Beilngries
Eine ewig lange Warteschlange am Rathaus

Beilngrieser Erinnerungen an den Tag der Währungsreform vor 70 Jahren

20.06.2018 | Stand 02.12.2020, 16:12 Uhr
Jede Menge Reichsmark hat der Amtmannsdorfer Heimatforscher Nikolaus Rieger gesammelt, bevor die Währungsreform das "neue Geld" in die Kassen spülte. −Foto: Foto: Patzelt

Beilngries (pa) Der 20. Juni 1948 ist als besonderer Tag in die Geschichtsbücher eingegangen.

An diesem Tag schlug die Geburtsstunde der Deutschen Mark. Die Kaufkraft der Währung, Halt und Stütze jeder Wirtschaft, war in Deutschland tief gesunken. Überall herrschte Hunger. Nur mit Hilfe der Alliierten konnte ein wirtschaftliches Existenzminimum geschaffen werden.

Jeder deutsche Bürger in den westlichen Besatzungszonen erhielt an diesem Tag als "Kopfquote" 40 Mark, die zusammen mit der Arbeitskraft eines jeden Einzelnen zu Bausteinen einer neuen Wirtschaft werden sollte. Doch wie reagierten vor 70 Jahren die Bürger unserer Gegend auf diesen "Aufschwung nach Maß"? Wie nahmen sie diesen Tag wahr? 1968 befragte der DONAUKURIER einige Bewohner aus Beilngries, Plankstetten und Berching - unsere Zeitung hat zurückgeblättert.

Am 20. Juni 1948 hatte sich vor dem Beilngrieser Rathaus und vor der Sparkasse eine lange Schlange gebildet, wie zu lesen war. Im Rathaus war die "neue Mark" erhältlich und beim Geldinstitut konnten die Bürger mit der alten Reichsmark noch Schulden abgleichen und Versicherungsmarken erwerben.

Die vor 50 Jahren 64-jährige Kunigunde Gschrei aus Berching erinnerte sich an den denkwürdigen 20. Juni 1948 noch ganz gut: "Als ich das erste neue Geld in den Fingern hatte, ging ich zum Bäcker und zum Metzger, damit meine fünf Kinder endlich wieder einmal was Gescheites zum Essen kriegen. Geschimpft haben wir damals schon viel auf den Staat - weil's so wenig war. Aber jetzt geht's Gott sei Dank hoffentlich wieder aufwärts. "

Auch die Ehefrau des damaligen Plankstettener Bürgermeisters Leonhard Bigus führte der erste Weg zum Bäcker: "In unserem Gasthaus kam gleich am ersten Tag das neue Geld rein. Das Vertrauen in die neuen Scheine folgte allerdings erst wesentlich später. "

Regierungsrat Freidrich Bogner vom damaligen Beilngrieser Landratsamt war zur Zeit der Währungsreform noch Theologiestudent in Regensburg: "Ich war 25 Jahre alt und weiß noch, dass ich das Geld nicht gleich ausgegeben, sondern gespart habe. "

Traudl Maurer aus Beilngries war am Tag der großen Währungsreform 24 Jahre alt. 20 Jahre später gab sie folgende Auskunft: "Ich sehe noch die Schlange am Rathaus vor mir. Ich weiß auch noch, dass ich Lebensmittel, vor allem Kindernahrung, von diesem Geld gekauft habe. " Sparkassendirektor Konrad Stempfle hatte den Tag folgendermaßen erlebt: "Kein vernünftiger Mensch hätte damals geglaubt, dass es so schnell wieder aufwärts gehen würde. Ich weiß noch, wie um 5 Uhr vier Polizisten mit einer viertel Million von den neuen Scheinen anrückten. Um 22 Uhr sind wir dann zurückgekommen mit mehreren Kisten voller Reichsmark. "

"Noch eine solche Umstellung und ich gehe sofort", sagte derweil die damalige Beilngrieser Bankangestellte Zenta Schattenhofer. Sie erinnerte sich an eine Bäuerin, die Hunderte von Scheinen, ganz klein zusammengefaltet, in ihrer Schürze anschleppte. Aber auch an die Menschenschlange, die von der alten Sparkasse bis über die Sulzbrücke hinaus wartete. "Der 20. Juni 1948 fiel auf einen Sonntag - aber unsere Kreissparkasse hatte geöffnet. Man konnte noch mit Reichsmark Schulden zahlen und Angestelltenmarken kaufen. Da hat so mancher seine Schulden schnell und billig losbekommen. Fast hätten die Leute unseren Schalter eingedrückt, so dass wir sogar Polizeischutz holen mussten. Einer unserer Angestellten ist ohnmächtig umgefallen, als er die Menschenmassen sah. "

Der frühere Landrat Hans Pröll studierte in München, als die Reichsmark wertlos und die D-Mark begehrt wurde: "Die Reform kam für mich gerade rechtzeitig. Denn vorher gab es nirgendwo Lehrbücher. Mit dem neuen Geld kamen auch sie. Vom Kopfgeld kaufte ich mir juristische Bücher".

Heute, 16 Jahre nach der Umstellung auf den Euro, schätzt die Bundesbank, dass noch rund 13 Milliarden Deutsche Mark in Umlauf sind. Das entspricht rund 6,7 Milliarden Euro. Aber auch der Glückspfennig hat noch nicht ausgedient. Von ihm allein sind noch rund 9,7 Milliarden Stück nicht in den Umtausch gelangt.