Dietfurt
Schulalltag im Schlafanzug

Beim Lernen in Corona-Zeiten sind neben der Nutzung des Internets auch unkonventionelle Methoden gefragt

20.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:19 Uhr
Marius Hägle

Dietfurt - Seit vergangenem Montag müssen alle Kinder von Schule, Kindergarten und Kita daheimbleiben.

Das Coronavirus ist im Freistaat angekommen. Für manche Schüler ist es eine gute Nachricht, für manche auch nicht. Auf jeden Fall bedeutet das "Home Schooling" für alle Beteiligten - Schüler, Lehrer und Eltern - eine gewaltige Umstellung. Den Stoff eines sechsstündigen Schultages sollen die Pädagogen auf verschiedene Art und Weise an die Schüler weitergegeben. Das soll über E-Mail, soziale Netzwerke oder digitale Lernplattformen wie Mebis geschehen. Allerdings gestaltet sich dies alles andere als problemlos, so wurde Mebis zunächst durch einen Hackerangriff lahmgelegt und ist aufgrund zu vieler Zugriffe häufig überlastet.

Der elfjährige Marius Hägle aus Dietfurt besucht die fünfte Klasse des Gymnasiums Beilngries. Er erzählt aus seinem "Schulalltag". Seine Klassenkameraden und er erhalten die Lernstoffe und Übungsmaterialien samt Lösungen über E-Mail zugeschickt. "Das ist ungewohnt, aber auch spannend", sagt Marius. "Man kann in seinem eigenen Tempo arbeiten und es macht mehr Spaß. In der Früh stehe ich auf, frühstücke, schaue die E-Mails der Lehrer an und fange vormittags an zu lernen. Es soll ein ganz normaler Schultag sein, nur dass ich keine Mitschüler habe. "

Marius gesteht, dass er seinen neuen Schulalltag meist im Schlafanzug bestreitet. "Unsere Lehrer sind eigentlich immer erreichbar. Wenn ich eine Frage habe, kann ich ihnen schreiben und kurze Zeit später antworten sie mir. " Die neuen Strukturen erfordern von allen Seiten viel Disziplin, das spüren nicht nur Marius und seine Familie. Auch in anderen Privathaushalten ist die Herausforderung eine ganz neue. Sarah Rauh, 15 Jahre, aus Dietfurt besucht die neunte Klasse der Mittelschule in Berching. Ihre Mutter Andrea Schäfer-Rauh erzählt: "Die Umstellung ist schwierig. Sarah, die kurz vor dem Quali ist, wird per E-Mail mit den nötigen Materialien versorgt und ist zudem über eine Whatsapp-Gruppe mit der Lehrerin und ihrer Klasse verbunden. Das funktioniert gut, Fragen werden prompt beantwortet. Aber wir werden den Ausfall auf jeden Fall merken, da zwar zu Hause Übungen gemacht werden, aber kein neuer Schulstoff vermittelt wird. "

Auch Sarah empfindet die aktuelle Situation als sehr stressig. "Wir orientieren uns am Qualitrainer-Buch, nach dem wir lernen müssen, aber den ganzen Stoff, der für den Quali relevant ist, haben wir noch nicht erarbeitet. " Sarah nutzt dennoch die neue Freiheit. Sie schläft erst mal aus und beginnt mit dem Lernen nach dem Mittagessen. Die neuartige Selbststrukturiertheit bringt mit sich, dass sich das Lernen dem individuellen Biorhythmus anpasst, was vielen Schülern entgegenkommt. Zudem ist es so, dass sich der neue Alltag als sehr lange gestaltet, denn groß Freunde treffen, fällt im Corona-Einerlei ohnehin aus. Sarah hofft, dass der Quali verschoben wird. Mutter Andrea kann ihr den neuen Stoff nicht vermitteln, würde ihrer Tochter aber gerne helfen. "Ich könnte mir vorstellen, dass wir im Rahmen einer Nachhilfe 1:1-Unterricht in Anspruch nehmen werden", überlegt sie. Schließlich solle ihre Tochter aufgrund der Pandemie keine schulischen Nachteile haben.

