Eichstätt
Alle Hände voll zu tun

"Urlaub daheim" löst Fahrrad-Boom aus - Läden bekommen schon jetzt keinen Nachschub mehr

10.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:12 Uhr
Seinen Laden "Röll Trisport" in Eichstätt hat Markus Röll erst einmal für zwei Wochen geschlossen - nicht, um in den Urlaub zu fahren, sondern um all das abzuarbeiten, was angefallen ist - und weil es zurzeit keinen Nachschub vom Händler gibt. −Foto: Kurz

Eichstätt - Während eine Kundin wieder auf ihr Fahrrad steigt, kommt schon ein anderer angesaust und stoppt mit stotternden Reifen vor der Ladentür. Vorn ist das Licht kaputt, irgendwas ist mit der Bremse, ein Fahrradsattel muss neu eingestellt werden - bei Fahrrad Röll in Eichstätt war vor dem Wochenende einiges los.

 

Dass der Sommer das Geschäft ankurbelt, ist klar, aber was dieses Jahr passiert ist, ist dann doch neu. "Ich bekomme in den nächsten zwei Monaten keine Fahrräder", sagt Inhaber Markus Röll. Teurere, besondere Modelle seien schon noch verfügbar, aber das Standard-Fahrrad, das die Leute normalerweise kaufen, gibt es zurzeit nicht. Dafür hat Röll alle Hände voll zu tun mit dem, was bereits bestellt ist, und mit Reparaturen.

Zwei Wochen lang sei im März gar nichts los gewesen, erzählt er, danach dafür umso mehr. Er vermutet, dass die Menschen sich auch Gedanken darüber gemacht haben, was sie tun können, wenn sie nicht wie sonst in den Urlaub fahren können - "irgendwie müssen sie ja raus". Mittlerweile sagt er seinen Kunden zehnmal am Tag, dass er keine neuen Räder mehr bekommt.

Auch Michael Datz vom Fahrrad-Paradies in Dollnstein sagt, das komplette Sortiment könne er nicht mehr anbieten; ab Mitte März wurde viel gekauft, Datz schätzt, dass etwa 50 Prozent mehr Kunden gekommen und Fahrräder verkauft worden sind. Auch er berichtetet, dass die Leute als Ersatz für den Urlaub in der näheren Umgebung unterwegs sein wollen und dafür Räder kaufen: "Querbeet, vor allem E-Bikes" werden nachgefragt. Eine bestimmte Altersgruppe lässt sich aber nicht ausmachen.

Dass die Ware irgendwann im Sommer ausverkauft ist, ist ganz normal, denn produziert wird im Winter zuvor, spontaner Nachschub ist nicht möglich. Anders ist dieses Jahr, dass der Ausverkauf schon so früh stattgefunden hat.

Die Fahrradläden als Corona-Gewinner? Könnte man meinen. Datz sagt aber auch, dass die Situation zurzeit schwierig und kaum zu bewältigen sei, "wir arbeiten fast rund um die Uhr". Trotzdem gibt es vier bis sechs Wochen Wartezeiten. "Man muss die Kunden um Geduld bitten" - aber die wollen jetzt und nicht erst in einem Monat radeln. Einfach mal jemand Neuen einstellen, gehe ja auch nicht. "Es ist schön, wenn der Motor warmläuft, aber wenn er überhitzt..."

Martin Escherle vom Eichstätter Fahrradladen "Xterno bikes" blickt ganz an den Jahresanfang zurück, als Corona noch kein Dauerthema war. Alle waren guter Stimmung, auch Kollegen und Gastronomen, mit denen er sich ausgetauscht hat. "Wir haben gedacht, dass es ein sehr gutes Jahr wird" - bis die Einschränkungen kamen. Jetzt schlägt das Pendel aber auch bei ihm in die Gegenrichtung aus: Es gibt viel zu tun, längere Arbeitszeiten, und im Nicht-E-Bike-Bereich ist fast alles leergefegt. Besonders Mountainbikes zwischen 500 und 1200 Euro können nicht mehr nachbestellt werden. Escherle vermutet auch, dass sich durch die Krise die Mentalität verändert hat, die Leute wollen draußen sein, die Natur genießen. Dazu passe Fahrradfahren - und im Altmühltal gibt es ohnehin Natur pur.

Die Räder, die er noch im Laden hat, hat er schon vorher bestellt - "lieber ein bisschen mehr", hat er sich gedacht. Vermutlich wird es sich auszahlen, sobald das Wetter wieder gut ist und sich alle in den Sattel schwingen wollen.

EK