Eichstätt
Als die "Dampfrösser" kamen

Vor 150 Jahren begann das Eisenbahnzeitalter - Stadt kämpfte um Anschluss an das Schienennetz

03.04.2020 | Stand 23.09.2023, 11:29 Uhr
Eine Dampflokomotive fährt in den "Hauptbahnhof" Eichstätt ein. −Foto: Archiv Ettle

Eichstätt - Im April 1870 begann für Stadt und Kreis Eichstätt das Eisenbahnzeitalter.

 

Schwarze "Dampfrösser" rollten rauchend, rußend und schnaubend in den nagelneuen Bahnhof am sogenannten Hirschgrund bei Wasserzell ein. Laut Fahrplan fuhren damals die Züge um 6.00 Uhr in Ingolstadt ab, hielten unterwegs nur in Gaimersheim und in Adelschlag und dampften um 6.51 Uhr ab Eichstätt weiter Richtung Dollnstein, wo sie um 7.12 Uhr ankamen.

Bis die Züge fahren konnten, hieß es für die Spitze der Stadt und des Bezirksamtes schwere Kämpfe um den Anschluss an das Schienennetz der Königlich Bayerischen Staatseisenbahn zu bestehen. Im Gespräch war zum Beispiel eine Route von Ingolstadt durch das Schuttertal und das Urdonautal bis Dollnstein im Altmühltal. Aber auch die endgültig gewählte Trasse führt etwa über fünf Kilometer an der ehemaligen Residenzstadt und dem Sitz des Bischofs vorbei.

Auf dem Gleisabschnitt von Nürnberg nach Fürth fuhr im Jahr 1835 der erste Zug in Bayern. Vermutlich hat dieses Ereignis die Diskussion um die Anbindung des Eichstätter Landes an das revolutionäre Verkehrsmittel angestoßen. Konkreter wurde es im November 1848, als per "Eichstätter Intelligenzblatt" 40 bis 50 Gesellen des Zimmererhandwerks zu einem Taglohn von 1 Gulden und 30 Kreuzer für den Bau der Schienenstrecken gesucht wurden.

Eine fundierte Darstellung der Geschichte des Eisenbahnbaus im Altmühltal ist Ottmar Maier aus München zu verdanken, der die Akten der Königlichen Verkehrsanstalten und des Stadtarchivs Eichstätt studiert und handschriftliche Aufzeichnungen des Stadtbaumeisters Julius Velhorn und anderer ausgewertet hat. Maier hielt 1929 beim Historischen Verein einen Vortrag über seine Forschungsergebnisse.

 

Am 20. März 1858 beschloss der Magistrat eine Petition an König Maximilian II. (1848 bis 1864), mit dem Ziel, dass die Bahnlinie von Ingolstadt nach Gunzenhausen über Eichstätt führen solle. Dabei wurden die "beutereichen Eichstätter Steinbrüche" mit einem Abbau von jährlich 500000 Zentner Stein aufgeführt, dann das Hüttenwerk Obereichstätt mit rund 100000 Zentnern gegossener Eisenwaren und die Leuchtenberg-Wälder mit ihrem Holzeinschlag. Treibende Kraft in Eichstätt war vor allem Bürgermeister Georg Fehlner (1849-1885). In einem Gesuch schlugen die Eichstätter eine Trasse von Ingolstadt kommend durch das Pfünzer Tal via Eichstätt, Wasserzell, nach Dollnstein vor.

Als im Oktober 1863 im Landtag der Beschluss gefasst wurde, die Eisenbahn von München über Ingolstadt nach Norden zu bauen, herrschte in Eichstätt großer Jubel. Im Juli 1864 verbreitete sich dann "Angst und Schrecken", weil die Techniker "eine Linie durch das menschenleere, sumpfige und abgeschlossene Schuttertal" erwogen. Allerdings hielten nach genauer Prüfung die Ingenieure das Schuttertal "wegen des sumpfigen Bodens" ungeeignet für den Bahnbau. Hinzu kam, dass sich Wellheim gegen das Vorhaben aussprach, "da in dem engen Tal fruchtbarer Boden entzogen würde". Ausgeschlossen wurde auch eine Streckenführung über Ingolstadt, Eitensheim, Möckenlohe, Biesenhard, Konstein, Langenaltheim nach Treuchtlingen.

Die Streckenvarianten wurden von den Technikern gründlich untersucht. Die Eichstätter fielen mit ihrem sehnlichsten Wunsch einer direkten Anbindung "an die große weite Welt" durch. Die Stadtverwaltung hatte übrigens auch Bischof Georg von Oettl (1846-1866) mit ins Boot geholt, der in München für die Eichstätt-Linie warb. Es half alles nichts: Die ungünstige geografische Lage der Stadt verhinderte dies. Bürgermeister und Magistratsräte ließen damals die Köpfe hängen. Heute ist kaum vorstellbar, dass Intercityzüge die Stadt durchfahren und den Berg um die Willibaldsburg umrunden.

