Die wandernde Kapelle von Kottingwörth

Pünktlich zu Mariä Himmelfahrt: Ein interessanter Blick in die Ortsgeschichte

14.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:52 Uhr
Steinerne Brücke mit Kapelle in der Mitte: Eine Ansicht von Kottingwörth, die es so seit 90 Jahren nicht mehr gibt. −Foto: Foto: Bildarchiv Landesamt für Denkmalpflege, Repro Wittmann

Kottingwörth (jwt) Normalerweise haben Bauwerke ihren festen Standort, und zwar von ihrer Errichtung bis zum Abriss. Nicht so die Kottingwörther Marienkapelle an der Altmühlbrücke. Abriss und Zerstörung haben ihr kein dauerhaftes Ende setzen können - unter anderem dank des Einsatzes einzelner Dorfbewohner.

Nachvollzogen werden kann die Geschichte dieser unsteten Kapelle, die seit alters her ein sehr schönes Gnadenbild der Mutter Gottes von der immerwährenden Hilfe beherbergt, aufgrund von diversen Aufzeichnungen in der Kottingwörther Ortschronik, die als Loseblattsammlung vorliegt. Auf diese Angaben stützen sich auch die früheren Zeitungsberichte von Willibald Betz.

Einst war die Kapelle an einem sehr ungewöhnlichen Standort zu sehen: Sie stand mitten auf der alten steinernen Brücke von Kottingwörth. Wann dieses imposante Bauwerk, das wie die kleine Schwester der Steinernen Brücke zu Regensburg ausgesehen hat, im Mittelalter erbaut wurde, ist leider nicht bekannt. Sie diente als wichtiger Altmühlübergang für den Salzhandel, denn durch das Dorf verlief eine der Salzstraßen von Reichenhall über Landshut nach Nürnberg. Daran erinnert heute die Bezeichnung "Alte Salzstraße" für die Dorfstraße, die über die Brücke Richtung Amtmannsdorf verläuft.

Die Kapelle mit ihrer ungewöhnlichen Position auf der Brückenmitte wird am schönsten von dem Brücken-Foto gezeigt, das ab Herbst 2016 in der Ausstellung "100 Jahre - 100 Bilder" in den fünf Jura-2000-Orten zu sehen war. Es wurde wohl um 1915 aufgenommen und stammt aus dem Bildarchiv des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege. Die malerische Brücke und damit auch die Kapelle wurden im Zuge der Altmühlregulierung im Jahr 1929 abgerissen. Ihre schmale Fahrbahn entsprach nicht mehr dem immer mehr zunehmenden Verkehrsaufkommen, zudem war die Brücke in einem schlechten baulichen Zustand, wie Filmaufnahmen von den Abrissarbeiten verdeutlichen. Ein weiterer Grund bestand darin, dass man durch die vielen Pfeiler der Brückenbögen den Hochwasserabfluss behindert sah.

Man weiß, dass die Kapelle erst später auf die Brückenmitte gesetzt wurde. Sie stammt nämlich nicht aus dem Mittelalter wie die Brücke selbst, sondern wurde erst im Jahr 1710 erbaut, wie ein Schriftstück aussagt. Aber warum? Hier ist nur von einem Versprechen der Ortschaft Kottingwörth die Rede. Worauf sich dieses konkret bezieht, wird leider verschwiegen. Naheliegend könnte ein Zusammenhang mit der Großen Pest von 1708 bis 1714 sein. Einen entsprechenden Hinweis gibt die Inschrift am unteren Rand des Gnadenbildes in der Kapelle: "Mit Deiner Hilf siehe uns an. Hunger und Pest wende hindan. Vorm Feind beschütze uns fortan. In Todt's-Noth nimm dich unser an."

