Dietfurt
Teufelslicht in eisernen Röhren gefangen

Vor 125 Jahren bekommt Dietfurt eine elektrische Straßenbeleuchtung

07.01.2022 | Stand 15.01.2022, 3:35 Uhr
Frühere Wunder der Technik: Im Wagnereimuseum des Dietfurter Stadtarchivars Anton Zacherl sind noch funktionsfähige Maschinen aus den 1920er-Jahren zu sehen, die über einen Motor und Transmissionsriemen angetrieben wurden. −Foto: Erl

Für die Bürger von Dietfurt muss es - je nach persönlicher Einstellung - ein Wunder der Technik oder böses Teufelszeug gewesen sein, als im Juli des Jahres 1897 erstmals elektrisches Licht in den Straßen aufflammte. "Das Licht ist ausgezeichnet, die Leitung funktioniert vom ersten Augenblick an vortrefflich", schrieb damals ein Lokaljournalist im Altmühlboten. "Jetzt brauchen wir noch die Eisenbahn, dann stehen wir auf der Höhe der Zeit", fügte er ganz euphorisch hinzu.

Dietfurt - Elektrizität war vor 125 Jahren noch längst keine Selbstverständlichkeit, wie sich im Heimatbuch des vormaligen Stadtarchivars Franz Kerschensteiner lesen lässt. Sein Nachfolger Anton Zacherl weiß weitere Details, wie zukunftsorientiert-hoffnungsvoll oder verzagt-ängstlich die Menschen damals auf die mysteriöse Kraft aus der dicken Kupferleitung reagierten. Die erste elektrische Straßenbeleuchtung in Europa war immerhin erst im Jahr 1884 in Betrieb genommen worden. "Noch in den 1920er-Jahren kamen Leute in die Wagnerwerkstatt meines Großvaters, um sich das Elektrische anzuschauen", erzählt er.

Es war damals ein kaum vorstellbares magisches Ereignis, dass man eine Lampe ins Heu stecken konnte, ohne dass es zu brennen anfing. In seinem Schulaufsatz aus dem Jahr 1940 schreibt Uwe Hradetzky aus Erzählungen, wie Wundermänner die Leitung für den gefangenen Blitz durch Dietfurt legten, und wie manche glaubten, dass das Haus abbrennt, wenn so ein Teufelslicht in den eisernen Röhren gefangen wird. Nachzulesen ist das im Mühlenmuseum von Rudi Rengnath.

Am 11. Juni 1897 Vertragmit der Stadt geschlossen

Rengnaths Großonkel Franz war der erste, der einen Generator antrieb und am 11. Juni 1897 einen Vertrag mit der Stadt zur Beleuchtung der Straßen abschloss. Bis dahin erhellten 13 große Petroleumlaternen die Stadt, die vom Dietfurter Flurer täglich abends angezündet und am Morgen wieder gelöscht werden mussten.

Franz Rengnath schloss einen 110-Volt-Gleichtrom-Dynamo an eines seiner damals fünf hölzernen Wasserräder an und ließ Kupferkabel mit einem stattlichen Querschnitt von 120 Quadratmillimetern als Ringleitung über die Dächer ziehen. Noch im gleichen Jahr folgten eine weitere Ringleitung sowie eine Stichleitung vom Rathaus zum Franziskanerkloster, wahrscheinlich das erste elektrische Licht für einen "Bettelorden" in Bayern.

Wenn das Licht aus den Glühbirnen mal flackerte, raunten sich die Dietfurter zu, da wäre eine Forelle in die Turbine geraten, erzählt der heutige Mühlenbesitzer Rudi Rengnath schmunzelnd. Zwar wollte auch der Schlossermeister Josef Wittl auf der "Weberwiese" an der Laber bereits 1896 ein Triebwerk errichten. Den Strom, den er selbst nicht benötigte, hätte er an die Stadt verkauft und zudem eine Straßenbeleuchtung errichtet. Das aber scheiterte wegen konservativer Strömungen am damaligen Gemeindekollegium.

Rengnath baute die Turbinenleistung laufend aus, sein Neffe Benedikt als Nachfolger investierte in eine zusätzliche Dampfmaschine zur Stromerzeugung und kaufte einen Dieselmotor dazu, der 1916 per Dampfeisenbahn geliefert wurde. Das Dieselöl ließ er, um Geld zu sparen, von einem Pferdefuhrwerk jeweils in gut 24 Stunden Transportzeit vom Regensburger Hafen bringen.

Aktiengesellschaft scheitert katastrophal

Richtig spannend wurde der Wettlauf um die Dietfurter Stromversorgung in den Jahren 1923 und 1924, als der aus Lindau am Bodensee stammende Georg Rupflin eine Aktiengesellschaft gründete. Mit dem Kapital sollte ein Kanal im Labertal entlang der Hangkante gebaut werden, um letztlich 13 Meter Gefälle zum Betrieb einer Turbine zu erhalten. Insgesamt waren 350000 Aktien im Gesamtwert von 1,55 Milliarden Mark als Kapital vorgesehen. Zwar wurde der Kanal fast fertiggestellt - dessen Reste sind heute noch zu sehen -, aber das Vorhaben scheiterte katastrophal.

Der bauliche Aufwand wurde unterschätzt, die erwartete elektrische Leistung überschätzt und die galoppierende Hyperinflation gab dem Projekt den Rest. Manche Dietfurter sollen immer noch einige nun wertlose Aktien besitzen, wie Heimatpfleger Anton Zacherl weiß.

Das Mühlenkraftwerk von Rudi Rengnath blieb von diesen Turbulenzen verschont, bis ins Jahr 1950 erzeugte dort ein Gleichstromgenerator den Strom für Dietfurt. Einzig der Dieselgenerator wurde im Zweiten Weltkrieg von den Nazis konfisziert und zur Beleuchtung des Bahnhofs in Smolensk abtransportiert.

Neue Turbinen erzeugen aus der Kraft der Weißen Laber nach wie vor Strom, der seit 1950 ins Netz der OBAG eingespeist wird. "Mit ein paar Watt aus der Laber werden die Haushalte in Dietfurt immer noch mit selbst erzeugtem örtlichen Strom versorgt", freut sich Rudi Rengnath über die seit 125 Jahren ununterbrochen funktionierende Elektrizität in der Sieben-Täler-Stadt.

erv