Abschied von der Ära Martin

08.07.2008 | Stand 03.12.2020, 5:46 Uhr

Verließ die Universität mit einem großen Fest in der Residenz: Jean-Pol Martin. - Foto: oh

Eichstätt (EK) Jean-Pol Martin ist eine der schillerndsten Persönlichkeiten der deutschen Bildungslandschaft. Seine Ideen werden fortgeführt, wenn auch sein Eintritt in den Ruhestand das Ende einer Ära an der Universität Eichstätt und in der Welt der Didaktik ist.

Martin ist der Vater von "Lernen durch Lehren (LdL)” und Experte im Bereich Internetkompetenz. Bei LdL bringt jeweils ein Schüler- beziehungsweise Studententeam den Lehrstoff den übrigen Lernern bei. Neben Sachkompetenz werden so auch Sozial- und Methodenkompetenzen trainiert. Die Funktion des Lehrers ist bei LdL die eines Lernhelfers.

Beim Ausbau des Modells orientierte sich Martin an den Anforderungen in der Lebenswelt einer Wissensgesellschaft. LdL ist heute fester Bestandteil in der deutschen Lehrerausbildung. An einigen Unis gibt es sogar eigene Pflichtkurse. Martin hat wie kein zweiter Wissenschaftler seiner Fakultät Aufmerksamkeit erregt – inner- wie außerakademisch, national wie international. Mehrfach wurde über Martin im Fernsehen berichtet, ihm wurden Berichte im "Spiegel” und im preisgekrönten Film "Treibhäuser der Zukunft” gewidmet.

Wie es der Persönlichkeit Martins entspricht, beging er seinen Abschied nicht mit einer Vorlesung, sondern einem gigantischen Fest in der Eichstätter Residenz. Er hatte alle eingeladen, bei denen er sich für ihre Hilfe auf seinem Weg bedanken wollte.

In seiner Rede bedankte sich Martin bei Schülern, Studenten, Lehrern und Direktoren, Wissenschaftlerkollegen, Vertretern aus Ministerien, Journalisten, Personen aus der Universitätsverwaltung einschließlich des ehemaligen Kanzlers Gottfried Freiherr von der Heydte, seiner Familie und den beiden Personen, die sein Werk fortsetzen, Michael Kratky und Joachim Grzega.

Die beiden hatten auch die Organisation des Festes übernommen. Kratky bedankte sich bei seinem Mentor mit einer humorgewürzten, tief gehenden Rede über Martins Dauerangebot der "biografischen Mitfahrgelegenheit”: "Was man mitbringen muss, ist eine gehörige Portion Risikobereitschaft. Aber man bekommt die einmalige Chance, auf einer Welle des Schaffensrausches mitzusurfen”.

Grzega hatte zu "Somewhere over the Rainbow” einen Text aus Titeln von Martins Publikationen erstellt. Zu einem Sinatra-Song dichtete er: "Er ist schrill, doch weltverbesserungskompetent – That’s why Martin is a champ”.

Martins Prinzip der Weltverbesserung klang auch in anderen Beiträgen an – der Ausstellung im Foyer, den Rede- und Musikbeiträgen von Kollegen und Freunden im Spiegelsaal, den Filmausschnitten im Innenhof.

Der Abiturjahrgang 2005 hatte ein bewegendes Video erstellt, in dem Schüler beschrieben, wie viel Martin für ihre Allgemeinbildung, ihre Strategien zur Lebensbewältigung und ihre Persönlichkeitsentwicklung bedeutet. Da zeigte sich auch Martin gerührt.

Eine ehemalige Studentin aus Taiwan schickte eine Tonaufnahme: "Herr Martin ist mein Lieblingsprofessor, weil er der einzige Professor ist, der mit mir getanzt hat.” Getanzt hat er dann auch zur Musik der Schülerband bis spät in die Nacht.