Beilngries
Bürgermeister Schloderer zieht 100-Tage-Bilanz

Rathauschef äußert sich im Interview zu den Stadtfinanzen, zur Juraleitung und zur CSU-Mehrheit im Stadtrat

07.08.2020 | Stand 02.12.2020, 10:48 Uhr
Für den heimischen Garten bleibt nicht mehr so viel Zeit wie früher - in Helmut Schloderers Amtsstube hat aber inzwischen das Grün Einzug gehalten. −Foto: F. Rieger

Beilngries - Genau 100 Tage ist Helmut Schloderer (BL/FW) an diesem Samstag als Beilngrieser Bürgermeister im Amt. Zeit, um eine erste Zwischenbilanz zu ziehen. Im Gespräch mit unserer Zeitung erläutert Schloderer unter anderem, wie er bislang die Zusammenarbeit mit der absoluten CSU-Mehrheit erlebt. Die Juraleitung, der Tourismus und die angespannte Finanzlage sind ebenfalls Themen der 100-Tage-Bilanz. Und der Bürgermeister verrät, wie viel Zeit noch bleibt für Spaziergänge zu einem seiner Lieblingsplätze: dem Arzberg.

 

Herr Schloderer, als Sie im Wahlkampf für ein Gespräch mit unserer Zeitung Ihren Lieblingsplatz aussuchen sollten, fiel die Wahl auf den Arzberg. Man könne von dort aus so schön mit den Augen durch die Stadt wandern, haben Sie gesagt. Nach 100 Tagen im Amt: Wie viel Zeit bleibt noch für den Lieblingsplatz und solche "Wanderungen"?

Helmut Schloderer: Seit dem 1. Mai war ich noch zweimal oben. Es gibt schon noch Gelegenheiten, um hochzugehen. Aber sie sind definitiv seltener geworden.

Einen solchen Einstieg ins Amt wie Sie hat jedenfalls noch kein anderer Beilngrieser Bürgermeister erlebt - Stichwort Corona.

Schloderer: Und ich wünsche es auch keinem. Wir hätten jetzt vor Kurzem das Altstadtfest gehabt und wären in den letzten Zügen der Volksfestvorbereitung. Das fehlt nicht nur mir, sondern auch den Bürgern. Wir hatten Sondersituationen an den Schulen. Nach den Ferien kann es dort hoffentlich einigermaßen in geregelten Bahnen weitergehen. Man merkt, dass in dieser Situation viele Dinge nur sehr begrenzt planbar sind. Jetzt hoffen wir, dass wir halbwegs gut durchkommen und keine markante zweite Welle erleben.

Lassen Sie uns gedanklich noch einmal ein paar Monate zurückgehen. Sie kennen die Kommunalpolitik, haben sich vor der Kandidatur sicher viele Gedanken über das Bürgermeisteramt gemacht - und dann kommt genau zum Zeitpunkt der erfolgreichen Wahl die Corona-Pandemie. Das hat auch für Sie alles verändert, oder?

Schloderer: Absolut richtig. Aber diese Herausforderung hat ja sehr viele Bürger getroffen. Selbstständige, Schulen - das hat die ganze Gesellschaft erreicht. Und viele sind persönlich deutlich stärker betroffen als ich. Wir müssen jetzt zusehen, dass wir als Gesellschaft gut durch diese Zeit kommen - und wir die Folgen, die wir noch lange spüren werden, miteinander abfangen.

Eine ganz deutliche Auswirkung hat die Coronakrise bereits auf die Stadtfinanzen gehabt. Sie haben im Wahlkampf angesichts der anstehenden Großprojekte immer von einem vollen Rucksack gesprochen, den der neue Bürgermeister umgeschnallt bekommt. Da sind jetzt noch ein paar Wackersteine mit hineingekommen.

