Der Kaffee muss aus Brasilien kommen

10.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:22 Uhr
Die Brasilianerin und der Bayer bilden ein elegantes Paar. Kirchlich geheiratet wurde im Jahr 2005 in Brasilien. Seit 2009 leben Paola und Matthias Haselbauer in Dietfurt. −Foto: Paola Avila-Haselbauer

Dietfurt (DK) Am Strand von Copacabana funkt es zwischen Paola Avila aus der Region Belo Horizonte und Matthias Haselbauer aus Dietfurt. Nun lebt die 32-Jährige glücklich verheiratet hier. Unserer Zeitung berichtet sie über die Unterschiede zwischen den Ländern.

Ursprünglich kommt Paola Avila-Haselbauer aus Brasilien. In Dietfurt hat die junge hübsche Frau mit den vielen Locken und aufgeweckten schwarzen Augen eine neue Heimat gefunden und berichtet unserer Zeitung aus ihrem Leben.

Zum Frühstück gibt es bei Paola Avila-Haselbauer erlesenen, aromatischen Kaffee aus Brasilien, dazu viel Obst wie exotische Papayas und frische, selbstgebackene kleine Käsebällchen, sogenannte Pão de Queijo, die in Brasilien zu jeder Tageszeit und zu jedem Anlass gereicht werden. "Geboren und aufgewachsen bin ich in Contagem, einem Teil der Metropolregion Belo Horizonte. Sie ist etwa dreimal so groß wie München. Dietfurt ist verglichen dazu ein kleines Nestchen", beschreibt Paola Haselbauer ihre Heimatstadt im Bundesland Minas Gerais, im Südosten des Landes. Es sehe dort ähnlich aus wie in Bayern, "sehr hügelig, mit vielen Wasserfällen, geprägt durch Rinderfarmen und Kaffeeplantagen".

Paola Haselbauer hat schon sehr früh gelernt selbstständig zu sein und Verantwortung zu übernehmen. Als sie neun Jahre alt war, kündigten ihre beiden berufstätigen Eltern ihrem damaligen Hausmädchen. Sie übertrugen ihrer Tochter, die damals die Grundschule besuchte, wesentliche Aufgaben wie die Betreuung ihres fünf Jahre jüngeren Bruders Yuri, und Aufgaben im Haushalt wie aufzuräumen, abzuwaschen, zu kochen oder staubzusaugen. "Meine Mama musste ganztags als Operationsschwester arbeiten und mein Papa war als Feuerwehrmann teilweise 24 Stunden im Einsatz." In Brasilien sei es oft so, dass beide Eltern arbeiten gehen und sich entweder ein Familienangehöriger oder ein Kindermädchen um den minderjährigen Nachwuchs kümmere. "Als ich neun war, habe ich mich selbst für die Schule fertig gemacht und für meinen Bruder Yuri das Pausenbrot geschmiert. Dann sind wir gemeinsam los. Zuerst lieferte ich Yuri im Kindergarten ab und dann bin ich selbst zur Schule gegangen."

Ihre Mutter habe zwar oft das Essen vorgekocht, aber Paola konnte schon als kleines Mädchen einfache Gerichte selbst zubereiten. "Mama hat mir viel zugetraut. Ich konnte immer alles selbstständig erledigen, das war für mich normal", schildert sie. Die Großeltern lebten auf dem Land, zu weit weg von Paolas Elternhaus. Der Großvater väterlicherseits besaß eine Kaffeeplantage, was Paola schon früh faszinierte. Und auch heute ist ihr der feine Geschmack von Kaffee wichtig. "In Brasilien spielt sich das Leben sehr viel draußen ab, was natürlich auch mit dem Klima zusammenhängt. Wir Brasilianer besuchen uns gegenseitig oft ganz spontan, um miteinander zu plaudern und uns auszutauschen." In Deutschland sei dies ein wenig anders. Und die Menschen seien oft nicht so spontan.

Als Paola 18 Jahre alt war und ihr Abiturzeugnis in der Tasche hatte, hegte sie den Plan, vielleicht zu studieren oder eine Ausbildung zu machen. Während der Schulzeit hatte sie als Arzthelferin Einblicke in die Medizin gewinnen können. Und auch die Tätigkeit ihrer Mutter als OP-Schwester beeindruckte sie sehr. Doch es kam alles erst einmal anders. "Als ich 18 war, kamen meine zwei Cousinen aus Deutschland zu Besuch. Wir gingen in eine Kneipe, die damals Alambique hieß, was so viel wie Schnapsbrennerei bedeutet. Dort stand plötzlich durch Zufall Matthias im khakifarbenen Bundeswehr T-Shirt in der Tür und wir als Clique hatten aufgrund seines Outfits gerätselt, ob er denn aus Deutschland komme."

Der Mann ihrer Cousine habe Matthias, ihren späteren Ehemann, angesprochen, dass er das T-Shirt auch hätte, nur um zu testen, ob er denn aus Deutschland sei und deutsch spreche. "In Brasilien gibt es nicht viele Menschen mit blauen Augen und blonden Haaren, außer im Süden", schmunzelt Paola. Ihr späterer Ehemann verbrachte zu dieser Zeit seinen Urlaub in Brasilien und so hatten sich die beiden kennengelernt. Über einen mitreisenden Freund von Matthias, der Portugiesisch sprach, verständigten sie sich, aber auch ihre Englischkenntnisse halfen ihnen weiter. Außerdem erfüllte das gelbe Langenscheidt-Lexikon "Portugiesisch-Deutsch" seine Funktion. Natürlich wollte Paola ihren neuen Freund auch Papa Adalton vorzustellen. "Mein Vater ist etwas strenger. Matthias und sein Freund sowie der Taxifahrer, der ihnen das Land gezeigt hatte, kamen eines Abends zum Grillen", erinnert sich Paola.

