Eichstätt
"Eine nicht einfache Situation"

Der bayerische Justizminister Winfried Bausback reagiert auf die Kritik der SPD - JVA oft überbelegt

02.07.2018 | Stand 23.09.2023, 3:37 Uhr
Seit etwas mehr als einem Jahr ist die ehemalige JVA an der Weißenburger Straße nun eine Abschiebehaftanstalt. −Foto: Fotos: Bird, Soeder/dpa

Eichstätt (EK) Natascha Kohnen (SPD) hat am Samstag Anwohner der Abschiebehaftanstalt an der Weißenburger Straße besucht und dabei dem bayerischen Justizminister indirekt vorgeworfen, "Politik aus der Ferne" zu machen. Auf den gestrigen Bericht in unserer Zeitung reagierte nun Winfried Bausback (CSU) in einer Stellungnahme. Außerdem zeigt sich nach einer FW-Landtagsanfrage, dass die Anstalt häufig überbelegt ist.

Seit Monaten beschweren sich Anwohner, dass sie um ihren nächtlichen Schlaf gebracht werden. Grund dafür sind Insassen, deren Schreie und lärmende Geräusche durch offene Fenster nach außen dringen. Natascha Kohnen, Vorsitzende der bayerischen SPD und Spitzenkandidatin für die anstehende Landtagswahl, hat am Samstag beim Gespräch mit den Anwohnern angekündigt: "Ich werde den Justizminister dazu auffordern, nach Eichstätt zu kommen."

Winfried Bausback lässt dazu nun mitteilen: "Entgegen dem in der Berichterstattung erweckten Eindruck ist sich Bayerns Justizminister selbstverständlich bewusst, dass die Nähe zu einer Abschiebehaftanstalt auch für die dort wohnenden Bürgerinnen und Bürger eine nicht einfache Situation darstellt." In der Stellungnahme an den EICHSTÄTTER KURIER heißt es weiter, der Justizminister habe - ebenso wie die Anstalt vor Ort und der gesamte Justizvollzug - die Probleme auf Grund des Lärms "sehr ernst genommen."

Daher habe der Minister konkrete Maßnahmen zur Lärmreduzierung veranlasst, die "bereits getroffen beziehungsweise in die Wege geleitet worden sind". Konkret handle es sich dabei um "ein breites Spektrum an Disziplinierungsmaßnahmen", dazu gehören etwa ein Fernsehverbot oder eine gesonderte Unterbringung der Störenfriede. Ferner gebe es "verbesserte Beschäftigungs- und Freizeitmöglichkeiten für die Insassen". Außerdem werde derzeit mit Hochdruck daran gearbeitet, "bauliche Maßnahmen zur Lärmreduzierung" umzusetzen. Probeweise seien bereits Hafträume mit Schallschutzverglasung ausgestattet worden, der Ausbau einer Lüftungsanlage soll Mitte September abgeschlossen sein. Trotz aller "Beschleunigungsmöglichkeiten" habe das Staatliche Bauamt das Vorhaben noch nicht zu Ende bringen können. Hinzu kommen drei weitere, "besonders gesicherte und schallgeschützte Hafträume", die der vorübergehenden Unterbringung dienen, heißt es in dem Schreiben.

Dem Vorwurf der SPD-Spitzenkandidatin, nur aus der Ferne zu handeln, begegnet die Stellungnahme ebenfalls: Darin bezieht sich das Ministerium auf den Runden Tisch im November, außerdem habe sich Bausback zuletzt im Februar ein Bild von der Lage gemacht.

Ein weiterer Aspekt bei der Diskussion um die ehemalige JVA ist die häufige Überbelegung (siehe Kasten), die nun von offizieller Seite bestätigt wurde. Die Antwort des Justizministeriums auf eine Anfrage der Eichstätter Landtagsabgeordneten Eva Gottstein (FW), die unserer Zeitung vorliegt, zeigt, dass die Kapazitätsgrenze der Anstalt zwischen Anfang Januar und Mitte Mai an fast 50 Tagen überschritten wurde.

"Die Zahlen sprechen für sich. Die Einrichtung ist fast ständig überbelegt", kommentiert die Landtagsabgeordnete der Freien Wähler. Den Standort der Abschiebehaftanstalt im Wohngebiet sieht Gottstein nach wie vor als "unzumutbar", wie sie im Gespräch verdeutlicht. Es sei eine Fehlentscheidung gewesen, die Gefangenen, die keine Straftäter sind, dort unterzubringen. "Das wird durch Investitionen in Baumaßnahmen nicht besser", ist sie sich sicher.

Wie SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen ist Gottstein der Meinung, dass Bausback sich nicht ausreichend um die Situation vor Ort kümmert. Das Schreiben an OB Steppberger, das Bausback nach einem Bericht unserer Zeitung über die vergangene Sitzung des Eichstätter Bauausschusses verfasste (in der Sitzung wurden die geplanten Hafträume ohne Fenster deutlich kritisiert) und fälschlicherweise zunächst an den Erdinger Oberbürgermeister adressierte, zeige, dass "der Justizminister nicht liest, was er unterschreibt", kritisiert Gottstein. Sie fordert eine humane Unterbringung der Insassen, die zwar aktuell gegeben sei, für die Polizei allerdings auch - neudeutsch - zu "handeln" sein müsse.

Julian Bird