Eichstätt
Auf Heimatmission statt auf Urlaub

Weihbischof Adolf Bittschi (Bolivien) im Interview über seine Arbeit und die politische Lage in Südamerika

18.05.2018 | Stand 02.12.2020, 16:23 Uhr
Stammt aus Eichstätt und wirkt seit über 30 Jahren in Bolivien, seit 2008 als Weihbischof: Adolf Bittschi. −Foto: Foto: Schneider

Eichstätt/Sucre (EK) Vor genau zehn Jahren - am 15. Mai 2008 - hat Papst Benedikt XVI.

den aus Eichstätt stammenden Adolf Bittschi zum Weihbischof im bolivianischen Sucre ernannt. Seit er Bischof ist, kommt Bittschi, der ab 1983 als Missionar für die Erzdiözese arbeitete, jedes Jahr in die Heimat, spendet Firmungen und berichtet in vielen Gesprächen von seiner Arbeit in dem wohl ärmsten Land Südamerikas. Zur Zeit ist Bittschi wieder auf Besuch in Deutschland.

Herr Weihbischof, erinnern Sie sich noch an den Moment, als Sie von Ihrer Ernennung erfuhren?

Adolf Bittschi: Es war schon länger im Gespräch, mein Erzbischof war 72 Jahre alt und bat um einen Weihbischof. Ich war im Gespräch, aber dachte, es geht nicht, dass neben dem Erzbischof - ein Spanier - ein weiterer Nicht-Bolivianer in der ältesten Diözese des Landes (gegründet 1552, d. Red. ) Bischof wird. Es ist dann anders gekommen.

Wie geht es Ihnen nach zehn Jahren?

Bittschi: Das ist unglaublich schnell vergangen. Mir geht es gut, ich genieße es, in der Stadt zu sein. 25 Jahre war ich auf dem Land, lebte auf Höhe Zugspitze/Schneefernerhaus (2600 Meter, d. Red. ). Da war es im Winter eisig kalt, sieben Grad minus und keine Heizung. Die Häuser sind nicht dafür gebaut. Wir hatten im Winter im Zimmer in der Pfarrei 12 Grad.

Was fehlt Ihnen heute am meisten? Sie waren doch gerne draußen in den Gemeinden, viel mit dem Muli unterwegs im Gebirge. . .

Bittschi: Ich komm schon noch raus, aber nicht mehr so wie früher. Ich merke es in den Knien: Daher bin ich dankbar, jetzt in der Stadt zu leben. Dort bin ich unter anderem der Ansprechpartner für die Priester. Ich versuche mir Zeit zu nehmen für unsere Priester, denn der Erzbischof ist sehr viel unterwegs.

Was machen Sie als Weihbischof, außer Vermittler für die Anliegen der Priester in Sucre zu sein?

Bittschi: Ich darf den Bischof vertreten und soll auch darauf schauen, dass es mit den Finanzen klappt, dass Geld kommt. Wir müssen langsam sehen, unsere eigenen Beiträge zu erhöhen. Bevor ich hergekommen bin, war ich noch auf einer Tagung zu dieser Frage auf Ebene der Lateinamerikanischen Bischofsvollversammlung. Wir haben uns einige Beispiele angeschaut, etwa, wie in Chile Geld generiert wird. Wir müssen an uns selbst arbeiten: Es gibt Pfarreien, wo Geld da ist, da muss man dann auch innerhalb der Diözese verteilen. Da liegen noch große Aufgaben vor uns. Das andere: Ich bin seit 2015 auch Regens des Priesterseminars und gemeinsam mit einem Team verantwortlich für die Priesterausbildung.

Sie haben die finanzielle Situation angesprochen. Wie finanziert sich die Kirche in Bolivien eigentlich?

Bittschi: Hauptsächlich durch Spenden - auch von den Leuten selber. Das ist zwar verhältnismäßig wenig, aber immerhin. Und dann natürlich Gelder von woanders her. Ein Beispiel: Wir haben jetzt unser Priesterseminar saniert, das hat 163000 Dollar gekostet. Hier hat uns die Diözese Eichstätt geholfen, aber auch das Erzbistum München-Freising und die großen Hilfswerke wie Adveniat und Kirche in Not. Da möchte ich mich an dieser Stelle auch ausdrücklich bedanken.

Das heißt, Sie fühlen sich auch aus Ihrer Heimat gut unterstützt.

