Eichstätt
Wenn Astrazeneca das Impftempo bremst

Für Mediziner nicht nachvollziehbar: Ältere verweigern die Corona-Impfung wegen des Serums

20.04.2021 | Stand 24.04.2021, 3:33 Uhr
Hat eine anspruchsvolle Aufgabe: Der Mediziner Sigurd Eisenkeil ist Impfarztkoordinator der Malteser im Landkreis. −Foto: Wermter

Eichstätt - Dominik Müller (Foto) pocht eindringlich auf das "Miteinander", fordert Verantwortungsbewusstsein der älteren Generation - gerade in Zeiten der Pandemie.

Der Hausarzt und Homöopath bringt sich im Eichstätter Impfzentrum ein. "Ein- bis zweimal pro Woche bin ich dort im Einsatz", sagt er. Müller hat es jetzt bereits des Öfteren erlebt, dass sich über 60-Jährige auf keinen Fall den Impfstoff Astrazeneca spritzen lassen wollen. Dabei sind die Impfungen die einzige Möglichkeit im Kampf gegen das Coronavirus. "Die neue britische Virus-Variante ist zudem noch wesentlich ansteckender als die bisher bekannten Mutationen", warnt er.

Müller erschließt sich die Verweigerungshaltung älterer Menschen gegenüber Astrazeneca nicht. Denn mit der Impfung schützten sich die Senioren selbst vor einer Ansteckung und sie könnten das Virus nicht mehr verbreiten. Zudem kann mithilfe der Impfungen eine Überfüllung der Intensivstationen vermieden werden. "Abgesehen davon kann jedes Anti-Corona-Serum Nebenwirkungen haben, egal ob Astrazeneca, Biontech oder Moderna", sagt Müller. Er selbst hat am Impfzentrum einen einzigen Fall erlebt, bei dem es zu einer anaphylaktischen, einer allergischen Reaktion kam - nach einer Impfung mit Biontech. Er hat Menschen, die mit Astrazeneca behandelt wurden, auch schon angerufen, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. "Der Arm hat weh getan", sei ab und zu die Antwort gewesen, sagt Müller. Auch klagten Menschen manchmal über Abgeschlagenheit, Fieber oder Kopfschmerzen an ein bis zwei Tagen.

"Ältere Menschen, die Astrazeneca ablehnen, nehmen letztlich den Jüngeren die Impfdosis weg", argumentiert der Arzt. "Und sie bremsen das Impftempo, wenn sie meinen, man könne ja dann bis Juni warten, wenn mehr alternative Impfdosen auf dem Markt sein könnten. "

Es kommt immer wieder zu langen und überaus unangenehmen Gesprächen mit Astrazeneca-Verweigerern - auch in den Hausarztpraxen, wie Müller im Kollegenkreis erfahren hat. "Dabei haben Ältere ein höheres Erkrankungsrisiko", sagt Müller. Außerdem würden die lang dauernden Spätfolgen nach Covid - auch bei einer leicht verlaufenen Infektion - unterschätzt werden. An der Corona-Impfung führe kein Weg vorbei, egal mit welchem Impfstoff. Er appelliert an die Vernunft des Einzelnen. "Denn das Risiko einer Nebenwirkung ist ungleich kleiner als das einer Erkrankung mit schwerem oder gar tödlichem Verlauf. "

Auf wenig Verständnis stößt die Reaktion der Astrazeneca-Verweigerer auch bei Manuela Schmidt. Sie arbeitet als Standortleiterin im Eichstätter Impfzentrum für die Malteser - die Hilfsorganisation betreibt die Impfzentren im Landkreis. Dort werden täglich 360 bis 380 Menschen geimpft, im Zentrum Lenting sind es etwa 400. "Aber immer wieder gehen Impfwillige wieder, wenn sie hören, dass sie Astrazeneca bekommen. Viele lassen sich lieber auf eine Warteliste setzen, als das Impf-Angebot sofort anzunehmen. " Sie betont, dass es keine Zwischenfälle mit Astrazeneca gegeben habe. Mit dem schlechten Image, das der Impfstoff in der Öffentlichkeit habe, müsse aufgeräumt werden. Ein Blick auf die Prozentzahlen der eingesetzten Seren zeigt: Nach Angaben aus dem Landratsamt wurden in den Zentren Eichstätt und Lenting 72 Prozent Biontech verabreicht, Astrazeneca kommt auf 20 Prozent, bei Moderna sind es 8 Prozent.

Generell ist Sigurd Eisenkeil, der Impfarztkoordinator der Malteser, mit der Situation zufrieden. "Die meisten sind sehr dankbar, dass sie überhaupt geimpft werden. " Der schlechte Ruf Astrazenecas sei schon am Anfang entstanden, als es mit den Lieferungen nicht geklappt habe. "Dann hieß es, Astrazeneca nur für junge Leute, später sollte der Impfstoff nur bei Älteren zum Einsatz kommen - das hat die Ärzte und die Bevölkerung verunsichert. " Dabei sei Astrazeneca ein wirklich wirkungsvoller Impfstoff. Und Nebenwirkungen könne es bei jeder Impfung geben. Er ist drei- bis viermal in der Woche in beiden Zentren. "Gut 60 Ärzte haben sich freiwillig für den Dienst gemeldet. " Laut Eisenkeil kommen sie unterschiedlich oft zum Einsatz, weil ein Arzt mit eigener Praxis naturgemäß weniger Zeit hat als ein Ruheständler. Eisenkeil braucht die Kolleginnen und Kollegen für 70 Schichten pro Woche, vier jeweils vormittags und nachmittags in Lenting; in Eichstätt sind es je drei. Eisenkeil hofft auf die stärkere Einbindung der niedergelassenen Hausärzte in die Impfungen. "Dann könnte das Ziel, 70 Prozent der Bevölkerung durchzuimpfen, durchaus bis September erreicht werden. " Foto: privat, EK