Dietfurt
Der Liebe wegen um die halbe Welt

Die Nepalesin Saroja Gollasch lebt seit 2001 in Dietfurt - und spricht sogar ein bisschen Bairisch

01.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:23 Uhr
Nepalesische Gerichte kommen bei Saroja Gollasch auch in ihrer neuen Heimat, in Dietfurt auf den Tisch. Seit 2001 lebt die heute 37-Jährige in der Sieben-Täler-Stadt. −Foto: Foto: Hradetzky

Dietfurt (DK) Von Nepal nach Bayern. Oder anders gesagt: mehr als zwölf Flugstunden von der Heimat entfernt. Saroja Gollasch ist der Liebe wegen in die Sieben-Täler-Stadt Dietfurt gezogen und berichtet in unserer neuen Serie "Neue Heimat Dietfurt" von ihrer ehemalige Heimat, vom den Lebensstil der Menschen, von deren Kultur und Tradition.

Saroja Gollasch ist 37 Jahre alt. Ihre Augen leuchten und sie lächelt, wenn sie von ihrer Heimat Nepal erzählt. Seit ihrer Hochzeit im Jahr 2001 lebt sie in der Sieben-Täler-Stadt. Mit Ehemann Markus Gollasch und den drei Kindern Leon, Sina und Felix ist sie hier glücklich. Den leichten bairischen Dialekteinschlag hat sie sich selbst angeeignet, wie auch die Sprache Deutsch auf autodidaktische Art und Weise.

Und das alles kam so: Nach seiner Schulausbildung flog Markus Gollasch gemeinsam mit Freunden zu einem Wanderurlaub nach Nepal, wo es ihn aufgrund der fantastischen Landschaft und der Menschen schon immer hinzogen hatte. Sein Trekking-Guide war damals niemand geringerer als Sarojas Onkel, mit dem er sich sofort verstand. Seinem ersten Aufenthalt folgte ein Zweiter. Über den Onkel lernte sich das künftige Liebespaar kennen - und schon beim ersten Treffen hat es gefunkt.

2001 wurde in dem kleinen Heimatdorf von Saroja geheiratet. "Alle rund 200 Einwohner haben vorbeigeschaut. Das war schon eine kleine Sensation: der Tourist aus Deutschland und die Einheimische", erinnert sich Markus Gollasch. Und seine Frau fügt hinzu: "In Nepal heiratet man in Rot. Und wenn man verheiratet ist, trägt man rote Kleidung als Zeichen dafür." Auch ein rotes Tika - ein roter Punkt auf der Stirn zwischen den Augenbrauen sowie eine rote Linie auf dem Scheitel - weist darauf hin. "Am Anfang nach unserer Hochzeit habe ich den Scheitel auch immer noch gefärbt, dann nicht mehr", verrät Soraja Gollasch, denn schließlich sei dies schon sehr aufwendig, da es jeden Tag erneuert werden müsse. Im ländlichen Nepal, wo sie herkommt, sei dies aber Tradition.

Geboren ist Saroja Gollasch in Shiva Mandir Naval Parasi, einem kleinen, bäuerlichen Dorf im Flachland mit etwa 200 Einwohnern im Süden Nepals, rund sechs Autostunden von der Hauptstadt Kathmandu entfernt. Dort ist sie gemeinsam mit ihren vier Geschwistern bei ihrem Vater, einem Schamanen, Schneider und Musiker, und ihrer Mutter aufgewachsen. Die Familie betrieb eine Landwirtschaft. "Als ich sechs Jahre alt war, besuchte ich ein englisches Internat in Kathmandu bis zur zehnten Klasse. Danach habe ich eine Ausbildung als Kinderpflegerin gemacht", erinnert sich die 37-Jährige.

"Nepal ist ein sehr buntes Land mit schöner Natur, Kühe laufen auf der Straße. Bei uns darf man auch hupen, wenn ein Mensch auf der Straße steht und alles blockiert", lacht Saroja Gollasch. "Wir Nepalesen sind sehr glücklich, freundlich und gläubig und feiern viele Feste." Saroja Gollasch zählt sie auf. Da wäre einmal das Fest der Farben, das sogenannte Holi-Fest: "Dabei wird zu Ehren des Hindugottes Shiva bis Frühmorgens gefeiert. Die Menschen bewerfen sich gegenseitig mit Luftballons, die mit Farben gefüllt sind." Außerdem gebe es das Erntedankfest im September, welches 15 Tage dauert, bei dem sich die gesamte Verwandschaft trifft und die Nepalesen Haarschmuck aus Getreide tragen. Auch das Bruder-Schwester-Fest sei von enormer Bedeutung in Nepal, berichtet Saroja Gollasch.

