Mindelstetten
Bischof Voderholzer: Was ist die Seele Europas, worin besteht sie?

17.01.2019 | Stand 02.12.2020, 14:49 Uhr

Mindelstetten (ais) Mindelstetten kennt der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer nicht seit Kindertagen, wie er in seinem Festvortrag erzählte.

Doch schon Jahre vor ihrer Seligsprechung habe er von Anna Schäffer gehört: Bei einer Wallfahrt der Pförringer im Jahr 1992 nach Altötting, die er als studierender Priester begleitete. Besonders junge Leute hätten ihm von Anna Schäffer erzählt und dass sie Kraft und Mut für ihren eigenen Glauben von ihr empfangen hätten. "Das hatte mich natürlich neugierig gemacht", so der Bischof. Dass es sich bei der Mindelstettenerin nicht um einen Popstar, eine Leistungssportlerin oder sonst eines der von jungen Menschen in der Regel verehrt Idole handelte, sei ihm schon klar gewesen. "Aber wie ich dann gehört habe, um was für ein einfaches - von außen her mit den Augen und Ohren der Kriterien dieser Welt betrachtet - im Grunde erbärmliches Leben es sich hier handelte, da habe ich schon sehr gestaunt. " Schließlich war eine weit über die Hälfte ihres Lebens ans Bett gefesselte Frau zur Glaubensbotin und zum Vorbild gerade auch für viele junge Menschen geworden.

In den Mittelpunkt seiner Rede stellte der Bischof Europa. "Was ist die Seele Europas, worin besteht sie? " Voderholzer beschrieb ein Bild, das der frühere Bundespräsident Theodor Heuss geprägt hat: Europa sei gegründet auf drei Hügeln. Die Akropolis in Athen stehe für die griechische Tradition von Philosophie und Demokratie und sei Ursprungsort der wissenschaftlichen Welterklärung mit den Mitteln der menschlichen Vernunft. Der capitolinische Hügel in Rom stehe für Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit. Ihr Fehlen sei eines der größten Entwicklungshemmnisse in vielen Problemzonen der Erde. Der dritte sei der Golgotha-Hügel vor den Toren Jerusalems, auf dem Christus gekreuzigt wurde. "Das Kreuz: Zeichen der unendlichen Liebe Gottes zu seiner Schöpfung, Zeichen der Erlösung aus der Kraft der Liebe, Zeichen, das Himmel und Erde verbindet, Inbegriff des christlichen Glaubens. "

Mit Joseph Ratzinger müsse man Heuss noch ergänzen um den Berg Sinai, der Ort der Gottesoffenbarung in den "Zehn Geboten". "Es gibt kein Europa ohne die zehn Gebote. Wo sie nicht geachtet werden, ist die Menschlichkeit in Gefahr", so Voderholzer - und damit Europa. Vieles davon sei mittlerweile in die Charta der Grundrechte Europas eingegangen. Und er nannte noch einen Berg: Montecassino in Italien, wo der heilige Benedikt im Jahr 529 das erste Kloster gegründet hatte. Die Mönchsklöster seien nicht nur Orte des Glaubens und der Gottesverehrung, sondern Zentren der Bildung und Kultur. Gerade in den prägenden Jahrhunderten hätten die Klöster Europa wie ein Netz überzogen und zusammengehalten und das antike und jüdisch-christliche Erbe an die Zukunft weitergegeben. Nicht umsonst sei der heilige Benedikt zum Patron Europas erklärt worden. Kardinal Ratzinger, der sich als Papst den Namen des Europa-Patrons gab, habe 1980 formuliert: "Europa ist Europa geworden durch den christlichen Glauben, der das Erbe Israels in sich trägt, aber zugleich das Beste des griechischen und des römischen Geistes in sich aufgenommen hat. "

Im Prozess der Entwicklung Europas habe das Christentum gezeigt, dass es die Kraft hat, verschiedene Sprachen und Kulturen zu integrieren. "Von mancher Seite wird heute die Gefährdung des christlichen Abendlandes beschworen. Und ich gehöre zu denen, die diese Sorgen nicht einfach von der Hand weisen", sagte Voderholzer - und zitierte Peter Scholl-Latour: "Sorgen muss sich Europa nicht machen wegen der Stärke des Islam, sondern wegen seiner eigenen geistigen Schwäche. " Papst Franziskus habe ebenfalls eine "Müdigkeit" und "Kraftlosigkeit" Europas beklagt. Umso ermutigender sei deshalb die Verehrung der Anna Schäffer, gerade auch von jungen Menschen: "Das gibt mir ungemein viel Zuversicht in die vorhandenen, zukunftsprägenden und zutiefst menschlichen Kräfte des Christentums. "

Europa hat eine Seele. "Unsere Heimat hat eine Seele. " So beendete der Bischof seinen danach viel gelobten Vortrag: "Sie hat unsere Heimat so lebens- und liebenswert gemacht. " Diese sei der christliche Glaube. "Es kommt darauf an, diese Seele nicht verkümmern zu lassen, sondern frohgemut zu leben. "