Dietfurt
Die Ästhetik alter Dinge

Auf dem Dietfurter Flohmarkt wird gefeilscht und der Nostalgie gefrönt

10.06.2019 | Stand 02.12.2020, 13:46 Uhr
Bereits am frühen Morgen haben Anneliese und Horst Dörfler (oben, v.l.) aus Schwabach ihren Stand auf dem Dietfurter Flohmarkt aufgebaut. −Foto: Erl

Dietfurt (erv) Altes G'lump, unnützer Trödel? Die Menschen hinter den wackeligen Tapetentischen und improvisierten Ladentheken schütteln sich innerlich, wenn Flohmarktbesucher so abfällig über ihre Schätze reden. Wer seit 25 Jahren so leidenschaftlich frühmorgens um 2.30 Uhr aufsteht wie Anneliese und Horst Dörfler aus Schwabach, nur um ab fünf Uhr seinen Stand in Dietfurt aufzubauen, für den haben die alten Sachen weit mehr Inhalt, als nur alter Plunder zu sein.

 

 

Auf dem gut vier Meter breiten Warentisch der beiden Rentner steht ein kunterbuntes Sortiment aus fast allem, was einen Flohmarkt im Kleinen ausmacht. Bunte Schuko-Autos und Wärmflaschen aus Blech tummeln sich inmitten etwa 100 anderer Kleinteile neben einem Sarottimohr aus Porzellan und Kerzenhaltern aus Messing. Alles Dinge, deren Glanzzeit schon einige Jahrzehnte zurück liegt. Für die beiden Rentner aber steckt in jedem einzelnen Objekt Herzblut drin. Schließlich hat er sie als Fahrer bei der Sperrmüllabfuhr jahrelang gesammelt. "Das ist mehr Hobby als Geld verdienen und jeder Flohmarkt hat seinen eigenen Charakter. In München beispielsweise ist der Menschenschlag ganz anders, da unterhält man sich mit den Kunden auch mal stundenlang", erzählt Horst Dörfler.

Die Gespräche und Fachsimpeleien sind den beiden unheimlich wichtig. Denn hinter jedem Ladentisch auf dem weitläufigen Volksfestgelände in Dietfurt und zumeist auch in jedem potenziellen Kunden davor steckt eine eigene und manchmal sogar recht spannende Lebensgeschichte. Es ist ein eigener Kreis von Leuten, die dieses Trödelflair brauchen und immer wieder suchen. Starre Regeln benötigt niemand, alles ist in Bewegung. Menschengruppen sind am Plaudern oder Feilschen und feste Preise gibt es ohnehin nur am Würstlstand.

Michael Schneider aus Mühlhausen hat an seinem Stand gleich am Markteingang nur alte Schaufeln, verrostete Gabeln und Eisenkleinteile. "Die bleiben auf den Bauernhöfen gerne mal übrig und 50 Jahre alte Metalle sind zu schade, um weggeworfen zu werden", philosophiert der Mittvierziger. Er verkaufe sie für ein bis zwei Euro. "Hauptsache sie kommen nicht in den Schrott. Die alten Sachen haben eine eigene Ästhetik, manches davon ist ein kleines Fenster in die Geschichte", lautet die nostalgische Überzeugung dahinter, die Schneider vertritt.

Seine Kunden sind Leute, die gerne sparen und günstig einkaufen wollen. Dabei ist ihm so ein Flohmarkt allemal lieber als eine weltweite digitale Plattform. "Die Kaufabwicklung auf einem Flohmarkt ist weit effizienter als im Internet und macht obendrein noch viel mehr Spaß. Der Unterhaltungswert ist viel höher als bei jedem Fernsehprogramm", sagt der charmesprühende Verkäufer und zwinkert mit den Augen.


In den Gassen zwischen den Ladenbuden dominiert derweil entspannte Gelassenheit. Menschen bummeln ohne Hast entlang, begutachten alte Langspielplatten, prüfen die Qualität aufpolierter Lederstiefel oder haben sich in ein altes Uhrwerk verguckt. Nichts auf dem gesamten Areal stammt aus der neuen Zeit und selbst die angebotenen Videospiele haben einen nostalgischen Touch. "Wir suchen eine alte Lampe für unseren Grillplatz. Selbst wenn wir nichts finden, war es doch ein schöner Vormittag", sagt Heidi Berthold (33) aus Töging. Sie ist mit ihrem Mann und den zwei Kindern unterwegs. Während sie noch den Blick über altes Porzellan wandern lässt, zerrt der kleine Xaver an ihrer Hand derweil kräftig zu den gegenüberliegenden Kinderspielsachen. Dabei haben sie alle Zeit der Welt, denn Hektik und Trödel vertragen sich nicht.

Junge Gesichter sind in der Schar der Besucher selten zu finden. Martin Simon (24) und seine Freundin Michaela Obermeier (23) sind da eine Ausnahme. "Man weiß nie, ob man etwas findet. Dabei findet man hier eigentlich alles - auch das, was man nicht sucht", meint Martin vielsagend. Die beiden schlendern des öfteren über Flohmärkte und genießen das ganz besondere Gefühl eines wie aus der Zeit gefallenen Warenmarktes. Sie wissen, dass man diese spezielle Stimmung nur durch eigenes Erleben erspüren kann.