Denkendorf
Aus Dornröschenschlaf erwacht

Hermann Pickl hat einen Audi Quattro mit Notarztausstattung hergerichtet

01.09.2019 | Stand 23.09.2023, 8:23 Uhr
Der Quattro kann sich wieder sehen lassen: Arzt Christian Holtz, Gottfried Dreyer und Oldtimer-Liebhaber Hermann Pickl (von links) mit dem restaurierten Wagen. Auf dem unteren Bild ist zudem der Notarzt-Balken zu sehen. −Foto: Knittel

Denkendorf (EK) Für Autoliebhaber sind die Audi Quattros Kult, ein ganz besonderes Modell erstrahlt nun in neuem Glanz: In den Jahren 1981 bis 1984 führte die Audi AG ein Pilotprojekt "Notarzt mit Allrad" durch.

An diesem Projekt nahm der Denkendorfer Arzt Christian Holtz teil und fuhr mit einem Audi Quattro mit Notarztausstattung zu den Einsätzen. Bis 2002, dann war Schluss, der Wagen wurde bis zum Jahr 2016 in einer Scheune geparkt. Dann kaufte Oldtimer-Fahrzeugliebhaber Hermann Pickl aus Denkendorf das Auto, um es gemeinsam mit seiner Familie zu restaurieren.

Doch ganz von vorne: Betreut wurde das Projekt "Notarzt mit Allrad", vor allem hinsichtlich der Ausstattung, vom damaligen Audi-Arzt Dr. Gutzeit. Dieser war es auch, der Christian Holtz nach Abschluss des Pilotprojektes geraten hat, bei Audi nachzufragen, ob nicht für den Notarztdienst ein geeignetes Fahrzeug mit Allrad Antrieb zur Verfügung gestellt werden kann. Hier kam nun eine sehr segensreiche Begegnung zum Tragen. 1985 war der Arzt mit der Denkendorfer Musikkapelle in China auf einer Automobilausstellung, bei der auch der damalige Bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß anwesend war. Hier kam es zum Treffen mit Gottfried Dreyer. Er war bei Audi zuständig für Sonderfahrzeuge aller Art und für Messen und Ausstellungen. Nach intensiven Gesprächen wurde vom Automobilhersteller ein Ur-Quattro mit Notarztausstattung gebaut. Dieses einmalige Fahrzeug übergab Dreyer, wiederum im Beisein von Franz-Josef Strauß, im Rahmen eines Festaktes im Stadttheater Ingolstadt am 25. April 1986 an den Holtz.

Bis zum 17. September 1986 war noch Audi Halter des Fahrzeuges. Einen Tag später übernahm Holtz den Ur-Quattro in sein Eigentum und fuhr mit dem Unikat als Hausarzt Notarzteinsätze bis zum 20. März 2002. Der weiße Quattro war in der Gegend bekannt und jeder wusste sofort, wer mit dem Wagen unterwegs war.

Im Jahr 2002 wurde die Einsatzregelung für Notärzte neu geregelt und Holtz war nicht mehr auf den Straßen unterwegs. Das bedeutete das Aus für das Sonderfahrzeug auf den Straßen rund um Denkendorf. Doch Holtz konnte sich von seinem Notarzt-Ur-Quattro nicht trennen und hob ihn im abgemeldeten Zustand in einer Scheune auf. Dieser "Dornröschenschlaf" dauerte bis September 2016.Nun, im 30. Lebensjahr des Notarzt-Quattros, kommt der Oldtimer-Fahrzeugliebhaber Hermann Pickl aus Denkendorf in Spiel. Er erwirbt von Holtz das Fahrzeug mit der Absicht, es zu restaurieren. Damit hat sich Pickl eine sowohl sehr zeitaufwendige als auch überaus kostspielige Angelegenheit "angetan". Zusammen mit seinem Schwiegersohn Christian Schoberer hat Pickl den Wagen in seine Einzelteile zerlegt, sauber gemacht, und soweit dies nicht mehr möglich war, durch funktionsfähige Ersatzteile ergänzt, neu lackiert und wieder zusammengebaut. Wichtigster Helfer war dabei der 13-jährige Enkel Pickls, Markos Schoberer. Er hat jede freie Minute damit zugebracht, Teile zu reinigen, abzuschleifen und für die Wiederverwendung herzurichten. Was hier in einem Satz zusammengefasst ist, dauerte über drei Jahre und verschlang einen fünfstelligen Eruobetrag (ohne Kaufpreis). Wie Pickl erklärte, waren nicht alle Teile funktionsfähig und vor allem verkehrssicher. Somit mussten Ersatzteile beschafft werden. Dies stellte sich, nachdem sich die Herstellerfirma nicht sehr kooperativ zeigte, nicht immer leicht dar. Es mussten teilweise Komponenten aus der Schweiz und England besorgt werden. Die Schwierigkeit bestand zudem darin, dass das Fahrzeug wieder in seinen Urzustand versetzt werden sollte, aber als Notarzt-Quattro nur einmal gebaut worden war.

Letztendlich ist es Pickl gelungen, das frühere Notarztfahrzeug mit seinen 2119 Kubikzentimeter Hubraum und 147 Kilowatt, einschließlich des Notarztbalkens wieder so herzurichten, wie es bei der Auslieferung 1986 war. Was Pickl jedoch nicht darf, ist die Nutzung Martinshornes und des Notarztbalkens im Straßenverkehr. Hier könnte es zu Irritationen kommen.

Nachdem der Wagen wieder in einem einwandfreien Zustand ist, war es dem zwischenzeitlich im Ruhestand befindlichen Gottfried Dreyer nach über 30 Jahren ein Bedürfnis, das Auto noch einmal zu sehen. Aus diesem Grund stellte Pickl im Beisein des Denkendorfer Arztes Holtz den Ur-Quattro Gottfried Dreyer vor die Tür. Dieser war sichtlich überrascht, als er das komplett restaurierte Fahrzeug sah. Gerne stellte er sich zusammen mit dem früheren Notarzt und dem Restaurator sowie dem wieder hergerichtetem Fahrzeug für ein Foto zur Verfügung. Bei Kaffee und Kuchen wurde so manche gemeinsame Begebenheit aus der Vergangenheit noch einmal hervorgeholt.

Der Notarzt-Ur-Quattro ergänzt bei Hermann Pickl eine bereits vorhandene Oldtimersammlung. Im Eigentum des Liebhabers befinden sich bereits ein DKW 3/6, Baujahr 1958, und ein Audi CD Turbo Diesel, Baujahr 1986. Alle Fahrzeuge sind restauriert und verkehrstüchtig.

Hugo Knittel