Kemnathen
Wenn die Krise die Kreativität beflügelt

Der Kemnather Bildhauer Max Hermann schafft mit der Motorsäge einen detailreichen Weißkopfseeadler aus einem Fichtenklotz

28.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:16 Uhr
Weil die Kreativität keine Pause macht: In Zeiten von Corona hat Max Herrmann einen mächtigen Weißkopfseeadler aus Fichtenholz geschaffen, mit der Motorsäge (links). Der Sensenmann ist für den Bildhauer aus Kemnathen auch ein Zeichen der Liebe. −Foto: Sturm

Kemnathen - Was macht ein kreativer Künstler wie der Bildhauer, Holzschnitzer und Hochschuldozent Max Herrmann aus Kemnathen in Zeiten der Corona-Pandemie?

Ganz einfach: Er schnappt sich eine Motorsäge und erschafft damit aus einem dicken Fichtenstamm einen Weißkopfseeadler mit mächtigen Schwingen.

Normalerweise steht der 56-jährige Bildhauer für Holz und Stein in der Werkstatt im Keller seines Eigenheims in der Bergstraße in Kemnathen und schafft dort wunderbare Kunstwerke aus Holz, Metall, Stein, Glas, Bronze, Ton oder Beton für die unterschiedlichsten Auftraggeber oder widmet sich der Restauration von Kunst und Antiquitäten. Momentan tut sich da aber wenig. "Das Vereinsleben ist weitestgehend erloschen und kommunale Versammlungen beschränken sich auf das Notwendigste. Aber gerade aus diesen Bereichen bekomme ich im Normalfall viele Aufträge. Derzeit ist die Situation aber mehr als überschaubar", erzählt Herrmann.

Geboren in Kemnathen, besuchte Herrmann die Schule in Breitenbrunn, absolvierte anschließend eine Maurerlehre in Ittelhofen und war danach im Hochbau tätig, zuletzt als Polier. Schon als 19-Jähriger kaufte er sich eine Drechselbank und fertigte nebenbei zum Beispiel kunstvolle Vasen oder Schalen aus Holz. Es dauerte noch ein paar Jahre, bis Herrmann seine Arbeit auf der Baustelle zugunsten der Leidenschaft für die Kunst an den Nagel hängte. Gesundheitlich angeschlagen von der schweren Arbeit auf dem Bau, ergriff er die einmalige Chance und meldete sich bei der Bildhauerschule in Elbigenalb im Lechtal in Österreich an. Am 16. November 2009 legte er schließlich an der staatlichen Berufsschule in Wien die praktische und theoretische Prüfung als Bildhauer für Holz und Stein jeweils mit der Note eins ab. Seitdem ist Herrmann ein gefragter Bildhauer in ganz Deutschland und darüber hinaus.

Aber nicht nur das: Als anerkannter Dozent unterrichtet er den Bildhauer-Nachwuchs, übernimmt Lehraufträge, hält Seminare und Kurse, zum Beispiel bei Volkshochschulen oder in seinem Atelier zu Hause. Deswegen ist er um diese Zeit des Jahres normalerweise viel unterwegs an irgend einer Kunsthochschule oder Kunstakademie in der Bundesrepublik oder im benachbarten Ausland. Aber auch da macht ihm das Corona-Virus einen gehörigen Strich durch die Rechnung. "Hoffentlich wird das bald wieder anders und diese Zeit des Nichtstunkönnens geht bald zu Ende", sagt Herrmann. Im Juli sollte er beispielsweise beruflich an der Ostsee sein und auch seine Anwesenheit im Allgäu, ja sogar im Tessin in der Schweiz wäre gefragt.

Weil dem so ist, die kreative Schaffenskraft und die künstlerische Seele nicht ruhen, wendet sich Herrmann eben anderen Dingen zu. Ein schönes Beispiel dafür kann man derzeit vor seinem Wohnhaus bewundern. Dort steht eine 1,70 Meter, mit Sockel knapp zwei Meter hohe Skulptur eines Weißkopfseeadlers mit einer Spannweite von gut 1,20 Metern. Mit der Motorsäge hat Herrmann dieses beeindruckende Kunstwerk geschaffen, aus einem einzigen Stück Holz. "Ich habe den Adler aus einem Fichtenstamm herausgearbeitet, der an einem Ende 90 Zentimeter und am anderen 120 Zentimeter stark war", erklärt er. Knapp zwei Wochen hat er an der Skulptur gearbeitet, vier Tage hat er allein für die Flügel gebraucht. "Aber er ist wirklich eindrucksvoll geworden", meint der Bildhauer und hat recht damit.

Ein weiteres Exemplar seiner künstlerischen Kreativität zeigt Herrmann unserer Zeitung mit Stolz in seinem Atelier. Dort steht eine etwa einen halben Meter hohe, aus Zwetschge und Lindenholz geschnitzte Figur, ein Sensenmann. Warum hat der Künstler den Gevatter Tod, wie der Sensenmann auch bezeichnet wird, geschnitzt? "Diese Figur fasziniert mich", so Herrmann und erklärt: "Der Sensenmann wird im Allgemeinen mit dem Tod in Verbindung gebracht und ist damit für viele Menschen mit Trauer verbunden. Aber für mich ist der Sensenmann auch ein Zeichen der Liebe, denn er kommt zu den Verstorbenen, trennt deren Seele vom Körper und begleitet diese auf ihrer Reise ins Jenseits. "

swp