Bittschi: Ja, so ist es. Aber wir müssen noch viel Bewusstsein bilden: In all den Jahrzehnten hat man sich darauf verlassen, dass die Hilfe kommt. Aber dort, wo der Glaube zurückgeht, gehen auch die Spenden zurück.

Papst Franziskus ist Südamerikaner. Die Europäer tun sich oft schwer mit seinen Forderungen nach einer armen Kirche und dem Gang an die Ränder. Können Sie den Papst - nach über 30 Jahren auf seinem Heimatkontinent - besser verstehen?

Bittschi: Das ist nichts rein Lateinamerikanisches: Kardinal Meisner hat einmal gesagt, wir müssen weg von der "Kommt-her-Kirche" hin zur "Geht-hin-Kirche". Diese Aufforderung des Hingehens kommt von Jesus Christus her und wurde vom Zweiten Vatikanischen Konzil erneuert. Papst Franziskus lädt uns ein zum Glaubenszeugnis und zur Heiligkeit.

Sie, also die Kirche, tut sich in Bolivien sehr schwer mit der aktuellen Regierung. Es gibt immer wieder Reibereien. Die Bischöfe wenden sich etwa gegen eine Wiederwahl von Präsident Morales.

Bittschi: Als ich kam, lebte ich in der Republik Bolivien. Als Morales wiedergewählt werden wollte, hat er die Verfassung geändert, einen Vielvölkerstaat gegründet und festgelegt, dass der Präsident zwei Amtsperioden hintereinander machen kann. Für ihn ist es also die dritte Wahlperiode. Nun will er erneut antreten. Wenn einer an der Macht hängt, ist das wie eine Sucht. Wir mahnen an, was nicht rechtens ist. Der Staat hat uns etwa auch die Ausbildung der Religionslehrer weggenommen, es gibt keinen katholischen Religionsunterricht mehr. Oder wir müssen 15 Monatsgehälter bezahlen. Das tut uns, aber auch vielen mittelständischen Unternehmen weh. Wir begrüßen das, aber für Firmen, die entsprechend Gewinn machen. Bei uns etwa geht es da ans Eingemachte. Wir müssen von den Rücklagen her schauen, dass wir die Gehälter für unsere 15 Angestellten im Ordinariat von Sucre bezahlen können.

Glauben Sie, dass man sich da trotzdem wieder annähern kann?

Bittschi: Von unserer Seite versuchen wir seit Jahren an den Präsidenten ranzukommen. Letztes Jahr gab es ein Gespräch mit dem Justizminister, der an einem Jesuitengymnasium das Abitur gemacht hat. Aber auch über diese Kanäle klappt es nicht. Das ist der Kommunismus. Und eines seiner Ziele ist einfach die Vernichtung der Kirche.

Was wünschen Sie sich für ihre nächsten Bischofsjahre?

Bittschi: Dass die Zahl der Berufungen wieder steigt, in dem wir auch die Leute immer wieder einladen, auch in den Fürbitten darum zu beten. Mir fällt auf, dass in Deutschland in den Fürbittbüchern so etwas fehlt. Da schaut es aus, als brauche man Priester gar nicht mehr.

Kehren Sie nach Ihrer Emeritierung in siebeneinhalb Jahren zurück nach Deutschland?

Bittschi: Ich sehe das an einigen deutschen Priestern, die in Bolivien gearbeitet haben. Die haben mir da einen Hinweis gegeben. Ich möchte wohl einige Monate, in der Ferienzeit, vornehmlich im bolivianischen Winter, also Juli, August, September, in Eichstätt sein, Aushilfen übernehmen, Vertretungen. Und dann wieder zurück.

In die neue Heimat.

Bittschi: Ja. Ich spreche auch, wenn ich hier bin, nicht von Heimaturlaub, sondern von Heimatmission. Deutschland ist Missionsland. Ich habe erst mit einem jungen Priester hier gesprochen. Er würde auch gerne Missionar werden. Ich habe zu ihm gesagt: Dann bleiben Sie hier in Deutschland, hier ist Missionsland. Wenn Sie katholischer Pfarrer werden wollen mit Beichte, Erstkommunion, Firmung, Hausbesuchen, dann kommen Sie zu uns nach Bolivien. Aber Missionar, da sind Sie in Deutschland besser aufgehoben.

Das Gespräch führte

Marco Schneider