Überhaupt stehe Familie an erster Stelle und werde ganz groß geschrieben. "Sorgen und Probleme besprechen die Nepalesen im Familienkreis, der einen immer auffängt. Hier wird zusammengehalten und viel geredet", hat Markus Gollasch beobachtet. Und generell sei so vieles anders in Nepal: "Die Leute leben nicht unter diesem Zeitdruck und sind weniger gestresst im Vergleich zu Deutschland. Wenn man zum Beispiel zu einer Behörde oder zum Arzt geht, dann ohne Termin. Es kann sein, dass man nach längerer Wartezeit an die Reihe kommt oder eben auf morgen vertröstet wird", weiß Saroja Gollasch. In der Hauptstadt Kathmandu gebe es zwar mittlerweile große Supermärkte, aber vielerorts gingen die Menschen zum Einkaufen von frischem Obst und Gemüse auf den Markt, wo überall noch gefeilscht und gehandelt werde, je nach Qualität der Ware.

Auch wenn ein Mensch aus dem Leben scheidet, gibt es gerade in den Dörfern ganz spezielle Beerdigungsrituale und die Trauernden kleideten sich in Weiß: "Wenn das männliche Familienoberhaupt stirbt, dann lassen sich die Söhne allesamt die Haare abschneiden." Ihre Familie betreibt nach wie vor eine Landwirtschaft und lebt als Großfamilie zusammen unter einem Dach. Ihr ältester Bruder hat dort nach dem Tod von Saroja Gollaschs Vater die Rolle des Familienoberhaupts übernommen. Er arbeitet - wie der Vater - als Schneider. "Die Bewohner aus der Gegend kommen mit ihren bunten Stoffen vorbei. Dann werden die Maße genommen, der Schnitt besprochen und die Kleidung angepasst." Mittlerweile werde zwar vor allem in den größeren Städten von den jungen Leuten auch Einheitsmode wie Jeans und T-Shirts gekauft, am Land aber werde die Tradition der Handarbeit noch aufrecht gehalten.

Als Saroja Gollasch ohne zu wissen, was sie genau erwartet, nach der Hochzeit mit ihrem Mann in Nepal in den Flieger stieg, war vor allem ihrer Mutter mulmig zumute. Als Saroja Gollasch nach einer stundenlangen Reise in Dietfurt ankommt, war anfangs erst einmal alles sehr ungewohnt und neuartig für sie. Die Nepalesin hat sich aber sehr schnell eingewöhnt und dank der Hilfe ihrer Schwiegermutter rasch Deutsch gelernt. "Sie hat mich überall hin mit hingenommen wie etwa zum Einkaufen und mir nicht groß erlaubt, Englisch zu sprechen. Auch durch die Kinder bin ich später viel in Kontakt mit Einheimischen gekommen, bin immer auf die Menschen zugegangen, da ich sehr interessiert und offen bin", blickt Saroja Gollasch zurück. Mittlerweile spricht die heute 37-Jährige mitunter auch Bairisch.

Seit sie in Bayern lebt, kocht sie auch immer wieder nepalesisch, wenngleich auch schon mal Schnitzel oder Spaghetti Bolognese auf dem Speiseplan stehen. "Ich koche viel Curry und Linsensuppe, typische nepalesische Gerichte. Wir verwenden sehr viele Gewürze und essen sehr scharf", sagt Saroja Gollasch und auch ihrem Schwiegervater Rudi schmeckt es, denn er kommt doch des Öfteren zum Mittagessen auf einen Sprung vorbei. Angerichtet und serviert werden die Nepal-Gerichte dann auf einem ganz speziellen, in vier Fächer unterteilten Teller, gegessen werde in ihrer Heimat mit der Hand, hier in Deutschland verwendet die Familie aber Besteck. Eine weitere nepalesische Tradition lebt im oberpfälzischen Dietfurt weiter: gemeinsam einen Chai-Tee, quasi das Nationalgetränk, zu trinken und miteinander zu plaudern. Chai besteht aus schwarzem Tee und verschiedenen Gewürzen, wird in Milch aufgekocht und mit Zucker gesüßt. Nach klassischer Rezeptur kommen zum schwarzen Tee Gewürze wie Kardamom, Ingwer, Zimt, Nelken, Fenchel und Anis dazu.

Den Kontakt zu ihrer Familie pflegt Saroja Gollasch weiterhin intensiv dank Facebook und Skype. Sogar ihr neunjähriger Sohn Felix unterhält sich mit seiner Oma via Skype auf dem Computer und spricht schon ein paar Brocken Nepalesisch. Denn Familie steht bei der 37-Jährigen an allererster Stelle, ganz egal, wie viele Kilometer dazwischen liegen.
 

Katrin Hradetzky