Neumarkt
Die Rückkehr der Zirkusanfänger

Neumarkter Wohltätigkeitszirkus Sambesi gibt am Samstag Vorstellung in Heideck - Jahrzehnte nach Abfuhr im Rathaus

23.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:19 Uhr
"Mit Pause spielen wir genau zwei Stunden", kündigt Zirkusdirektor Karl Nidermayer an. Wegen des Champions-League-Finals beginnen die beiden Vorstellungen um 14 und 17 Uhr. Die drei weiteren Spielorte in der 31. Saison der Wohltätigkeitsartisten sind Beilngries im Juni, Berg bei Neumarkt im Juli und Neumarkt selbst im September. −Foto: Fotos: Circus Sambesi

Neumarkt (DK) Der Neumarkter Circus Sambesi kommt nach Heideck. Der Wohltätigkeitszirkus, der schon 700000 Euro für die Stiftung "Menschen für Menschen" eingespielt hat, gibt am Samstag zwei Gastspiele auf dem Festplatz an der Stadthalle - genau dort, wo vor drei Jahrzehnten die geplante Premierenvorstellung krachend platzte.

Seinen ersten und bislang einzigen Besuch im Heidecker Rathaus wird Karl Nidermayer sein Leben lang nicht vergessen. Der Hörgeräteakustikermeister aus Neumarkt, der Mitte der 1980er-Jahre den Circus Sambesi gründete, kam ins Büro des damaligen Bürgermeisters Benno Eckert, um sich eine Auftrittsgenehmigung zu holen. In Heideck, wo er einige Bekannte hatte, wollte sich Nidermayer mit seiner noch recht kleinen Zirkustruppe an die erste Vorstellung wagen. In seiner Heimatstadt Neumarkt sei ihm die Angst vor einer Schmach bei der Premiere viel zu groß gewesen, erzählt der heute 69-Jährige, dem eine andere Schmach damals aber nicht erspart blieb. "Der Bürgermeister hat mich hochkant rausgeschmissen."

Benno Eckert wollte den Circus Sambesi in seiner Stadt nicht haben. Was die kleine Hobbyartistentruppe aber nicht daran hinderte, trotzdem auf Heidecker Boden die Zirkuspremiere zu feiern. Albert Schilpp aus Selingstadt, ein Bekannter von Karl Nidermayer, stellte nach der Abfuhr im Rathaus kurzerhand seine Wiese zur Verfügung, um das Zirkuszelt aufzustellen. Messerwerfer, Lassoschwinger, Feuerschlucker und noch einige andere Artisten bekam das Premierenpublikum von den Neumarkter Zirkusanfängern geboten. Trotz des im Vergleich zu heute noch recht bescheidenen Programms kamen bei der ersten Vorstellung schon rund 600 Euro an Spenden zusammen.

"Dass wir ausschließlich für den guten Zweck auftreten, war von Anfang an klar", sagt Karl Nidermeyer, der seinen Zirkus nicht von ungefähr nach dem viertlängsten Fluss Afrikas benannt hat. Der Neumarkter war in seinem Leben viel in Afrika unterwegs und hat die dortige Not mit eigenen Augen gesehen. Dass er der Stiftung "Menschen für Menschen" von Karl-Heinz Böhm helfen will, war für Nidermayer nach der legendären "Wetten dass..?"-Sendung im Mai 1981 klar. Die Publikumswette mit dem Schauspieler Böhm lautete, dass nicht einmal ein Drittel der Zuschauer, die die Sendung in Deutschland, Österreich und der Schweiz sehen, bereit ist, nur eine Mark für die hungernden Menschen in der Sahelzone zu spenden." Das Spendenziel wurde zwar nicht erreicht, sodass Böhm seine Wette gewann, doch es kamen rund 1,2 Millionen D-Mark zusammen. Wenige Monate nach der Sendung flog Böhm erstmals nach Äthiopien und gründete am 13. November 1981 die Organisation "Menschen für Menschen". Von dem Geld, das die Neumarkter Artisten in den vergangenen 30 Jahren eingespielt haben, entstanden in Äthiopien unter anderem zwei Schulen, die den Namen des Zirkus Sambesi tragen.

An diesem Mittwoch stellte nun der Zirkus Sambesi zum ersten Mal sein Zelt auf dem Festplatz vor der Heidecker Stadthalle auf. "Das Hauptzelt dauert heutzutage zum Glück nur noch drei Stunden - und nicht mehr drei Tage wie damals in Selingstadt", erzählt Karl Nidermayer. Ohne zu wissen, wie man ein Zirkuszelt überhaupt aufbaut, kaufte sich Nidermayer damals ein Zweimast-Zelt in Italien. Von einem pensionierten Zeltmeister des berühmten Circus Krone in München ließ sich der Neumarkter Hobbyzirkusdirektor dann in groben Zügen erklären, wie er das in Einzelteilen gelieferte Zelt aufstellt. Das Fazit des damaligen Crashkurses: "Wenn das Zelt dreimal eingefallen ist, dann kommst du schon drauf." Nach über 130 Vorstellungen des Circus Sambesi braucht sich also niemand zu fürchten, dass das Zelt während der Show einstürzen könnte.

Dass die 31. Spielzeit der Neumarkter Zirkustruppe am kommenden Samstag in Heideck beginnt, hat übrigens nichts damit zu tun, dass Karl Nidermayer noch eine alte Rechnung mit dem Rathaus begleichen will. Es war vielmehr der blanke Zufall, dass sich Nidermayer und sein alter Bekannter Albert Schilpp im vergangenen Jahr zufällig wiedersahen. Bei der gemeinsamen Erinnerung an die Premiere in Selingstadt entstand dabei die Idee, dass Heideck doch endlich einer der vier jährlichen Spielorte werden sollte. Und dieses Mal wird es auch nicht am Rathaus scheitern. Für den seit 1999 geltenden Stadtratsbeschluss, wonach in Heideck kein Zirkus mehr auftreten darf, hat der amtierende Bürgermeister Ralf Beyer eine Ausnahme zugesichert.

Jochen Münch