Eichstätt
Acht Eichstätter Frauenbiographien für Wikipedia

Wissenschaftlerinnen sind unterrepräsentiert - In einem Seminar an der Katholischen Universität wird das nun geändert

16.10.2020 | Stand 23.09.2023, 14:48 Uhr
Wikipedia weiblicher machen, das ist das Ziel der beiden wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Anna Zimmermann (links) und Inga Schütte. Im Sommersemester haben sie ein interdisziplinäres Seminar angeboten, in dem 18 Studierende acht Einträge über Eichstätter Professorinnen geschrieben haben. −Foto: Steimle

Eichstätt - So gut wie alle Professoren an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) haben einen, die meisten Professorinnen aber nicht: einen Wikipedia-Eintrag. Nun ist die Enzy klopädie in Bezug auf die KU weiblicher geworden: Im interdisziplinären Seminar "Genderforschung: Wikipedia und Wissenschaft" haben 18 Studierende Artikel über Wissenschaftlerinnen geschrieben.

 

Recherchieren, ein Interview führen, den Artikel verfassen - "es war sehr spannend, weil ich Wikipedia schon so oft benutzt habe", sagt Studentin Petra Barti. Nun fand sie sich aber auf der anderen Seite wieder, nicht als Leserin, sondern Autorin. "Es ist interessant, dies aus der feministischen Perspektive zu betrachten", sagt die 23-Jährige über das Seminar, dazu gesellten sich die theoretische Komponente - wie funktioniert das Nachschlagewerk - und die praktische, wie man einen Artikel schreibt. "Es wirkt von außen so einfach, aber es gibt 1000 Regeln, die man beachten muss", erklärt Barti, angefangen von den Abkürzungen bis hin zur Wortwahl. "Wichtig ist zudem noch das Relevanzkriterium, das jeder Artikel erfüllen muss."

Mit diesem hatte die Enzyklopädie schon ihre liebe Not, wie die beiden wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Anna Zimmermann (Journalistik) und Inga Schütte (Referentin der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten), die das Seminar geleitet haben, erzählen. Für Aufsehen habe der Fall der Nobelpreisträgerin Donna Strickland gesorgt, deren Eintrag zuvor von einem Moderator gelöscht worden war, weil er die Physikerin und ihre Arbeit für zu unwichtig hielt. "Dass Wissenschaftlerinnen allgemein in der Wikipedia unterrepräsentiert sind, ist etwas, was man nicht unbedingt weiß, wenn man sich nicht mit der Thematik beschäftigt hat", sagt Zimmermann. Im normalen Leben achte man ja auch nicht darauf, fügt Schütte hinzu. Es sei auch immer eine Frage, wen man suche. "Bekannte Frauen wie Marie Curie und Angela Merkel findet man natürlich", blicke man aber auf die Universitäten, "dann sind es deutlich mehr Männer".

Professoren erfüllen also das Relevanzkriterium, wieso sollte es bei Professorinnen nicht so sein? Das wussten die Mitarbeiterinnen, "und deshalb war die Chance, dass die Artikel online bleiben, sehr hoch", erklärt Schütte. Acht sind online, jedoch sind noch nicht alle "gesichtet". Das bedeutet, dass ein Autor, der regelmäßig für Wikipedia schreibt, diesen durchgesehen hat.

Die Idee zum Seminar hatten die Professorinnen Friederike Herrmann (Journalistik) und Kathrin Schlemmer (Musikwissenschaft, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte) im Rahmen des 40-jährigen Bestehens der KU, das heuer gefeiert wird. Zu Beginn stand die Idee, Wissenschaftlerinnen im Sinne der Frauenförderung in einem Buch zu porträtieren, wie man es an der Uni Würzburg gemacht hatte. Doch der Aufwand mit Layout und Druck schien sehr hoch, "dafür, dass es dann vielleicht verstaubt, was schade wäre", so Schütte. Friederike Herrmann hatte die Idee, in einem interdisziplinären Seminar Artikel für Wikipedia schreiben zu lassen - und dort für ausgewogenere Verhältnisse zu sorgen.

Studentin Petra Barti hat sich Professorin Sabine Bieberstein ausgesucht. Diese hatte als eine der wenigen schon einen Eintrag bei Wikipedia, der zum einen kurz und zum anderen den falschen Fokus hatte. Während man kaum etwas über ihre Forschung erfuhr, stand dort, mit wem sie verheiratet ist. Um das Relevanzkriterium zu erfüllen, sei es auch wichtig, das Besondere herauszuarbeiten. "Frau Bieberstein ist Theologin und hat sich von Anfang an mit Genderfragen beschäftigt", sagt Barti. In ihrer Forschung konzentriere sie sich auf Frauenfiguren, was sich auch in der Auswahl der Veröffentlichungen widerspiegele.

"Uns war wichtig, dass sich die Studierenden auf den wissenschaftlichen Kontext reduzieren", betont Schütte. "Die wichtigen Stationen, Promotion, Habilitation und Auslandsaufenthalte sollten genannt werden." Denn bei Frauen, das zeigen Studien, fallen häufiger Wörter wie "Kinder" oder "Familie". Es habe einige Seminarteilnehmer gegeben, erzählt Zimmermann, die sagten, die Professorinnen hätten aber von sich aus von ihren Kindern erzählt. "Es war immer unser Leitsatz, konzentriert euch auf den Beruf." Das sei den Studierenden manchmal schwergefallen, die beim Wort "Interview" auch an persönliche Fragen gedacht hatten und Dinge wie, "Wie sind Sie auf die Idee gekommen?", "Wie haben Sie sich dabei gefühlt?" fragen wollten. Das schlug sich dann manchmal in den Artikeln nieder, denn die Studierenden hatten sich über die Informationen gefreut, die sie herausgefunden hatten und diese in elegante Formulierungen gegossen. "Die Balance zwischen wissenschaftlichem und einem schönen Schreibstil zu finden, das war ein Ziel."

Die Leiterinnen ließen die Studierenden Einträge lesen, luden Informationen zu Wikipedia hoch, drehten ein Vorstellungsvideo und standen auf Zoom für Videokonferenzen bereit. "Trotz Corona hat es gut geklappt und ich denke, es war eine Abwechslung für die Studierenden", sagt Schütte. Das sieht auch Zimmermann so, die Rückmeldung der Studierenden sei gut gewesen. "Es wurde bisher auch nichts gelöscht, ich bin stolz darauf, dass sie das so gut gemacht haben."

Barti will sogar noch weitermachen, nun, da sie sich eingearbeitet hat, und weitere Einträge schreiben. So hat sie eine Professorin aus Berlin kennengelernt, die ebenfalls noch nicht auf der Plattform zu finden ist. Es gibt also noch viel zu tun.

EK

Tina Steimle