Auch die Lehrer stellen sich der neuen Situation und bislang unbekannten Herausforderungen. Stephanie Weiß, 39 Jahre, aus Töging, unterrichtet als Biologie- und Chemielehrerin an einer Realschule im Landkreis Regensburg. "Wir betreuen unsere Schüler online. Das Sekretariat schickt per E-Mail die Arbeitsaufgaben zu", berichtet die dreifache Mutter. Das funktioniere soweit ganz gut. Ihr Ehemann Raphael, 38 Jahre, ist Lehrer am Willibald-Gluck-Gymnasium in Neumarkt. Auch er unterrichtet Biologie und Chemie. Er bedauert, dass Mebis zunächst gehackt und dann überlastet war. Er habe es auch sehr spät abends probiert, Materialien online zu stellen, was aber nie funktioniert habe.

Elisabeth Plankl, Rektorin der Grund- und Mittelschule Dietfurt, ist frohen Mutes. Die Lehrer hatten kurz vor Schließung ihre Schüler vorsichtshalber mit Arbeitsmaterialien für die erste Schulwoche versorgt, so sei man von Mebis zunächst einmal unabhängig gewesen. Nach und nach hätten die Lehrer nun die Aufgaben an ihre Zöglinge per E-Mail geschickt. "Diese Umstellung war und ist für uns alle neu und wir müssen uns nun erst einmal komplett anpassen", berichtet sie. Oft verschicke der jeweilige Klassenelternsprecher die von den Lehrern zusammengestellten Materialien per Whatsapp an die Elternklassengruppe, was gut klappe und eine weitere Form darstelle, die Schüler mit Stoff zu versorgen. Mittlerweile funktioniere auch Mebis. Hier könnten mittelfristig auch kleinere Lernvideos online gestellt werden, was in der nächsten Zeit vorstellbar wäre. "Wir versuchen alle Kanäle zu nutzen, so gut es geht", stellt Plankl fest.

"Auch Telefonsprechstunden werden angeboten. Lehrer der ersten Klassen steigen auch auf das Rad und verteilen kleine Unterrichtspakete direkt nach Hause", erklärt Plankl. Dies sei aber nur im kleineren Rahmen möglich, zeige aber, dass man stets nach Lösungen suche. Natürlich sei es leichter Schüler mit Übungen und Wiederholungen zu versorgen, als neue Stoffe digital zu vermitteln. Für die Neuntklässler werde auch auf die Schulcloud, die ähnlich wie Whatsapp funktioniert, zurückgegriffen. "Es muss sich alles erst einmal einspielen. Alle Tätigkeiten, so wie wir sie in unserer schulischen Arbeit kennen, sind erst einmal auf den Kopf gestellt worden. Jeder von uns versucht das Beste aus der Situation zu machen und die Einschränkungen für die Kinder so gering wie möglich zu halten", sagt Plankl. Wenn alle an einem Strang ziehen und positive Signale an die Schüler weitergeben, würden wir gemeinsam die Krise sicherlich meistern, da ist Plankl zuversichtlich. Für die Digitalisierung der Schule birgt die Coronakrise als Experimentierfeld im Schulalltag eine riesige Chance: "Wir sind ungewollt von heute auf morgen in eine neue Dimension, in eine neue Sphäre katapultiert worden. In schnellstmöglicher Zeit müssen wir uns alle umstellen, das pusht uns gewaltig nach vorne, wenn wir jetzt mit der Digitalisierung neue Erfahrungen sammeln und nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt", findet sie.

Dass es in Sachen digitaler Ausbau, Übertragungsgeschwindigkeiten oder zum Beispiel auch der Versorgung mit mobilen Endgeräten in Privathaushalten an manchen Stellen noch hakt, sei verständlich, dennoch müsse man auch immer den positiven Aspekt sehen. Die Schüler haben die Eigenverantwortung, müssen nun selbst lernen, sich zu strukturieren und sich durchzubeißen.

Nebenbei bleibe für alle auch noch die Gelegenheit, wieder einmal den Blick auf die schönen, kleinen Dinge des Alltags zu werfen und einen Gang runter zu schalten.

DK

Katrin Hradetzky, Marius Hägle