Eichstätt
"Intensiv mit den Kindern sprechen"

Wie das Kinderdorf Marienstein mit der Corona-Krise umgeht

19.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:31 Uhr
Bewegung an der frischen Luft, Spiel und Abwechslung in den Wohngruppen: Wichtig für die Kinder in diesen besonderen Zeiten ist neben der Freizeitgestaltung die Fortsetzung von gewohnten Ritualen wie festen Essens- und Zubettgehzeiten. Außerdem läuft nun nach den Ferien der Unterricht weiter.Heller −Foto: Heller

Eichstätt - Keine Termine, strahlender Sonnenschein - im Caritas-Kinderdorf Marienstein kann man den Corona-Zeiten auch etwas Positives abgewinnen: "Es ist eine ruhige Situation bei uns", sagt Leiterin Brigitte Radeljic-Jakic.

Kinder wie Erwachsene haben mehr Zeit und damit mehr Muße für "Kontakte untereinander, Spiele und Gespräche. "

Letztere waren zu Beginn der Krise ebenfalls wichtig. "Man muss mit den Kindern ganz intensiv sprechen", sagt Radeljic-Jakic, zum einen über die Hygienemaßnahmen, aber auch über das Coronavirus selbst. Hände waschen, Abstand halten - diese Regeln mussten öfter mal wiederholt werden. Darf ich zu einem Freund, der nicht in meiner Gruppe ist, aufs Zimmer? Nein, aber man darf sich am Fenster unterhalten. "Die Kinder akzeptieren das, nicht gleich am Anfang, aber nun schon", sagt die Leiterin, der es wichtig ist, ein Lob an die Kinder auszusprechen - sie hätten die neuen Regeln mittlerweile sehr gut verinnerlicht. Auch die Situation draußen müsse man kindgerecht erklären, fährt Radeljic-Jakic fort. Was ist Corona, was ist los in der Gesellschaft? "Viele der Kinder haben in der Vergangenheit traumatische Erlebnisse gemacht. " Es gehe im Kinderdorf darum, die Lage zu erklären, aber keine Ängste zu schüren.

Wichtig für die Kinder in dieser besonderen Situation sind neben Gesprächen - ein Psychologe begleitet die Projektgruppen mit - auch Rituale. "Sie geben Verlässlichkeit und Halt. " Dazu gehören etwa feste Essens- und Zubettgehzeiten, ebenso wie der Schulbetrieb - es gehört eine Grund- und Hauptschule zur Einrichtung. Dieser lief weiter, allerdings in abgeschwächter Form. Unterricht und Projekte wurden zusammengebracht, was bei den Schülern gut ankam. "Ein Bienenhaus bauen, längere Wanderungen" - für solche Dinge ist nun mehr Zeit.

Die Jugendlichen, die normalerweise außerhalb eine Regelschule besuchen, nehmen nun hier am Unterricht teil. "Bei der Bekanntgabe der Schulschließungen Mitte März wurden zudem vereinzelt Kinder heimgeschickt, bei denen die Rückführung in die Familie für den Sommer geplant ist", erklärt Radeljic-Jakic, Kinder also, bei denen es daheim in den Familien gut läuft, "die hauptsächlich wegen der Schule da sind". Beurlaubungen, so hat es nun das Bildungsministerium beschlossen, sollen nicht mehr erlaubt werden, die Kinder kehren nun in den Ferien nach und nach zurück. "Sie kommen aber nicht sofort in ihre normale Wohngruppe", so die Leiterin, sondern werden in einer Übergangsgruppe, die von einem festen Personalstamm betreut wird, mindestens eine Woche beobachtet. So soll verhindert werden, dass jemand das Virus mit ins Kinderdorf bringt. Rücksicht wird auch auf die Mitarbeiter mit Vorerkrankungen genommen, sie bleiben vorsorglich zu Hause.

Und wenn nun ein Kind doch traurig wird und seine Eltern vermisst? Zu Beginn der Maßnahmen sei schon gemurrt worden, erinnert sich Radeljic-Jakic, manche nahmen die Situation auch mit Humor. "Dann will ich aber 30 Euro Schmerzensgeld", sagte etwa ein neunjähriges Kind, als die neuen Regeln erklärt wurden. "Wenn ein Kind sehr leidet, dann muss man im Einzelfall entscheiden, ob die Eltern es besuchen können", sagt die Leiterin, wichtig sei die enge Absprache mit Jugend- und Gesundheitsamt. Bisher sei das aber nicht der Fall gewesen. Schließlich gibt es jede Menge zu tun: Vor Ostern wurde fleißig gebastelt, zählt Radeljic-Jakic auf, es wird gegrillt und Federball gespielt.

Auch bei den Älteren kann die Leiterin derzeit keinen Lagerkoller erkennen. Da im übrigen Umfeld derzeit nichts passiere, "ist die Akzeptanz sehr groß. " Für ihre Mitarbeiter hat Radeljic-Jakic ebenfalls ein Lob: "Die Erzieherinnen und Erzieher sind sehr engagiert. Es ist ein gutes Miteinander. " Darüber sei sie sehr froh, betont die Leiterin, die nun hofft, "dass bald wieder Normalität einkehrt".

EK