Gelegt wurden die Gleise, wie sie heute noch liegen, von Ingolstadt über Gaimersheim, Adelschlag und Wasserzell nach Dollnstein und Treuchtlingen. Damit war für Eichstätt "der Zug vorerst abgefahren". Die Stadtspitze setzte sich nun in zahlreichen Eingaben vom November 1865 bis Januar 1866 für die Wasserzeller Linie ein, um wenigstens nahe am Geschehen zu sein. Ihr "Trostpflaster" bekamen die Eichstätter 15 Jahre später mit der Eröffnung der "Sekundärbahn" am 15. September 1885, die heute noch die Stadt mit dem "Hauptbahnhof" verbindet. Bis dahin musste der von Pferden gezogene "Stellwagen" benutzt oder der Marsch über die Waschette angetreten werden.

 

Im Januar 1867 war der Auftrag zum Bau der Bahn erteilt worden. Nach Festlegung der Trasse erklärte König Ludwig II. (1864-1886): "Ich spreche meine besondere Befriedigung darüber aus, dass die Interessen der Stadt Eichstätt wahrgenommen wurden. " Es folgten der Grunderwerb und die Bauarbeiten der Strecke von Ingolstadt bis Treuchtlingen mit einer Länge von über 55 Kilometern. Das Projekt wurde von der Heimatzeitung durch eifrige Berichterstattung begleitet. An den Sonntagen machten sich viele Spaziergänger auf den Weg zu den Baustellen, zumal in der Kantine der Bauarbeiter bei Moritzbrunn, die später zum Wirtshaus "Waldhütte" wurde, eine Einkehr möglich war. "Als einer der schönsten Bauten der gesamten Bahnstrecke" wurde das Tunnel bei Hagenacker und Eßlingen in einem Zeitungsbericht bezeichnet. Es war sicher eine Meisterleistung mit den damals vorhandenen simplen Geräten und Werkzeugen - allerdings mit viel Sprengpulver - den Berg zu durchbohren. So war es nicht verwunderlich, dass im August 1868 ein großes Tunnelfest ausgerichtet wurde, zu dem viel Prominenz und insgesamt rund 1500 Gäste kamen. "Sie durchwanderten oder durchfuhren mit Grubenlampen ausgerüstet den rund 2200 Fuß langen Durchstich", heißt es im Bericht, das sind rund 633 Meter.

Gewaltige Eingriffe in die Landschaft waren insbesondere bei Wasserzell und Dollnstein nötig. Ein Bergeinschnitt musste aufgefüllt werden und beim Bahnhof wurden vom Schneckenberg Felswände gesprengt. So kam es leider auch zu tödlichen Unfällen. Im November 1867 gab es einen Erdsturz. Zwei Arbeiter wurden verschüttet und starben. Ein Jahr später stürzten von einem hohen Gerüst bei der Überbrückung des Einschnitts am Schneckenberg mehrere Rollwagen voll Steine ab und rissen 13 Arbeiter mit in die Tiefe. Ein 21-Jähriger starb, die anderen wurden schwer verletzt. Beim Sprengen der Felsen trugen im Juli 1868 drei Arbeiter schlimme Verletzungen davon. "Es vergeht fast kein Tag, an dem nicht ein oder mehrere Arbeiter bei dem schwierigen Bauabschnitt verletzt werden", schrieb der EICHSTÄTTER KURIER.

Am 7. April 1870 meldete die Zeitung: "Endlich scheint es mit der Eröffnung der Eisenbahnstrecke von Ingolstadt nach Treuchtlingen ernst zu werden. " Die nötigen Bahnbediensteten seien ernannt. Am Montag, 11. April 1870, fand eine Probefahrt statt, am Dienstag, 12. April, erfolgte die Jungfernfahrt und die Übergabe des lokalen Verkehrs. Ganz groß gefeiert wurde im Bahnhof Dollnstein. Laut Sommerfahrplan 1870 fuhren ab Eichstätt bereits täglich acht Züge nach München und acht Züge kamen aus München an. Am 1. Juni eröffnete die Post einen Schalter am Bahnhof.

Wie bei allen Gleisanlagen muss auch an der Altmühlbahn ständig erneuert und modernisiert werden. Zum Beispiel nutzen sich die Schienen ab. Eine erste große Maßnahme seit der Stunde null war der Ausbau der ursprünglich eingleisigen zur doppelgleisigen Strecke. Wie Leonhard Bergsteiner im Buch "Eisenbahnen im Altmühltal" (1989) ausführlich schildert, wurde mit dem Umbau in den einzelnen Bahnhöfen und auf freier Strecke abschnittsweise verfahren. Ab dem 4. August 1892 konnte die Linie von Ingolstadt nach Treuchtlingen durchgängig zweigleisig befahren werden. Anfang der 1960er-Jahre folgte die Elektrifizierung der Altmühlbahn.

Eine sensationelle Neuerung war auch eine Umstellung am Eichstätter Bahnhof ab dem 20. Juli 1982: Das Signalgeben und Stellen der Weichen geschieht seit diesem Tag per Knopfdruck auf einem großen Schaltpult durch den Fahrdienstleiter. Die Mechanik mit den mächtigen Hebeln und den Seilzügen hatte ausgedient.

Was bis heute aus der Bauzeit vor 150 Jahren geblieben ist, sind die Bahnhofsgebäude entlang der Strecke und in Eichstätt-Hauptbahnhof die Unterführung für Bahnreisende, die zum gegenüberliegenden Gleis müssen. Wer mit Kinderwagen, Rollator, Fahrrad oder auch schweren Koffern unterwegs ist, dem macht es damit in Eichstätt die Bahn sehr schwer.

EK


 

Josef Ettle