Paulushofen
In katastrophaler Verfassung angekommen

Vor 75 Jahren: Russische Kriegsgefangene sterben während einer Marschpause auf dem Altmühlberg

16.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:32 Uhr
In einem Sammelgrab auf der Kriegsgräberstätte in Neumarkt in der Oberpfalz sind auch die russischen Gefangenen beerdigt worden, die 1945 bei einer Marschpause in Paulushofen ihr Leben gelassen hatten. Zunächst waren sie auch in dem Beilngrieser Ortsteil beigesetzt worden, zwölf Jahre später erfolgte aber eine Umbettung. −Foto: N. Rieger (Repro)

Paulushofen - Mit verschiedenen Aspekten des Kriegsendes vor 75 Jahren und dessen Auswirkungen auf die Region hat sich der Amtmannsdorfer Heimatforscher Nikolaus Rieger für unsere Zeitung bereits auseinandergesetzt.

Diesmal geht es um sowjetische Kriegsgefangene, die vom 14. bis 18. April 1945 durch die Region zogen und in Paulushofen eine Marschpause einlegten. Dieser Zeitpunkt wird durch eine Eintragung im Sterbematrikel gestützt. Auch die Marschgruppe ist dort benannt: Mit dem Stammlager XIII-C ist eindeutig das Stalag (Stammlager) in Hammelburg gemeint, nicht das Konzentrationslager in Flossenbürg - wie irrtümlich vermutet. Diese Gefangenen waren ausgehungert und erschöpft. Auch wenn es vom Wachpersonal nicht gern gesehen wurde, so gab doch ein Teil der Bevölkerung von Paulushofen den Gefangenen Schmalz, Brot und Butter, außerdem wurden Eier gekocht und kleine Kartoffeln für sie gedämpft.

In welch katastrophalem Zustand diese Gefangenen waren, zeigt die Anzahl der gestorbenen Gefangenen an. Auf dem Friedhof wurden im sogenannten Russengrab laut Bescheinigungen, ausgestellt von der Marschgruppe Hauptmann Anders, Kgf. (Kriegsgefangenen) Transport M. - Stammlager XIII C, am 16., 17. und 18. April 1945 insgesamt 13 sowjetische Kriegsgefangene beigesetzt. Am 21. April wurde in diesem Grab laut Ausweispapieren noch der Pole Wladimir Andrzej, geboren am 4. Mai 1912, begraben. In einer Gesprächsnotiz mit Senioren steht: "Einer ist bei Liebold geblieben und hat sich unterhalb der Scheunenbrücke versteckt. Als die Deutschen fort waren, ist er hervorgekrochen, kam in das Haus, wo jetzt Paul Achatz lebt, und ist dort vor Schwäche gestorben. Er wurde im Friedhof beerdigt, aber später umgebettet. "

Am 23. Mai hat der Gendarmerieposten in Beilngries unter dem Betreff "Erschießen und Beerdigung von Kriegsgefangenen Russen in Paulushofen" folgenden Bericht verfasst: "Der Bauer Anton Hundsdorfer von Paulushofen gab auf Befragen Folgendes an: ,Ich hatte in der Zeit vom 14. bis 18. April 1945 sehr viele Russen in meinem Anwesen. Zwei von diesen Russen haben bei mir Getreide gestohlen und wurden deshalb von ihren Wachposten erschossen. ' Der Pfarrer Gallasch von Paulushofen gab auf Befragen Folgendes an: ,Im Friedhof in Paulushofen sind 14 russische Kriegsgefangene begraben. Davon sind zwölf gestorben und zwei wurden erschossen, weil diese geplündert haben. Die zwei Männer sollen aber von den Wachposten erschossen worden sein. Den Platz zur Beerdigung im Friedhof habe ich selbst angewiesen. Die Russen wurden von ihren Kameraden ordnungsgemäß beerdigt und lehnten eine kirchliche Beisetzung ab. '"

Am 28. März 1957 fand die Ausbettung der beerdigten Kriegsgefangenen statt. Dabei sind aber nur die Gebeine von acht russischen Kriegsgefangenen gefunden worden. Zusätzlich wurden noch die Gebeine des Polen Wladimir Andrzej geborgen. Diese Gebeine wurden am 29. März 1957 auf dem Soldatenfriedhof in Neumarkt in der Oberpfalz beigesetzt. Die russischen Gefangenen sind dort in der Abteilung VI 2708 bis 2715 und der Pole in Reihe 1, Grab 11, beigesetzt. Auf Anfrage von 2013 hat die Dokumentationsstelle Dresden, Stiftung Sächsische Gedenkstätten, mitgeteilt, dass sie zwei der acht Russen identifizieren konnte. Dabei handelt es sich um Tylo Iwan, geboren am 10. Februar 1924, gestorben am 16. April 1945, und um Kosatsch Fjodor, geboren am 16. September 1906.

Zur Frage nach den fehlenden Gebeinen von weiteren fünf Kriegsgefangenen hat der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge am 30. März 1957 Folgendes geschrieben: "Es fehlen also die Gebeine von fünf russischen Kriegsgefangenen, über die von keiner Seite Aufschluss gegeben werden konnte. Beim Pfarramt liegen drei Bescheinigungen über sieben, zwei und vier Tote (ohne Namen, aber mit Stalag-Nr. ), die angeblich sämtlich im Friedhof beigesetzt sein sollen. Der Totengräber, der auch 1945 dort tätig war, sagte aus, dass er nur ein großes Sammelgrab gegraben habe, bei den Beisetzungen aber niemand zugegen sein durfte. Es kann also niemand bestätigen, wie viele Tote tatsächlich beerdigt worden sind. Es kann auch vermutet werden, dass fünf Kriegsgefangene geflohen sind und auf der Gräberliste als ,tot' mitgemeldet worden sind. Eine Klärung dürfte jetzt nicht mehr möglich sein, es sei denn, dass noch - aber wo? - ein weiteres Grab gefunden wird. "

"Wenn man die Schilderungen über die amerikanischen und die russischen Kriegsgefangenen vergleicht, so hat ein gravierender Unterschied bestanden", stellt der Amtmannsdorfer Heimatforscher Rieger in seinem Bericht fest. "Sowohl bei der Verpflegung als auch bei der Behandlung durch das Wachpersonal hatten es die sowjetischen Gefangenen deutlich schlechter. "

DK