Nach einigen Tagen habe sie sich entschlossen, die Urlauber aus Deutschland nach Rio de Janeiro zu begleiten, wo sie Verwandte hat. Um fünf Uhr früh machte sie sich mit dem befreundeten Taxifahrer auf eine rund siebenstündige Reise, ein Abenteuer. Direkt am Strand von Copacabana habe es dann endgültig gefunkt.

Danach seien die Urlauber wieder nach Deutschland geflogen. Der Kontakt zwischen den beiden blieb über das Internet erhalten. Ostern 2004 kam Matthias nach Brasilien zurück und wohnte vier Wochen bei Paolas Familie. Er selbst habe dabei schon ein paar Sätze Portugiesisch gesprochen, da er plante, für ein halbes Jahr an der Bundesuniversität von Minas Gerais für seine Doktorarbeit zu arbeiten. Der heute 43-Jährige ist als Bauingenieur in München tätig.

Im Winter flog Paola dann nach München, wo Matthias zur damaligen Zeit wohnte. Sie habe ihren ersten Deutschkurs und zum ersten Mal auch die 7-Täler-Stadt Dietfurt besucht. Am Ende ihres Aufenthalts in Deutschland erfolgte schon die Verlobung.

Ab April 2005 war Matthias dann, wie geplant, für ein halbes Jahr in Brasilien, um an seiner Doktorarbeit zu schreiben. "Im selben Jahr haben wir auch kirchlich in Brasilien geheiratet", berichtet Paola. "Bei uns in Brasilien ist es üblich, abends nach Sonnenuntergang die kirchliche Trauung abzuhalten. Geheiratet wird auch bei uns in Weiß, sehr pompös mit viel Glitzer und Pailletten, mit viel Musik in großen Salons."

Nach der Hochzeit brach Paola ihre Zelte in Brasilien ab. "Das war vielleicht ein Abenteuer mein Land zu verlassen, aber ich habe nicht viel darüber nachgedacht." Paola hatte in der Folge in München lange Zeit Deutschkurse belegt, und nach eineinhalb Jahren beschlossen, sich eine Arbeit zu suchen. "Zunächst war ich bei McDonald's am Stachus beschäftigt. Das war zur Zeit der Fußball-WM im Jahr 2006. Ich saß an der Kasse, musste viel sprechen, vormittags besuchte ich den Deutschkurs, nachmittags ging ich zur Arbeit", erinnert sie sich.

Dann begann sie eine Ausbildung als Arzthelferin, die sie allerdings mangels ausreichender Sprachkenntnisse abbrechen musste. Sie durfte aber damals schon bei Operationen mithelfen. Schließlich habe sie drei Jahre lang bis zur Schwangerschaft bei Benetton gearbeitet. "Weil uns die Wohnung in München zu klein wurde und wir uns für die Zukunft etwas aufbauen wollten, haben wir uns entschlossen ein kleines Häuschen in Dietfurt zu suchen. Im März 2009 sind wir umgezogen." Als Sohn Gabriel zweieinhalb Jahre alt war, startete sie eine Ausbildung als OP-Schwester an der Klinik in Eichstätt. Im Jahr 2014 legte sie die Abschlussprüfung sogar auf Deutsch ab. Den Führerschein habe sie auch gleich noch angehängt. "Seit Februar 2015 arbeite ich nun im ambulanten OP-Zentrum in Ingolstadt in Teilzeit als OP-Schwester und Praxisanleiterin. Das bedeutet, dass ich selbst Schüler ausbilden darf."

Auch wenn Paola mittlerweile fließend Deutsch spricht und ihr die Zubereitung deutscher Gerichte leicht von der Hand geht, hat sie sich vieles aus ihrer Heimat noch bewahrt. So trinkt sie im Alltag Kaffee aus Brasilien. Auch brasilianische Gerichte mit Reis, Bohnen, Fleisch samt Gemüse und Salat stehen häufig auf dem Speiseplan. "Bei uns in Brasilien werden zum Fleisch oft auch mehrere Kohlenhydrate gegessen. Und wir Brasilianer essen sehr viel Fleisch."

Auch Mitbringsel aus ihrer Heimat sind ihr heilig. Emailletassen und Teller, Tontöpfe, Bilder von einem brasilianischen Markt, die selbst gehäkelten Deckchen ihrer Mutter und einheimische Kissenbezüge finden sich in der Einrichtung wieder. Draußen im Garten hat sie sich einen offenen Holzofen samt Churrasco-Grill eingerichtet. "Im Sommer sind wir sehr viel draußen. Sobald es warm wird werden bei uns alle Türen aufgerissen. Wir grillen dann oft den ganzen Tag und nehmen uns Zeit fürs Essen", meint Paola. In Brasilien, wo sich das Leben viel auf der Straße abspiele, sei alles noch viel quirliger und lebendiger, man höre viel Musik auf den Straßen, in den Städten gäbe es viele Lokale mit nur zwei, drei Tischen, wo man kleine Gerichte kosten kann und zum Plaudern zusammenkommt. "Natürlich vermisse ich meine Familie und Brasilien, aber ich habe mich hier schon recht gut eingelebt. Und im Sommer ist in Dietfurt auch sehr viel los und die Leute kommen zusammen."

Katrin Hradetzky