Eichstätt
Besetzung des Rathauses abgesagt

Feuerwehr gegen Unruhestifter? - Aus Nachtwächtern wurden Nachtschutzleute

04.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:33 Uhr
Nach dem Kriegsende im November 1918 wurde mit der Rückführung der Kriegsgefangenen in ihre Heimatländer begonnen. Das Bild zeigt Gefangene auf der Willibaldsburg beim Empfang des Abendessens. −Foto: Archiv Ettle

Eichstätt (EK) Vor rund einhundert Jahren hatten sich viele Bürger nach dem Sturz von König Ludwig III. und dem Ende des Königreichs auf die Seite der Revolution geschlagen. Sie waren aber auch in Sorge um Sicherheit von Leib und Leben und befürchteten Unruhen und Plünderungen.

In Eichstätt kamen im Dezember 1918 im Rathaussaal der Magistratsrat, die Gemeindebevollmächtigten und der neu gebildete Arbeiter- und Soldatenrat sowie seitens des Bürgerrats der Buchbindermeister Hugo Boegl und der Rechtsanwalt Michael Heldwein zusammen. Die Beratung leitete Magistratsrat Cölestin Heißler, nachdem Bürgermeister Eduard Mager abgesetzt worden war.

ANNO DAZUMALTage vorher war bei einer Sitzung des Eichstätter Arbeiter- und Soldatenrats beschlossen worden, einen ursprünglichen Plan fallen zu lassen, nämlich die Besetzung des Rathauses und anderer Gebäude der Stadt. Als Sofortmaßnahme sollten Waffen und Munition in Eichstätt sicher verwahrt und es sollte geprüft werden, ob Zivil- und Militärgefangene zu befreien sind. Berichten zufolge wurden zum Beispiel aus dem Arbeitshaus Rebdorf 22 Inhaftierte frei gelassen. Eine Begründung wurde nicht mitgeteilt.
Hauptaufgabe der Arbeiter- und Soldatenräte war die Sicherstellung der gerechten Verteilung von Lebensmitteln. Die Gremien Eichstätt-Stadt und -Land hatte ihre Befugnisse wohl überschritten und wurden vom Ministerium "zurückgepfiffen". Die Räte hatten in einigen Gemeinden Lebensmittel beschlagnahmt und in die Ablieferung von Getreide, Kartoffeln, Vieh, Milch, Fett, Eiern, Rüben sowie Heu und Stroh eingegriffen. "Das kann nicht geduldet werden", heißt es in einem Brief aus München.
Nach dem Sonderdruck des "Bayerischen Staatsanzeigers" vom 19. Dezember 1918 unterzeichneten Ministerpräsident Kurt Eisner und weitere Führer die Sätze: "Die Arbeiterräte sollen die Massen des Proletariats unmittelbar zur politischen Mitarbeit heranziehen. Sie sollen nicht Pflanzschule persönlicher Eitelkeit, Strebereien und Geschäftemacherei sein. Sie bilden mit den anderen Räten die Grundlage des neuen Regierungssystems."
Zunächst wurde bei der oben angesprochenen gemeinsamen Konferenz im Rathaus die Einführung einer städtischen Fürsorge für Arbeitslose beschlossen. Dann wurde ein Ausschuss gebildet, der die Demobilisierung im lokalen Bereich in die Hand nehmen sollte: die Eingliederung und Arbeitsbeschaffung für die heimkehrenden Soldaten und die Überführung der Kriegs- in die Friedenswirtschaft. Angekündigt wurde dabei, dass das 13. Infanterieregiment auf dem Leonrodplatz begrüßt werden soll. Jeder Soldat sollte von der Stadt ein Paar Würstl mit Brot, Bier und etwas zum Rauchen bekommen. Zum Kauf von Zigaretten und Tabak spendierte Bischof Johannes Leo von Mergel 500 Mark. Eine Nachricht, dass dieses Begrüßungsfest tatsächlich stattfand, gibt es nicht. Es wurde auch damit begonnen, die Kriegsgefangenen, die hauptsächlich in der Willibaldsburg untergebracht waren, in ihre Heimatländer zurückzuführen. Dies geschah per Eisenbahn.
Ein wichtiger Punkt war die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung. Dazu wurde die Aufstellung einer Bürgerwehr aus Freiwilligen angeregt. Der Vorschlag lautete, die Mitglieder sollten nachts in den Polizeizimmern im Rathaus, "ausgerüstet mit Gewehren", bereit sein, jeden Aufruhr sofort zu unterdrücken. Einige Räte argumentierten, man könne von Männern, die den ganzen Tag arbeiteten, nicht verlangen, nachts Wache zu halten. Außerdem könne man zur Bewältigung von Unruhen die Feuerwehr alarmieren. Wohl um das Gefühl von Sicherheit zu erhöhen, wurde am 10. Dezember 1918 im Magistrat beschlossen, den städtischen Nachtwächtern den Titel "Nachtschutzleute" zu verleihen. In der Beratung am 15. Dezember 1918 beschloss der Magistrat (Stadtrat) dann tatsächlich die Aufstellung einer Eichstätter Bürgerwehr, die auch Sicherheitswehr, Stadtwehr oder Einwohnerwehr genannt wurde. Es dauerte jedoch noch einige Monate, bis eine Bürgerwehr den Dienst aufnehmen konnte. Erst "als das Vaterland in höchster Gefahr war", wurden Einwohnerwehren auch in den Gemeinden aufgestellt; sie wurden mächtig aufgerüstet.
Der inzwischen gewählte Bürgermeister Otto Betz forderte nun "zum Schutz unserer Stadt" zum Eintritt in die Bürgerwehr auf. Dazu finden sich Informationen im Stadtarchiv und in den Ausgaben des EICHSTÄTTER KURIER. Darüber berichten wir noch.

Josef Ettle