Eichstätt
"Einrichtung absolut temporär"

Landtagsabgeordnete Tanja Schorer-Dremel beantwortet Fragen zur Abschiebehaftanstalt in Eichstätt

25.07.2018 | Stand 02.12.2020, 16:00 Uhr
Sprach mit uns über die Abschiebehaftanstalt: Tanja Schorer-Dremel. −Foto: Foto: Leykamm (Archiv)

Eichstätt (EK) Heute Nachmittag folgt der Eichstätter Stadtrat der Einladung von Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) und besucht die Abschiebehaftanstalt an der Weißenburger Straße.

Wir haben uns im Vorfeld mit der CSU-Landtagsabgeordneten Tanja Schorer-Dremel unterhalten - auch über den Standort.

In den Diskussionen der vergangenen Monate war immer wieder deutlicher Unmut zu spüren, dass die Einrichtung für Abschiebehaft nach Eichstätt mitten in einem Wohngebiet gekommen ist. In Mühldorf lag die Einrichtung in einem Gewerbegebiet. Hat man hier einfach nur auf dem Reißbrett geplant?
Tanja Schorer-Dremel: Der ursprüngliche Vollzug der Abschiebungshaft in Mühldorf war eine aus der Not geborene Lösung. Sie diente letztlich dazu, kurzfristig und lediglich provisorisch den weiteren Vollzug der Abschiebungshaft zu ermöglichen. Im Hinblick auf die sich Ende 2013 abzeichnende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, nach der Abschiebungshaft grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen vollzogen werden muss, wäre ohne diese provisorische Lösung der Vollzug von Abschiebungshaft in Bayern grundsätzlich gefährdet gewesen. Auch im Zuge der Flüchtlingsthematik seit Ende 2015 haben sich aber enorme Kapazitätsprobleme im Bereich der Untersuchungs- und Strafhaft im süd- beziehungsweise südostbayerischen Raum ergeben. Um hier wieder etwas Entlastung zu schaffen, mussten die Haftplätze in Mühldorf zeitnah wieder für den Justizvollzug nutzbar gemacht werden. Es wurde daher gemeinsam mit dem Innenministerium entschieden, dass die Abschiebungshaft stattdessen in der Justizvollzugsanstalt Eichstätt vollzogen wird. Die örtliche Lage der Justizvollzugsanstalt Eichstätt ist günstig, weil das Aufnahme- und Rückführungszentrum Manching und der Flughafen München nicht weit entfernt sind. Insgesamt war Eichstätt eine bewusste Entscheidung nach Abwägung aller fachlichen Faktoren. In die Auswahl waren alle Anstalten Bayerns einbezogen.

Die örtlich betroffenen Mandatsträger in Eichstätt waren mit Schreiben vom 23. Oktober 2015 eingebunden worden. Dies umfasste - was Eichstätt betrifft - auch Herrn Oberbürgermeister Steppberger, Frau Gottstein als FW-Abgeordnete und Herrn Landrat Knapp.

Waren Sie selbst in diese Planungen eingebunden?

Schorer-Dremel: Bis zu dem oben genannten Schreiben nein.

Es heißt, auch seitens des Ministers, dass immer und kontinuierlich Gespräche stattfinden, um die Situation in Eichstätt für die Anwohner wie auch für die Insassen der Anstalt zu verbessern. Wer spricht da mit wem?

Schorer-Dremel: Der enge Austausch lässt sich an vielen Beispielen festmachen. Um hier einige zu nennen: der Runde Tisch im November mit Anwohnern, der Polizei, dem Staatlichen Bauamt Ingolstadt und Mandatsträgern, regelmäßige Kontakte mit der Anstaltsleitung und der Polizei Eichstätt, regelmäßige Informationsgespräche mit Staatsminister Bausback zu Fragen der Lärmreduzierung, der Überbelegung, der Schaffung zusätzlicher Plätze in der JVA Erding. Darüber hinaus gibt es enge Kontakte mit der Fachabteilung des Justizministeriums, Briefverkehr mit dem Justizminister und dem Innenminister, so auch ein runder Tisch im Juni mit Vertretern der Fachabteilung und der Polizei Eichstätt zu konkreten Maßnahmen zur Lärmvermeidung und Kontakte mit den Anwohnern. Mir ist dabei eine ganzheitliche Sicht der zu behandelnden Themen wichtig, die der Anwohner, der Justizbeamten und Angestellten, der Ausreisepflichtigen, der Polizei und welche auch immer im Zusammenhang auftreten. Es konnten somit Verbesserungen erreicht und die Lärmbelästigung reduziert werden.
 