Schloderer: Ja. Es gibt ja viele Maßnahmen, die schon am Laufen waren - Mittelschulsanierung, Kindergartenneubau, eine in diesem Haushalt noch enthaltene Million Euro für die Umgehungsstraße. Es war klar, dass wir nicht so aus dem Vollen schöpfen können, wie das zuletzt der Fall war. Und jetzt ist eben nochmal eine Stufe draufgekommen, die uns zusätzlich einschränkt. Ich bedauere es zutiefst, dass gerade für solche Vorhaben, die wir ja alle im Wahlkampf betont haben, wie das Gemeindeentwicklungskonzept, das Geld einfach nicht da ist. Aber wir können es nicht aus dem Hut zaubern.

In der Liste der verschobenen oder auf Eis gelegten Vorhaben schmerzt die Grundschulerweiterung sicher am meisten. Wenn es hier zu einer gravierenden Verzögerung kommt, heißt die Konsequenz letzten Endes: Container. Wie ist die Sachlage?

Schloderer: Wir sind in guten Gesprächen mit der Grundschulleitung und auch der Elternvertretung. Zur Klarstellung: Die kleine Lösung, die vom Stadtrat jetzt favorisiert wird, ist nicht eine technisch kleine, sondern die kostenmäßig kleine Lösung. Es geht um den Rahmen, in dem wir uns bewegen. Und jetzt müssen wir gemeinsam mit der Schulleitung schauen, dass wir die vorliegenden Pläne so konfigurieren, dass wir zeitnah vorankommen können.

Im Gegensatz zur Kleinkindbetreuung, wo es gewisse Schwankungen gibt, ist es bei der Grundschule ja jetzt schon relativ klar, wann der Platz nicht mehr reicht.

Schloderer: Und wir werden Lösungen finden. Ob die Schule dann fertig ist oder wir übergangsweise noch für ein Jahr Container brauchen, muss sich zeigen. Wir wollen definitiv erreichen, dass es für die Kinder möglichst wenige Belastungen gibt. Was aber auch noch zu bedenken ist: Durch die Corona-Thematik gibt es jetzt plötzlich ganz andere Anforderungen an Schulräume. Deshalb können wir zwar nicht alle Planungen umwerfen, aber manches kann man jetzt vielleicht doch noch anders gewichten.

Coronakrise, finanzielle Herausforderungen, strittige Sachthemen - bereuen Sie manchmal die Entscheidung, für das Bürgermeisteramt kandidiert zu haben?

Schloderer: Ich bereue es in keiner Weise. Klar, man trägt eine Menge Verantwortung. Das mag auf der einen Seite belastend sein, auf der anderen Seite macht es aber Freude. Und trotz der eingeschränkten finanziellen Mittel hat man Gestaltungsmöglichkeiten. Dankbar bin ich meinen Mitarbeitern, die mir eine gute Einarbeitung ermöglicht haben. Ich erlebe motivierte Leute, die ihre Ideen einbringen. Und was mir grundsätzlich ganz wichtig ist: Das Netzwerke knüpfen auf verschiedensten Ebenen. Was die Aufgabe des Bürgermeisters herausfordernd, aber auch schön macht, ist die Bandbreite an Themen. Und wenn man dann mit Argumenten Verständnis erzielen kann, dann sind das die schönen Momente. Aber dass man nicht jeden glücklich machen kann, das ist im Berufsbild vieler so. Wenn Sie heute einen Artikel schreiben, ist morgen auch irgendeiner Ihrer Leser unglücklich.

Wenn man in der Öffentlichkeit steht, ist das so. Da gibt es dann eben Entscheidungen, bei denen man vorher weiß: Irgendjemand wird unzufrieden sein. Sie haben das jüngst beim Campingplatz erfahren, oder?

