Beilngries
Ein Vortrag, der unter die Haut geht

Lutz Quester berichtet am Beilngrieser Gymnasium über seine Erlebnisse in der DDR

06.07.2018 | Stand 02.12.2020, 16:07 Uhr

Beilngries (DK) Sehr ruhig ist es in der Mensa des Gymnasiums, gespannt lauschen die Schüler der neunten Jahrgangsstufe dem 90-minütigen Vortrag des Referenten.

Im Rahmen des Zeitzeugenprogramms der Gedenkstätte Hohenschönhausen in Berlin erzählt Lutz Quester, der heute in Nürnberg lebt, über seine Erfahrungen in der DDR. Dabei stellt er sehr nachvollziehbar dar, wie er sich als Jugendlicher zunächst nur an Kleinigkeiten störte, in seiner Sehnsucht nach Freiheit gegen Regeln verstieß und damit zunehmend die Aufmerksamkeit der Staatssicherheit auf sich zog.

Sehr eindringlich schildert er die Situation, wenn man das Gefühl hat, bespitzelt zu werden, zum Beispiel von einer Nachbarsfamilie, später auch vom Stiefvater seiner Frau, und als Folge davon jedem Menschen mit Misstrauen begegnet. Die Schwierigkeiten, mit denen sich der junge Mann konfrontiert sieht, werden größer. So darf er zum Beispiel nicht mehr in Länder des Ostblocks reisen. Er muss erkennen, dass der Staat alles über ihn weiß. Bei einer Vorladung durch die Stasi wird ihm deutlich vermittelt, dass er unter besonderer Beobachtung steht und sich keinen Fehler mehr erlauben darf. Vor die Wahl gestellt, ein Leben in Angst und Angepasstheit zu führen oder das Land zu verlassen, entschließt er sich für die Ausreise, wobei er sich der Risiken bewusst ist.

Sein Ziel erreicht er über einen Umweg: Mit einem großen Plakat, auf dem die Ausreise für sich und seine Familie gefordert wird, postiert er sich so vor der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ostberlin, dass die Überwachungskameras ihn filmen. Nach wenigen Sekunden wird er verhaftet und weggebracht, doch sein Bild ist nun im Westen bekannt und er gilt als politischer Häftling. Anschaulich und emotional schildert Quester die Zeit, die auf seine Verhaftung folgt. Obwohl die Gefangennahme einkalkuliert war - er setzte auf die damals bekannte Praxis des Häftlingsfreikaufs durch die BRD - muss er feststellen, dass er der psychischen Belastung kaum gewachsen ist. Bewusst werden von denjenigen, die ihn vernehmen, Zweifel an der Treue seiner Frau geweckt. Ein Jahr nach seiner Verurteilung zu einer Haftstrafe wird Quster freigekauft und darf in den Westen ausreisen. Seine Frau und sein Sohn folgen wenige Wochen später.

Der Referent erzählt fesselnd von seiner Wut auf die Vertreter der Stasi, von seiner Verzweiflung, aber auch von Freundschaften und lustigen Erlebnissen. Seinen beeindruckenden Vortrag beendet Quester mit dem eindringlichen Appell, sich gegen Angriffe auf die Freiheit zu wehren und das eigene Leben selbst zu gestalten.