Oberbürg
Samstag ist Brautag

Musikfreunde gründen in Oberbürg das Schindelhofer Brauhaus - Sudkessel fasst 150 Liter

11.12.2020 | Stand 23.09.2023, 15:59 Uhr
Gespannt schauen die Hobbymusiker auf die Jodprobe, mit der die Stärkeumwandlung in Zucker kontrolliert wird. Johann Weidinger verwaltet das Malz- und Hopfenlager im Musikprobenraum. Vor Weihnachten gibt es das Bier in Sechser-Kartons zu kaufen. −Foto: Erl

Oberbürg - Bier brauen ist die lebenslange Leidenschaft von Lothar Jakobs und die Tuba bläst er ebenfalls gerne.

Wenn der 69-jährige aus seinem Leben erzählt, ist die Leidenschaft dafür immer noch in jedem Wort und jeder Geste zu spüren. Darum hatte er vor vielen Jahren Bierbrauer gelernt und Jahrzehnte lang beim Karg-Bräu in Murnau für die Voralpenländer ein süffiges Bier gesotten. Als Rentner ist der im Saarland geborene Bayer aus Überzeugung daher nicht nur Mitglied in einen Musikantenstammtisch, sondern hat mit den Musikerfreunden zusammen nun auch eine eigene Brauerei in seinem Heimatort Oberbürg gegründet.

Es ist somit die erste und einzige in Dietfurt, nachdem dort schon vor Jahrzehnten das Feuer unter dem letzten Sudkessel ausging. Gemeinsam mit den Hobbymusikern wurde - noch vor Corona - ein ehemaliger Schweinestall auf seinem Anwesen aufwendig grundsaniert und nun riecht es da nicht mehr nach Schwein, sondern duftet nach Würze, Malz und Hopfen. Eigentlich sind damit sogar mehrere Träume in Erfüllung gegangen, denn welche Musikerclique träumt nicht davon, zu jeder Probe ein eigenes Bier in höchster Brauqualität zur Verfügung zu haben.

Na gut - der Begriff Brauerei ist vielleicht etwas hoch gegriffen, denn mit einer Menge von gut 100 Litern pro Sud bleibt das eigentlich noch im Hobbybereich. Doch Lothar Jakobs und seine Musikfreunde, die sich vor den Einschränkungen wöchentlich zur Probe im Obergeschoss des umgebauten Schweinestalls trafen, haben dennoch ein Gewerbe dafür angemeldet und der Steuerbehörde Bescheid gegeben. Die Idee dazu kam den "Original Wald- und Wiesen-Musikanten", wie sie sich selber nennen, bei einer ihrer Probenabende. Bislang brachte immer ein anderer reihum einen Kasten Bier mit. Eigentlich plante Jakobs nur eine Kleinstmenge von 20 Litern pro Sud. Schließlich aber sind sie bei einem Kesselvolumen von 150 Litern gelandet, denn die Passion für das Bierbrauen ist auf seine Musikerkameraden übergesprungen. Und die sind nun samstags immer mit dabei, wenn ein neuer Sud angesetzt wird. "Manchmal brauen wir auch zwei Sud nacheinander, da fangen wir dann schon nachts um halb Vier damit an, denn jeder Sud dauert gut sieben Stunden und dann kommen noch die Reinigungsarbeiten dazu", erzählt Johannes Weidinger.

Der arbeitet als Prozessplaner in der Automobilindustrie und seine Freunde nennen ihn nur "Giovanni". Probiert wird der gut gelagerte und ausgereifte Sud dann gemeinsam. Hier ist alles Handarbeit, nur das Rührwerk im Läuterbottich läuft elektrisch. Weidinger ist so etwas wie der Manager und Organisator dieser Minibrauerei. Er kümmert sich um die Rohstoffe, pflückt im heimischen Wohnzimmer schon mal Dolden von Hopfenreben, die zuvor als Bühnendekoration beim Beilgrieser Volksfest dienten und röstet Malz auf dem Küchenherd, bis die Nachbarn mit erhobener Nase neugierig werden. Inzwischen beziehen die Brauer ihre speziellen Malzsorten längst aus Bamberg und den Hopfen aus der Holledau.

Dabei kommen ihnen die Vertriebswege zugute, die Lothar Jakobs früher in seiner Nebenerwerbsfirma aufgebaut hatte, die nun seine Tochter betreibt. Er belieferte Bestattungsunternehmen mit den notwendigen Utensilien und wenn beispielsweise Särge nach Bamberg gefahren werden, nimmt der Transporter von einer großen Mälzerei dort gleich ausgesuchte Malzsorten mit heim. So ist auch zu erklären, dass die schon abgefüllten Bierflaschen momentan in Oberbürg noch neben einer Kollektion von Särgen und Urnen lagern.

"Gstorb'n und g'soffen wird allaweil", sieht's einer der Musikerfreunde ganz praktisch. In ihrer Kleinbrauerei sieden sie bislang nur obergäriges Bier wie dunkles und helles Weißbier sowie Festbier. Untergäriges Pils und Helles sollen als Nächstes folgen, ein Kühlgerät für die notwendige niedrig temperierte Hefegärung steht schon bereit. Auch einen Namen haben sie schon gefunden: Schindelhofer Brauhaus ist auf einigen Weizengläsern eingraviert, so steht es auf den ersten Polo-Shirts und auch auf den Etiketten, die sie für die 3000 eigens angekauften Flaschen haben drucken lassen. "Schindelhof" war einst ein Spottname für Oberbürg, weil umliegende Dörfer schon Steinplattendächer hatten und im armen Oberbürg die Gebäude noch Holzschindeln trugen. Mit dem Verkauf ihrer Biere zielen die etwa 20 Musikfreunde und Lothar Jakobs nicht auf einen wirtschaftlichen Gewinn. Denn jeder Sixpack wird zehn Euro kosten und damit sind allenfalls die Materialkosten gedeckt. "Aber die Leute fragen nach und sind neugierig. Wir sind momentan die einzige Brauerei in Dietfurt und man schmeckt den Unterschied zu Industriebier", erläutert Weidinger.

Am 19. Dezember von 10 Uhr bis 12 Uhr und am 23. Dezember von 18 Uhr bis 20 Uhr wollen die Hobbymusiker und Hobbybrauer ihre Sechser-Kartons Weizenbier direkt ab Brauereihof in Oberbürg, Hausnummer 14, zum Preis von zehn Euro verkaufen. Vorsichtshalber sagen sie schon mal: "Solange der Vorrat reicht. "

DK


Lorenz Erl