Eichstätt
Bitte keine Weihnachtsgeschichten

Der Schweizer Schriftsteller Peter Stamm las vor über 200 Schülern am Gabrieli-Gymnasium

16.05.2018 | Stand 02.12.2020, 16:23 Uhr
Aus seinem Buch "Blitzeis" trug der Schweizer Schriftsteller Peter Stamm am Gabrieli- Gymnasium vor und beantwortete die vielen Fragen der Schüler ? zum Beispiel zu seinem Lebensunterhalt. −Foto: Foto: Buckl

Eichstätt (wbu) "Wie sieht das eigentlich mit dem Geld aus?

Kann man von dem Job leben? "

Auf diese sehr klare und direkte Frage einer Schülerin kam ein Raunen in der Aula des Gabrieli- Gymnasiums auf: Am Dienstagmittag war dort der Schweizer Schriftsteller Peter Stamm zu Gast, der am Montagabend mit einer Lesung aus seinem neuen Roman "Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt" das Lesefestival "LiteraPur18" eröffnet hatte (wir berichteten im Ressort Kultur). Nun am Folgetag hatte er sich, relativ spontan, zu einer weiteren schulischen Lesung in Eichstätt bereitgefunden. Sein Publikum war groß. Es bestand aus über 200 Schülerinnen und Schülern der zehnten und elften Jahrgangstufe.

Eingeführt hatte Stamm Winfried Mederlein im Namen der Erweiterten Schulleitung des GG, der darauf verwies, dass mit Hanna Johansen, Franz Hohler und Zoe Jenny in den vergangenen Jahren schon etliche Schweizer Schriftsteller hier gelesen hatten oder - wie Thomas Hürlimann - eine Lesung am GG zugesagt haben, das ja nach einem Schweizer Baumeister aus Graubünden benannt ist.

Zur Lesung für die Schüler hatte Stamm, 1963 im Schweizer Kanton Thurgau geboren, zunächst die Erzählung "Am Eisweiher" aus seinem Band "Blitzeis" gewählt, worin es um zwei badende Teenager geht, zwischen denen es zu einer denkwürdigen Begegnung gekommen sein dürfte - wobei der Erzähler aber bewusst Klarheit vermeidet, indem er wesentliche Szenen ausspart - weshalb sich die ersten Fragen inhaltlich an diesem Text orientierten.

Bald aber kam es in dem ausführlichen Gespräch mit den Schülern, moderiert von Deutsch-Fachbetreuer Walter Buckl, der die Lesung auch kurzfristig organisiert hatte, zur Ausweitung der Fragen, die sich dann auch nach der Dauer der Entstehung eines Romans richteten - dazu brauche er anderthalb Jahre. Doch wollten die Schüler auch erfahren, ab wann Stamm wusste, dass er Schriftsteller werden wollte - etwa mit 20 Jahren -, und woher er seine Inspiration erfahre. Seine Antwort: "Aus dem Leben, nicht aus der Literatur. "

Und ja, natürlich habe er Lieblingsbücher, aber da könne er nicht nur ein einziges nennen, auch ändern sich seine Vorlieben im Lauf der Zeit - er müsste nun auf diese Frage wohl an die hundert Titel nennen. Weiter verriet er, dass er die gelesene Geschichte als Auftragsarbeit geschrieben habe - er sollte einen Krimi liefern. Das tat er nicht, aber immerhin kommt es in der Erzählung "Am Eisweiher" zu einem spektakulären unnatürlichen Todesfall. Rund neun von zehn Auftrags-Anfragen lehne er aber ab, insbesondere wenn er gebeten werde, eine Weihnachtsgeschichte zu schreiben - "und das auch meist noch viel zu spät, im November". Weiter ging es um die Frage des Verfassens von Kinderbüchern, um die Übersetzungen seiner Werke oder darum, in welcher Beziehung er zu den von ihm geschaffenen Charakteren stehe.

Und natürlich beantwortete Stamm auch ganz offen, ob man als Schriftsteller vom Schreiben leben könne: 90 Prozent der Autoren gelinge das eher nicht, sie müssten sich mit Stipendien, Preisen oder zusätzlichen Jobs über Wasser halten. Ihm selbst gelinge es gut.

In der ausführlichen Gesprächsrunde wurde Stamm auch mit Fragen konfrontiert, die bei einer Schullesung eher ungewöhnlich sind - etwa, warum er vom Arche-Verlag zum Fischer-Verlag gewechselt sei, oder weshalb er gar keinen Schweizer Akzent spreche. Hier konnte ihn das Auditorium durch nachhaltige Bitten immerhin dazu verlocken, den Beginn einer hochdeutsch verfassten Erzählung, "Das schönste Mädchen", spontan auf "Schwyzerdütsch" vorzutragen, was mit lautem Applaus quittiert wurde.

Den gab es auch am Schluss dieser Dienstags-Doppelstunde, womit die 200 Schülerinnen und Schüler zeigten, dass der Schweizer Schriftsteller bei ihnen gut angekommen war. Man darf davon ausgehen, dass Werke von Stamm demnächst am GG auch als Klassenlektüren eingesetzt werden.