dass sie "nach wie vor einen drohenden Betreuungsengpass für Krippenkinder" sehen und "die Umplanung eines Sitzungs-/Gemeindesaals zu einer Krippengruppen für eine adäquate Lösung" halten. "Aber die Eskalation verbaler Gewalt in Form von Beschimpfungen, Drohungen und Einschüchterungen gegen Initiatoren und Unterstützer des Bürgerbegehrens ist weit jenseits eines sachlichen, lösungsorientierten Austauschs konkurrierender Meinungen." Sie "hoffen, dass die Bürgerschaft und die Gemeinde eine Lösung finden, bei der kein Krippenkind vor der Tür des KiTa-Neubaus stehen muss."

Wie mehrfach berichtet geht es inhaltlich darum, ob beim geplanten Neubau des Kindergartens in Walting ein Gemeindesaal mitgebaut werden soll. Neben dieser für eine Demokratie durchaus üblichen sachlichen Kontroverse liefern sich die gegnerischen Parteien mit Wurfzetteln in den Briefkästen und Beiträgen im Internet einen streckenweise heftigen Schlagabtausch mit durchaus auch persönlichen Angriffen auf der einen und so manchen offensichtlichen Halbwahrheiten auf der anderen Seite.

Die Pläne für den Kindergartenneubau in der Gemeinde Walting, der bekanntlich den bestehenden und zu klein gewordenen Kindergarten in Rieshofen ersetzen soll, waren vielversprechend gestartet: Die Gemeinde hatte 2017 eine umfangreiche Bedarfsermittlung mit einer ganzen Reihe von Elternbefragungen und Bürgerbeteiligungen durchgeführt. Im Juli 2018 hatte es beim Architektenwettbewerb zum Kindergartenneubau großes Lob für das "sehr kluge Konzept" des siegreichen Büros Rüdenauer und Fischer aus Stuttgart gegeben. Geplant sind drei Kindergartengruppen für je bis zu 25 Kindern, eine Krippe für 12 bis 14 Kinder sowie ein öffentlicher Gemeindesaal, der unter anderem als Sitzungssaal für den Gemeinderat gedacht ist, derzeit tagt das Gremium in einem Sitzungssaal im Souterrain des Schulgebäudes. Im September 2018 hatte der Gemeinderat noch einstimmig das Projekt mit dieser Vorgabe beschlossen und weiter auf den Weg gebracht.

Inzwischen gab es einige Zerwürfnisse unter den Bürgern und Entscheidungsträgern. Unter anderem ist die Fraktion der Freien Wähler über dieser Frage zerbrochen, drei FW-Mitglieder sind in der Novembersitzung des Gemeinderats aus der Fraktion ausgetreten und haben sich neu formiert, hier war erstmals öffentlich auch von "Schlammschlacht" die Rede (wir berichteten).

"Was sich in der Gemeinde Walting derzeit ereignet, ist wirklich erschreckend", heißt es in einem einer ganzen Reihe von Äußerungen verschiedener Waltinger, die unsere Redaktion erreichen, "das Klima ist vergiftet" und: "Einer meiner größten Wünsche wäre, dass in der Gemeinde endlich Ruhe einkehrt."

Dieser Bürgerwunsch deckt sich mit dem des Bürgermeisters Roland Schermer. Er bestätigt auf telefonische Nachfrage unserer Zeitung am Dienstagnachmittag, die Stimmung in der Gemeinde sei "wirklich sehr problematisch, weil man wenig miteinander spricht." Es habe eine Reihe von Bürgerversammlungen gegeben, auf denen die Initiatoren und Unterstützer des Bürgerbegehrens sich jedoch nicht oder kaum der Diskussion gestellt hätten, "da hätte man offen und auf Augenhöhe diskutieren können". Seine Angebote zu persönlichen Aussprachen würden jedoch nicht angenommen. Stattdessen werde " jede Regung der Gemeinderäte in sozialen Medien beschrieben", auf den Gremiumsmitgliedern laste deshalb enormer Druck, so Schermer.

Und wie steht es mit dem inhaltlichen Anliegen des Bürgerbegehrens? Hält Schermer die darin geäußerten Sorgen, dass Kleinkinder mit der aktuellen Planung ohne Betreuungsplatz bleiben könnten, für begründet? Schermer verweist auf die 2017 durchgeführte Bedarfsanalyse, seitdem hätten sich keine Indizien gezeigt, dass die Krippenplätze nicht ausreichen sollten. Das zeigten auch die Geburtenzahlen der 2500-Seelen-Gemeinde von 2013 (33) bis 2018 (32). In den nächsten Jahren seien keine über Gebühr großen Steigerungen von Zuzügen zu erwarten: Für das Baugebiet in Rieshofen mit 11 Bauplätzen beginne jetzt erst die Bauleitplanung.

Trotzdem verspricht Schermer eine weitere Bedarfsermittlung als Reaktion auf das Bürgerbegehren. Sollte sich hier tatsächlich ein Mehrbedarf zeigen, gebe es noch genug Zeit, zu handeln, eine Erweiterung des geplanten Kindergartens sei möglich. Kein Kind werde auf der Straße stehen müssen, verspricht Schermer.

Und was ist mit dem vom Bürgerbegehren stark kritisierten Gemeindesaal? Der Bürgermeister sieht großen Bedarf an einem solchen Saal. Dieser solle ja nicht nur als Sitzungssaal für den Gemeinderat dienen. Dort sollten öffentliche Veranstaltungen aller Art stattfinden, die Musikschule, der Wasserzweckverband, Theatergruppen hätten schon Interesse angemeldet. "Wir haben jetzt die einmalige Chance, einen Gemeindesaal für die Bevölkerung zu schaffen, die sollten wir unbedingt nutzen", sagt Schermer.

Die Bedeutung des Gemeindesaal zeigt sich zudem darin, dass das Amt für ländliche Entwicklung über 60 Prozent der Kosten dafür fördert. Architekt Oliver Fischer ergänzt dazu in einer Stellungnahme: "Der Gemeindesaal zusammen mit dem Vorplatz ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Entwurfs, der zu einer Prämierung mit dem 1. Preis geführt hat."

Die Verantwortlichen gehen nach wie vor davon aus , dass der Zeitplan für den Kindergartenneubau wie vorgesehen eingehalten werden kann: Bauantrag nach Ostern, Spatenstich im Juni und im Sommer 2020 Eröffnung.
 

Eva Chloupek