In der Dorfchronik ist darüber unter anderem noch zu lesen: "Ungefähr auf der Mitte der Brücke stand eine Kapelle außerhalb des Geländers auf einem Brückenpfeiler. Auf Verlangen der Gemeinde wurde sie nach Abbruch der Brücke vom Staat am Brückenanfang von der Dorfseite her rechts wieder aufgebaut. Sie ist der Gottesmutter von der immerwährenden Hilfe geweiht." Das heißt, dass die Kapelle sehr bald wieder aufgebaut wurde, aber nicht mehr mitten auf der neuen Brücke, sondern an der Brückenauffahrt vom Dorfzentrum her. In der Dorfchronik heißt es dann weiter: "Bei Kriegsende, einige Tage vor Einzug der Amerikaner, also vor dem 24. April 1945, wurde diese zweite Brücke gesprengt und dabei auch die Kapelle zerstört. Aber auf Anregung und durch tatkräftige Unterstützung des Michael Burkhardt von hier wurde sie an der gleichen Stelle wieder aufgebaut." An anderen Stellen werden für die Sprengung der 21. April 1945 und für den Wiederaufbau das Jahr 1947 genannt.

Heute steht die Kapelle auf der anderen Seite der Altmühlbrücke, und zwar seit 1977. Diese erneute Positionsänderung erfolgte zwölf Jahre nach dem zweiten Brückenabriss und -neubau. Eine Abschrift der damals in die Kapelle mit eingemauerten Urkunde der ehemaligen Gemeinde Kottingwörth vom 23. Mai 1977, unterzeichnet vom damaligen Bürgermeister Rudolf Peter, bezeugt das Geschehen: "Im Jahre 1977, dem letzten Jahr der Eigenständigkeit der politischen Gemeinde Kottingwörth - am 1. Mai 1978 erfolgt die Eingliederung in die Stadt Beilngries - wurde im Zuge eines Ausbaus von Gehwegen innerhalb der Ortschaft an der Nord/West-Seite der 1965 neu erbauten Brücke die Kapelle abgerissen und hier an der Süd/Ost-Seite wieder aufgebaut. Der Bau wurde von der Firma Wein, Beilngries, ausgeführt, die auch den Auftrag für den Ausbau der Gehwege hatte.
Der Neubau erfolgte nach den alten Maßen und stellt die Kapelle in der alten Form wieder dar. Das alte Muttergottesbild, auf Holz gemalt, wurde bei dieser Gelegenheit von der Firma Preis, Parsberg, renoviert. Der Ausbau der Gehwege wie die Verlegung der Kapelle auf den heutigen Standort erfolgte im Auftrag der Gemeinde Kottingwörth. [?] Die Einweihung der Kapelle fand am Pfingstsamstag, den 28. Mai 1977 durch Herrn Pfarrer Distler statt. Die Kapelle, hier am Ufer der Altmühl und am Rande der harten Straße sei gemäß dem Versprechen der Ortschaft Kottingwörth vom Jahre 1710 auch weiterhin uns und unseren Nachkommen eine Stätte der Besinnung und des Schutzes und ein Wegweiser auf dem täglichen persönlichen Lebensweg!"

Auch der damalige Pfarrer Johann Distler fertigte eine Urkunde aus, datiert auf den 28. Mai 1977. Darin heißt es unter anderem: "Dank der Initiative des Herrn Bürgermeisters Rudolf Peter und des Gemeinderates wurde an dieser Stelle die Kapelle 1977 neu erbaut und das Gnadenbild renoviert. [?] Möge das Segensgebet seine Erfüllung finden: Allmächtiger, lebendiger Gott! Segne und heilige diese neue Kapelle, die zu Ehren der heiligen Jungfrau und Mutter Maria bestimmt ist. Wer vor diesem Bilde die heilige Jungfrau demütig preist und verehrt, der möge ihretwegen von der Gnadenhilfe in der Gegenwart und in der Zukunft ewige Herrlichkeit erhalten."

Es ist zu hoffen, dass damit die erzwungene kleine "Wanderschaft" der Marienkapelle beendet ist. Sie hat jetzt, überragt und beschattet von einer Birke und einem großen Weidenbaum, wohl ihren endgültigen Platz gefunden. Sie dient nicht nur immer wieder als Anlauf- und Ausgangspunkt bei kirchlichen Festen und Anlässen, vor allem bei Prozessionen. An dem einladenden Rastplatz am beschaulichen Altmühlufer erregt sie zu Recht auch die Aufmerksamkeit rastender Fahrradtouristen und von Bootsfahrern, die von ihrer wechselvollen Geschichte - einerseits durch Menschen gefährdet, andererseits von ihnen gerettet - nichts ahnen können.