Schloderer: Das ist ein gutes Beispiel. Ich spreche da gerne von einem Eisberg. Wenn ein Bürger nur die Spitze sieht, dann kann ich gut nachvollziehen, dass er sich fragt: Warum verpachten die das jetzt langfristig? Aber man kann eben nicht alle Details, die im bisherigen Vertrag drin waren, die im neuen Vertrag stehen und auch die wirtschaftlichen Aspekte öffentlich diskutieren. Wenn wir das bei jedem Pachtvertrag, den die Stadt abschließt, machen würden, dann würden wir erst einmal gegen den Datenschutz verstoßen. Und zweitens wären auch nie alle damit einverstanden und man wäre nicht mehr handlungsfähig. Ich kann nur sagen: Ich habe diese Diskussion im Stadtrat als sehr konstruktiv erlebt. Und es war das erste Mal in meiner Zeit von nun mehr als zwölf Jahren im Stadtrat, dass man - nicht-öffentlich - einen Pachtvertrag Wort für Wort vom Anfang bis zum Ende durchgegangen ist. Das war mir wichtig, weil es ein Meilenstein der Politik in Sachen Campingplatz ist. Und weil mir klar war, dass es Diskussionen mit den Bürgern geben kann und wird - und dass man den Stadtrat entsprechend darüber informieren muss, damit er die Diskussionen auch aushält.

Viele Diskussionen gibt es auch zu einem anderen Thema: der Juraleitung. Sie haben sich klar positioniert, das Ziel ist die Komplettverhinderung. Dazu stehen Sie weiterhin?

Schloderer: Unbedingt. Das Letzte, was wir machen dürften, wäre, dass wir jetzt Diskussionen über Trassenführungen anstellen. Das wäre genau das, was die Planer gerne hätten: Dass wir uns jetzt mit Dietfurt beschäftigen, Dietfurt beschäftigt sich mit Berching, Berching beschäftigt sich mit uns. Diese Hin-und-her-Schieberei wäre der größte Blödsinn. Dann wären wir nur mit uns selbst beschäftigt und niemand würde darauf achten, wie eigentlich geplant wird. So lange es geht, müssen wir eine gemeinsame Front aufbauen. Man muss sehen, auch dank der Bürgerinitiativen: Hier gibt es Leute, die aufpassen, was da gemacht wird.

Die Frage nach einem Plan B für den Fall, dass die Leitung doch gebaut wird, ist Ihnen schon mehrfach gestellt worden.

Schloderer: Wir haben uns im Kreise der Bürgermeister schon abgesprochen, dass wir uns in einem solchen Fall juristischen Beistand holen für den Prozess des Planfeststellungsverfahrens. Damit da keine Planungsfehler passieren und nichts auf die Schnelle durchgedrückt wird.

Ein Streit zwischen den Gemeinden rund um potenzielle Verläufe soll also unter allen Umständen vermieden werden?

Schloderer: Was würde das denn momentan bringen - außer, dass man einzelne Dörfer gegeneinander aufhetzt?

Es wäre eine logische Reaktion, zu versuchen, die Leitung möglichst weit wegzuschieben, und das ist vor einem Jahr zwischen Dietfurt und Beilngries ja auch passiert. Das ist definitiv nicht Ihr Kurs?

Schloderer: Das würde zum jetzigen Zeitpunkt nichts bringen, außer Streit. Man muss Themen strukturiert bearbeiten. Jetzt geht es darum, gemeinsam der Tennet zu zeigen: Hier kann man nicht einfach durchmarschieren.

Ein anderes Thema, das in Ihren ersten 100 Tagen schon ein paar Schlagzeilen hervorgebracht hat, ist der Tourismus. Zwischenzeitliche Kurzarbeit im Touristikbüro, der Touristikchef verlässt Beilngries. Provokant gefragt: Verliert der Tourismus in Beilngries an Bedeutung?

Schloderer: Der Tourismus spielt eine wesentliche Rolle in Beilngries und wird sie weiter spielen müssen. Wir erleben gerade, wie ein Automobilhersteller, an dem sehr viel in unserer Region hängt, schwächelt. Und da sind wir an einem Punkt, wo ich sage: Nach der Gebietsreform waren es in Beilngries ein paar geniale Köpfe, die den Tourismus angeschoben und zu einem Wirtschaftsfaktor gemacht haben. Wir erleben auch jetzt, welches Potenzial das Ganze hat.

Weil in Corona-Zeiten viele den Urlaub oder auch den Tagesausflug nahe der Heimat wieder mehr schätzen lernen?