Im Eichstätter Stadtrat gab es Unmut über die sogenannten "Besonders gesicherten Hafträume". Warum braucht es - wenn man jetzt einmal von der grundsätzlichen Frage der Abschiebehaft absieht - so etwas überhaupt, wenn diese Menschen keinerlei Verbrechen begangen haben und diese Räume, wie es in einem Schreiben aus dem Ministerium heißt, auch im Regelvollzug üblich sind?

Schorer-Dremel: Es ist zutreffend, dass weitere drei "Besonders gesicherte Hafträume" als Ergänzung der dort bereits vorhandenen "Besonders gesicherten Hafträume" errichtet werden sollen. Die Unterbringung eines Gefangenen dort darf nur unter sehr engen Voraussetzungen angeordnet werden, vor allem wenn nach seinem Verhalten oder aufgrund seines seelischen Zustandes die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr des Selbstmordes oder der Selbstverletzung besteht. Selbstverständlich wird im Falle der Unterbringung von Gefangenen in "Besonders gesicherten Hafträumen" in angemessenen Abständen überprüft, ob und in welchem Umfang die Maßnahme aufrechterhalten werden muss. Zusammengefasst: Die Maßnahme dient dem Schutz des Gefangenen selbst beziehungsweise von Dritten, insbesondere den Bediensteten in der Anstalt. Sie ist keine Straf- oder Disziplinarmaßnahme für ungebührliches Verhalten. Das Bauamt hatte der Stadtverwaltung angeboten, dieses Vorhaben im Stadtrat vorzustellen, was jedoch von Seiten der Stadt als nicht erforderlich angesehen wurde. Ein direkter Austausch hätte aus meiner Sicht Missverständnisse vorab klären können.

Es wurde viel Geld in die Sanierung der Justizvollzugsanstalt gesteckt, nun kommt noch einmal einiges drauf, um Lüftungen und weitere Hafträume einzubauen. Gleichzeitig plant Bayern neue Abschiebehafteinrichtungen - etwa am Flughafen München. Wird Eichstätt als Standort wieder aufgelöst?

Schorer-Dremel: Der Betrieb der JVA Eichstätt als Abschiebeeinrichtung ist für mich absolut ein temporärer. Er muss zunächst weiter aufrechterhalten werden, da zusätzliche Abschiebungshaftplatzkapazitäten benötigt werden. Eine substanzielle Entlastung in Eichstätt wird sich mit dem Neubau der als Kombianstalt für Straf- und Abschiebungsgefangene geplanten neuen Justizvollzugsanstalt in Passau ergeben, die 450 Haftplätze, davon bis zu 200 auch für Abschiebungshaft nutzbar, umfassen wird. Die Planungen laufen, die bauliche Fertigstellung ist für Ende 2022 vorgesehen. Ministerpräsident Markus Söder hat zudem angekündigt, eine zusätzliche Einrichtung für Abschiebungshaft in Hof einzurichten. Selbstverständlich wird dies auch positive Auswirkungen auf Eichstätt haben.

Die Polizei klagt über die massive zusätzliche Belastung durch die Abschiebehaft. Der Ministerpräsident hat jetzt eine Grenzpolizei eingeführt. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, erst einmal die Löcher in den Inspektionen zu stopfen?

Schorer-Dremel: Für die bayerische Grenzpolizei ist zentraler und wichtiger Kernpunkt des Konzepts die Verdoppelung auf eine Stärke von 1000 Polizisten. Es ist beabsichtigt, die Grenzpolizei ab 2019 bis 2023 mit jährlich 100 Stellen zu verstärken. Diese 500 zusätzlichen neuen Stellen sind für die Errichtung der Grenzpolizei sowie zur Stärkung der dortigen grenzbezogenen Kompetenzen der bayerischen Polizei vorgesehen. Der Ausbau der Grenzpolizei erfolgt ausschließlich aus diesen neuen Stellen und nicht zu Lasten vorhandener Dienststellen. Zur Stärkung der Basisdienststellen der Polizei hat die Staatsregierung mit dem im Juli 2016 in der Kabinettsklausur in St. Quirin beschlossenen Konzept "Sicherheit durch Stärke" reagiert. Das Konzept sieht vor insgesamt 2000 Stellen für die Polizei zu schaffen. Hinzu kommen noch Stellen aus dem Masterplan "Bayern Digital II". Im Nachtragshaushalt 2018 sind hierfür bereits 86 Planstellen eingeplant. Neben den bereits beschlossenen 2000 Stellen sollen noch einmal 1000 zusätzliche Stellen geschaffen werden, um die Arbeit der Polizeiinspektionen vor Ort zu stärken. Konkret werden auch die einzelnen Dienststellen wie auch die Inspektionen im Landkreis Eichstätt davon profitieren.

Die Fragen stellte

Marco Schneider