Kipfenberg
Besiegelten Schulden ihren Tod?

Mann entdeckt im Wald bei Kipfenberg Überreste eines seit 2002 vermissten Paares aus Ingolstadt

08.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:16 Uhr
Aufwendige Grabungen folgten auf den schrecklichen Fund Anfang Mai. −Foto: Kripo Ingolstadt

Kipfenberg - Anfang Mai hat ein Spaziergänger in einem Waldstück im Birktal bei Kipfenberg (Landkreis Eichstätt) Teile eines menschlichen Skeletts gefunden. Bei anschließenden Grabungen tauchten zudem der Schädel und weitere Knochen einer zweiten Leiche auf. Nun liegt das Ergebnis der DNA-Untersuchung vor: Es handelt sich um ein nach Polizeiangaben seit dem Jahr 2002 vermisstes Pärchen aus Ingolstadt.

Die Sicherung der Überreste war langwierig und mühsam. „Man kann sich vorstellen, was die Natur da bewirkt“, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord über die Arbeit bei der Fundstelle. Wochenlang hätten ein Dutzend Polizisten  im Wald gegraben und in Handarbeit mehrere Kubikmeter Erde bewegt, ehe alle knöchernen Überreste des seit 18 Jahren verschwundenen Pärchens gefunden und geborgen waren. Anschließend hätten  die Beamten – mit tatkräftiger Unterstützung der Bereitschaftspolizei –  die Erde  in einer Halle getrocknet, zerkleinert und durch ein Sieb laufen lassen, wobei auch kleinste Teile wie Zähne und weitere Knochenteile gesichert wurden. Rechtsmediziner stellten anschließend fest, dass es sich um die Skelette eines Mannes und einer Frau handelte. Aufwendige Analysen des DNA-Materials ergaben schließlich, dass es sich um das vermisste Ingolstädter Pärchen handelt. Auch wenn die Polizei aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Namen nennen kann, liegt die Vermutung nahe, dass dort die Leichen der vor 18 Jahren spurlos von der Bildfläche verschwundenen Sabine P. und Eugen S. geborgen wurden. Damit wäre einer der mysteriösten „cold cases“, über den unsere Zeitung erst vergangenes Jahr berichtet hat, ein großes Stück näher an seiner Aufklärung. 

Zuletzt waren die damals 23-jährige Sabine und  ihr  zwei Jahre jüngerer Freund  am 21. September 2002 nach einem Lokalbesuch  gesehen worden. Das Paar aus dem Ingolstädter Nordosten, das nach damaligen Polizeiangaben Kontakte zur örtlichen Drogenszene hatte, war anschließend in die Wohnung eines jungen Mannes gegangen. Dort wurden die beiden gesehen, wie sie gegen 2 Uhr früh mit einem gepackten Rucksack das Haus verließen. Danach verlor sich jede Spur und die Ermittler standen vor einem Rätsel. Im Jahr nach dem Verschwinden des Paares erhielt die Kripo Hinweise, wonach es ermordet worden sei. Vier Beschuldigte in Drogenverfahren berichteten unabhängig voneinander davon, Rauschgifthändler hätten zwei Ingolstädter getötet, weil sie  Schulden bei ihnen nicht bezahlt hatten. Tatort soll an der deutsch-holländischen Grenze gewesen sein, doch recht viel mehr ließ sich nicht herausfinden. 

Im Frühjahr 2009 kam noch einmal Bewegung in die Sache, als ein Informant den Ermittlern erzählte, Eugen und Sabine seien umgebracht und entsorgt worden, wie das in Russland üblich sei: Man habe die Leichen in offenen Gräbern verschwinden lassen, wo tags darauf offizielle Beerdigungen geplant waren. Die Polizei lässt daraufhin ein Grab am Ingolstädter Westfriedhof öffnen, das infrage käme, aber es findet sich keine „Doppelbelegung“.

Noch im November des vergangenen Jahres klammerte sich Sabines Mutter an die Vorstellung, ihre Tochter vielleicht lebend wiederzusehen. „Es kann doch nicht sein, dass man überhaupt nichts mehr von einem Menschen findet“, klagte Johanna Z. damals im Gespräch mit unserer Zeitung. Diese Tatsache ließ die Mutter stetig auf eine Rückkehr hoffen, obwohl auch ihr der gesunde Menschenverstand sagte, dass ihre Tochter höchstwahrscheinlich tot ist. 

 Mit dem Fund im Waldstück  bei Kipfenberg kann der Fall jetzt   möglicherweise doch noch gelöst werden. Eine zehnköpfige Ermittlungsgruppe der Kripo Ingolstadt geht nun der Frage nach den Umständen des Todes nach, wie der Polizeisprecher gegenüber unserer Zeitung weiter ausführte. Sie erhoffe sich neue Ansätze  und Hinweise aus der Bevölkerung. Die zentrale Frage: Wurde das Pärchen umgebracht? „Die Untersuchungen der Rechtsmedizin laufen“, sagte der Sprecher. Vielleicht hat die zermürbende Ungewissheit für Sabines Mutter bald ein Ende. 
 

Benedikt Schimmer