Schloderer: Man muss sich nur mal die Nummernschilder ansehen: Nürnberg, Augsburg, Erlangen. Es wäre absolut erstrebenswert, wenn wir einen Teil dessen verstetigen könnten, was sich momentan abspielt. Und zwar nicht nur in Ferienzeiten. Und dann müssen wir schauen, wo wir uns hinentwickeln. Ob wir jemals komplett dieses alte Niveau wieder erreichen? Tagungstourismus, Veranstaltungen - es kann sein, dass wir uns alle miteinander sortieren und andere Schwerpunkte setzen müssen. Wir erleben vielleicht eine Zeitenwende, mit Chancen und Risiken. Andere Gemeinden schlafen jedenfalls auch nicht. Es wäre daher fahrlässig, wenn wir unser Potenzial nicht ausschöpfen.

Und in Sachen Touristikchef: Wie sind da die Ziele?

Schloderer: Es ist wichtig, dass wir eine Persönlichkeit finden, die Führungsstärke hat, die Ideen entwickelt und die in der Lage ist, das Potenzial aus dem guten Team rauszuholen.

Team ist ein passendes Stichwort. Sie haben direkt nach dem Wahlsieg betont, dass nun nicht die Zeit für Grabenkämpfe sei. So mancher Beilngrieser dürfte aber daran gezweifelt haben, ob das klappen kann: Ein Bürgerliste-Bürgermeister gegen eine absolute CSU-Mehrheit im Stadtrat.

Schloderer: Das Wort "gegen" stößt mir auf. So erlebe ich das momentan ganz klar nicht, sondern als Miteinander. Das ist zwar manchmal ein bisschen herausfordernder, als wenn man Mehrheiten hat. Aber: Wir haben miteinander einen Auftrag bekommen. Und grundsätzlich ist es auch absolut legitim, wenn eine Opposition - sofern sich die CSU als solche sieht - eigene Akzente setzt.

Genau das hat CSU-Fraktionssprecher Johannes Regnath bei seiner Haushaltsrede auch von Ihnen eingefordert. Sie sollen über das bislang gut gemeisterte Moderieren hinaus eigene Ideen entwickeln.

Schloderer: Ich kann die Aussage verstehen, aber ich muss auch sagen: Ich erwarte nicht nur von mir die Ideen, sondern da sind wir alle gefordert. Ich als Bürgermeister, die Verwaltung und auch der Stadtrat in seiner Gesamtheit. Es ist doch nicht so, dass hier nur einer die Ideen haben darf - und der wird dann dafür gelobt oder kritisiert. Es ist unsere Gesamtaufgabe, Beilngries voranzubringen, und keine Ein-Mann-Show. Dass ich dann der bin, der die Ideen auf den Weg bringen muss, ist klar.

Unabhängig davon verläuft die Zusammenarbeit im Stadtrat bislang aber tatsächlich sehr harmonisch. Wie groß ist die Hoffnung, dass das auch noch so ist, wenn die nächste Kommunalwahl näher rückt?

Schloderer: In dem bisherigen Stil könnten wir locker durchfahren. Dass vor einer Wahl die Bühne natürlich anders genutzt wird, ist zu erwarten. Aber die Frage ist immer: In welchem Stil macht man das Ganze? Bislang ist es definitiv so, dass alle das Wohl der Bürger und der Stadt in den Mittelpunkt stellen.

In diesem Sinne: Wenn wir uns im Mai 2023 zur Halbzeitbilanz auf dem Arzberg treffen, was sollen wir dann an verwirklichten Projekten sehen, wenn wir die Augen durch Beilngries wandern lassen?

Schloderer: Wenn wir in drei Jahren von dort oben herunterschauen, sehen wir aus dieser Perspektive definitiv einen neuen Kindergarten. Und ich bin guter Dinge, dass wir dann auch schon bauliche Entwicklungen auf dem Grundschulareal sehen werden. Alles andere wäre momentan noch ein Blick in die Glaskugel.

 

Das Gespräch führte Fabian Rieger.