Eichstätt
Frauen treten zum ersten Mal an die Urnen

Maria Buchberger ist Eichstätts erste Stadträtin - Bewaffnete Soldaten in den Abstimmungslokalen

11.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:37 Uhr
  −Foto: Friedrich-Ebert-Stiftung/dpa, Ettle, Historischer Verein

Eichstätt (EK) Heute auf den Tag genau vor einhundert Jahren konnten in Bayern Frauen zum ersten Mal an einer politischen Wahl teilnehmen - und auch kandidieren. Im Juni 1919 war in Eichstätt Maria Buchberger erfolgreich, die unter 17 gewählten Stadtratsmitgliedern der konservativen Bayerischen Volkspartei auf Platz 10 landete.

In einer Bekanntmachung des Staatsministeriums des Innern heißt es: "Die Ereignisse der Nacht vom 7. auf 8. November 1918 haben eine neue Gewalt an die Stelle der bisherigen herrschenden Macht gesetzt." König Ludwig III. war entmachtet, das Königreich Bayern abgeschafft worden. Eine wesentliche Neuerung der provisorischen Regierung war eben das Frauenwahlrecht.

Im Laufe des Jahres wurden die Bayern mehrmals an die Urnen gerufen. Als Erstes wurde am 12. Januar 1919 ein neuer Landtag gewählt. Schon am Sonntag darauf, dem 19. Januar 1919, galt es zur Verfassung gebenden deutschen Nationalversammlung abzustimmen. Es folgten die Kreiswahl (damals Regierungsbezirk), die Bezirkswahl (damals Landkreis), die Gemeinden- und Bürgermeisterwahlen.

12. Januar 1919: Bei der Landtagswahl bildeten Stadt und Kreis Eichstätt zusammen mit Hilpoltstein einen Stimmkreis. Wahlberechtigt waren alle männlichen und weiblichen Personen, die zwanzig Jahre alt waren. Im EICHSTÄTTER KURIER und im Stadtarchiv finden sich dazu interessante Nachrichten.

In der Stadt gab es drei Stimmbezirke, nämlich aufgrund der "Litera"-Straßen-Einteilungen: Stadtmitte, Westen und Osten. Zur Stimmabgabe mussten jedoch alle Wähler ins Rathaus gehen, wo in drei verschiedenen Räumen von 9 bis 20 Uhr gewählt werden konnte.

In jenen revolutionären Zeiten wurden Störungen der Wahl befürchtet. Deshalb erging von der provisorischen Regierung die Anweisung, dass in jedem Wahllokal durchgehend Polizisten sowie ein Unteroffizier und vier Soldaten mit Gewehren anwesend sein mussten. Sie hatten für Ruhe und Ordnung zu sorgen. In einer späteren Mitteilung von Magistratsrat Cölestin Heißler an das Innenministerium heißt es: "Die Wahl ist ohne jede Anstände abgewickelt worden".

Bei der Landtagswahl lieferten sich in der Stadt zwei Kandidaten der Bayerischen Volkspartei ein Kopf-an-Kopf-Rennen, nämlich der Hochschullehrer und spätere Dompropst Dr. Georg Wohlmuth (Eichstätt) und Schreinermeister Rupert Bittner (Hilpoltstein). Die Wahlbeteiligung war mit rund 87 Prozent sehr hoch. 2499 Wähler waren für Wohlmuth, 2490 für Bittner. Die anderen Kandidaten von den Mehrheits-Sozialdemokraten fielen deutlich ab.

In den Landgemeinden lag überall die Bayerische Volkspartei an der Spitze, mit Ausnahme von Gungolding, wo die Wähler aus der Reihe tanzten: Die Kandidaten des Bayerischen Bauernbundes, Karl Gandorfer (Bauer und Ziege-leibesitzer aus Pfaffenberg bei Mallersdorf) und Josef Maier (Tierarzt aus Sünching bei Regensburg) stellten die Bayeri-sche Volkspartei in diesem Ort ins Abseits.

Die Sozialdemokraten schnitten kreisweit am schlechtesten ab in Rieshofen, Gelbelsee und in Wolkertshofen mit je null Stimmen sowie in Erlingshofen und Irlahüll mit je zwei Stimmen. Hochburgen der "Sozis" waren dagegen Konstein mit 191 Stimmen (Volkspartei 161), Mörnsheim 407 (511), Wellheim 155 (157). Vorne lag Georg Wohlmuth (geboren 1865, gestorben 1952), der von 1912 bis 1933 Landtagsabgeordneter war. Im Volksmund wurde er "als der ungekrönte König Bayerns" bezeichnet.

19. Januar 1919: Bei der Wahl zur Nationalversammlung, der die Aufgabe zukam, eine Verfassung für das Deutsche Reich auszuarbeiten, war im Bezirk Eichstätt die Wahlbeteiligung ebenfalls hoch. Ein paar Beispiele dazu: In Buchenhüll gingen von 80 Wahlberechtigten 78 zur Wahl, in Gelbelsee wählten von 132 Wahlberechtigten 129 und in Meilenhofen von 115 Berechtigten 109. Das bedeutet, dass auch fast alle Frauen von dem neuen Recht Gebrauch machten. In der Stadt kreuzten 2701 Wähler die Bayerische Volkspartei an, 658 die Sozialdemokratie und 262 die Deutsche Volkspartei. Ähnlich sah es bei den Landgemeinden aus.

18. Februar 1919: In der Stadt Eichstätt war die Bürgermeisterwahl fällig, da das Stadtoberhaupt Eduard Mager abgesetzt worden war. Wahlberechtigt waren nur die Gemeindebevollmächtigten. Sage und schreibe 23 Bewerber hatten ihren Hut in den Ring geworfen. Neuer rechtskundiger Bürgermeister wurde Otto Betz (Sperberslohe).

25. Mai 1919: An dem Sonntag wurden ein neuer Bezirkstag und der Kreistag bestimmt. In den Bezirkstag (heute Kreistag) zogen 20 Räte der Bayerischen Volkspartei ein, drei vom Bayerischen Bauernbund und zwei von der Sozialdemokratischen Mehrheitspartei. Bei der Volkspartei lag der Gutsbesitzer von Birkhof bei Schernfeld, Johann Maurer, vorne, beim Bauernbund der Gastwirt, Landwirt und Bürgermeister von Schelldorf, Bernhard Weiß, und bei den Sozialdemokraten der Stationsdiener von Eichstätt-Bahnhof, Johann Brendel. Zum Eichstätter Bezirkstag kandidierte keine Frau, auch nicht auf der Liste der Ersatzleute. - Bei der Kreiswahl fiel der Bayerischen Volkspartei klar der Sieg zu.

15. Juni 1919: Bei der Wahl der Eichstätter Stadträte waren die Bürgerinnen und Bürger gefragt. Nach ihrem Votum erhielt die Bayerische Volkspartei 17 Sitze, die Mehrheits-Sozialdemokraten drei Mandate. In den Stadtrat wurde eine Frau gewählt, nämlich für die Bayerische Volkspartei die Arbeiterin Maria Buchberger. Sie wohnte am Kapellbuck und war die erste Eichstätter Stadträtin. Ein interessantes Ergebnis brachte die Gemeindewahl in Titting. Der seit 1882 amtierende Bürgermeister Konrad Hochleichter bekam 122 von 155 abgegebenen Stimmen. Er wurde damit zum siebten Mal gewählt. Im Bericht dazu heißt es: "Trotz großer Agitation und Anschlagens von Plakaten erhielt sein Gegenkandidat Kaufmann Karl Fiegl nur 33 Stimmen."

Josef Ettle