Mörnsheim
Archaeopteryx bekommt Gesellschaft

Forscher beschreiben einen zweiten flugfähigen Urvogel - entdeckt in Mörnsheim

14.05.2019 | Stand 02.12.2020, 13:59 Uhr
Die Forscher sind sich jetzt sicher: Diese rund 145 Millionen alte Versteinerung eines Flügels sind nicht, wie im April vorigen Jahres vermutet, Teile eines zwölften Archaeopteryx, sondern gehören zu einem zweiten, neu entdeckten Urvogel, der nunden Namen Alcmonavis poeschli trägt. −Foto: O. Rauhut, LMU/SNSB

München/Mörnsheim (EK/chl) Der Thron des Archaeopteryx wackelt. Seit im Jahr 1861 das erste Fossil des Urvogels gefunden wurde, gilt er als einziger Vogel aus der erdgeschichtlichen Periode des Jura. Nun hat ein Team um Professor Oliver Rauhut an der Ludwig-Maximilians-Universität in München (LMU) einen bislang unbekannten Vogel aus der Gegend taxonomisch beschrieben, es ist der zweite bekannte flugfähige Vogel aus dieser Periode überhaupt: Alcmonavis poeschli, gefunden in Mörnsheim und nach seinem Entdecker Roland Pöschl benannt.

 


"Das weist darauf hin, dass die Diversität der Vogelwelt im oberen Jura größer war als bislang bekannt", sagt Rauhut, Paläontologe am Department für Geo- und Umweltwissenschaften der LMU sowie an der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie. Der weltberühmte Urvogel Archaepoteryx belegte bisher als einziger als Übergangsform zwischen Reptilien und Vögel, dass die heutigen Vögel direkte Nachfahren von Raubdinosauriern sind, seine Entdeckung 1861 galt auch als "Missing link" zur Unterstützung von von Darwins Evolutionstheorie.

Alle bislang von ihm gefundenen Exemplare - die Fachwelt kennt elf davon - stammen aus dem Gebiet des Solnhofer Archipel, das sich im Jura im Bereich des heutigen Altmühltals erstreckte, in der Gegend zwischen Pappenheim und Regensburg. Hier lebte Archaeopteryx vor etwa 145 bis 150 Millionen Jahren in einer Riff-Insel-Landschaft.

Von Alcmonavis poeschli wurde nur ein Flügel entdeckt. "Wir hatten erst angenommen, dass auch dieses Exemplar ein Archaeopteryx ist, und haben es uns bei der Untersuchung nicht leicht gemacht", so Rauhut. Tatsächlich wurde das Fossil, den Steinbruchbetreiber im November 2017 entdeckt hatte, im April 2018 zunächst als zwölftes Exemplar des Archaeoteryx gefeiert (wir berichteten). "Es sind Ähnlichkeiten da, aber seine fossilen Reste lassen vermuten, dass es sich um einen etwas höher entwickelten Vogel handelt", teilte Rauhut gestern mit. Wie die taxonomische Studie, die aktuell im Fachmagazin eLife veröffentlicht ist, zeigt, war Alcmonavis poeschli nicht nur etwas größer als Archaeopteryx. Er konnte offenbar auch besser fliegen: "Muskelansatzstellen am Flügel deuten auf ein verbessertes Flugvermögen hin", sagt Rauhut. Alcmonavis poeschli weist mehrere Merkmale auf, die Archaeopteryx nicht hat, jüngere Vögel aber schon. Diese deuten auf eine bessere Anpassung an den aktiven Flatterflug hin.
Damit bringt Alcmonavis poeschli neuen Schwung in die Debatte, ob der Vogelflug über den Gleitflug entstanden ist. "Seine Anpassungen zeigen, dass die Evolution des Fluges relativ schnell vorangeschritten sein muss", sagt Dr. Christian Foth von der Université de Fribourg (Schweiz), einer der Koautoren der Studie.
Seinen Namen verdankt der nun erstmals beschriebene Vogel dem alten keltsichen Namen der Altmühl, Alcmona, und seinem Entdeckter Roland Pöschl, der die Ausgrabungen im Steinbruch am Schaudiberg bei Mörnsheim leitet. In denselben Plattenkalkablagerungen wurde auch ein weiteres Fossil eines Archaeopteryx entdeckt. Die beiden Urvögel haben also offenbar parallel in der damals subtropischen Lagunenlandschaft Süddeutschlands gelebt.