Beilngries
Am Wolf scheiden sich die Geister

Bei einem Bund-Naturschutz-Vortrag entwickelt sich eine hitzige Debatte - Schäfer warnen vor Gefahren für ihre Tiere

15.10.2018 | Stand 02.12.2020, 15:27 Uhr
Fürsprecher und Gegner hat der Wolf. −Foto: Stratenschulte/dpa

Beilngries (rgf) "Wir müssen lernen, mit dem Ureinwohner Wolf zu leben." Unter diesem Motto hat bei der Beilngrieser Ortsgruppe im Bund Naturschutz ein Informationsabend stattgefunden. Dass ein solches Zusammenleben funktionieren kann, zogen anwesende Schäfer massiv in Zweifel.

Bei Naturschutzthemen ist es in der Regel so, dass die Grundziele recht unumstritten sind. Wer möchte schon ernsthaft dagegen argumentieren, dass es wichtig ist, Tier- und Pflanzenarten zu schützen und zu erhalten? Das Problem besteht eher darin, genügend Menschen dafür zu gewinnen, sich intensiv mit der Thematik auseinanderzusetzen. Beim Thema Wolf ist es genau anders herum. Das Interesse ist recht groß. Allerdings prallen hier bisweilen völlig konträre Meinungen aufeinander, wie sich nun auch bei einem Vortragsabend der Beilngrieser Ortsgruppe im Bund Naturschutz gezeigt hat.

Willi Reinbold, seines Zeichens Wolfsbeauftragter für Bayern des Landesbundes für Vogelschutz (LBV), war als Referent geladen. Seinen Vortrag stellte er unter das Motto "Der Wolf kehrt zurück nach Bayern - Wir müssen lernen, mit dem Ureinwohner Wolf zu leben". Rund 40 Zuhörer waren gekommen, BN-Ortsgruppen-Vorsitzender Hubert Stockmeier bedankte sich für das "große Interesse". Auch eine stattliche Gruppe Nutztierhalter - sprich Schäfer - aus der Region hatte sich eingefunden. Bei ihnen kam Reinbold mit seinen Erläuterungen nicht recht gut an, wie sich zeigen sollte.

Der LBV-Wolfsbeauftragte erklärte in seinem knapp zweistündigen Vortrag jede Menge rund um den Wolf. Über allem stand die klare Aussage, dass der "Ureinwohner" bereits nach Bayern zurückgekehrt sei - und dass die Zahl der Tiere in den kommenden Jahren steigen werde. Unanfechtbare Gesamtzahlen könne man nicht liefern, so Reinbold. Es gebe immer wieder Mitteilungen, dass Menschen einen Wolf gesehen haben - heuer allein fünf Stück im Landkreis Eichstätt. "Die Meldungen häufen sich", so der Referent. Allerdings könne man in diesen Fällen nicht von Beweisen, sondern nur von möglichen Sichtungen sprechen. Andernorts gebe es durch Kot, Fotos und andere Spuren aber schon eindeutige Nachweise. Die Voraussetzungen seien auch passend, so Reinbold. Damit sich ein Lebewesen an einem Ort ansiedle, seien drei Aspekte entscheidend: Verfügbarkeit von Futter, Schlafplatz und das Gefühl, nicht gestört zu werden. Dies sei in Deutschland gegeben. Als Gründe, warum der Wolf überhaupt in die Bundesrepublik zurückgekehrt sei, nannte Reinbold, dass diese Tierart international inzwischen streng geschützt sei und in der Gesellschaft ein anderer Umgang mit der Natur als in früheren Zeiten gepflegt werde. Die Wölfe hätten demnach vom Menschen nichts zu befürchten. Da sie sehr weit wandern können, in einer Nacht beispielsweise über 70 Kilometer, sei es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis der Wolf auch nach Deutschland zurückkehrt. Und nicht zuletzt sei die Anzahl der Beutetiere gestiegen.

Dazu erläuterte der Referent, dass sich der Wolf zu mehr als 90 Prozent von Wildtieren ernähre. Er "schlage" 1,7 bis zehn Kilogramm am Tag, pro Mahlzeit im Schnitt drei Kilogramm. Zwei Drittel davon fresse er selbst, auch Fell und Knochen. Der Rest gehe an andere Fleischfresser, die sich ihren Anteil klauen, beispielsweise Fuchs oder Bär. Nicht verschweigen dürfe man, dass ein Wolf grundsätzlich auch vor Nutztieren nicht Halt mache. Allerdings gebe es hier umfassende Schutzmöglichkeiten, so Reinbold.

Er forderte, dass jede Schafherde mit einem entsprechend starken Elektrozaun und zusätzlich mit ausgebildeten Herdenschutzhunden vor Wolfsangriffen geschützt werde. Sowohl den finanziellen als auch den zeitlichen Aufwand müsse der Staat den Schäfern ersetzen, so Reinbolds deutliche Forderung.

An diesem Punkt entzündete sich in Beilngries eine längere Diskussion, immer wieder äußerten einige Schäfer ihren Unmut. Vor allem Johann Georg Glossner aus Neumarkt, der öffentlich bereits mehrfach vor dem Wolf gewarnt hat, übte deutliche Kritik an dem Vortrag. Reinbolds Zahlen seien veraltet, die Inhalte nur zum Teil korrekt, das Gehörte insgesamt "mäßig". Reinbold verwies darauf, dass er nur amtlich bestätigte Zahlen und keine Vermutungen vorstellen könne. Stockmeier ermahnte Glossner, die Diskussion nicht auf die Ebene solcher Vorwürfe zu bringen. Der Schäfer legte aber auch inhaltlich nach: "Einen wolfssicheren Zaun gibt es nicht. Der Wolf wird es uns unmöglich machen, Tiere zu halten." Ein anderer Schäfer verwies darauf, dass die Existenz eines Nutztierhalters bedroht sein könne, wenn ein Wolf eine Herde auseinander und beispielsweise auf eine Straße treibe, wo dann Menschen bei Unfällen verletzt werden oder gar sterben.

Reinbold betonte, dass es in Europa bereits Gegenden gebe, in denen das Zusammenleben mit dem Wolf funktioniere. Es gebe sehr wohl funktionierende Schutzmöglichkeiten. Unbedingt notwendig sei aber, und da stehe er auf der Seite der Schäfer, eine komplette Übernahme der finanziellen Zusatzaufwendungen durch die Allgemeinheit, sprich den Staat. Der Klage eines Zuhörers, dass man bereits seit Jahren mit der Politik diskutiere, dabei aber nichts rauskomme, könne man nicht widersprechen, so Stockmeier und Reinbold. Überzeugt war ein Teil der Schäfer in der Zuhörerschaft von den Ausführungen nicht, ein paar verließen vorzeitig die Veranstaltung.

Reinbold betonte, dass es eine klare rechtliche Vorgabe gebe, wonach Wölfe schützenswerte Tiere seien. Solange kein günstiger Erhaltungszustand erreicht sei - also noch nicht genügend Wölfe vorhanden seien, um ein Aussterben zu verhindern - dürfe nur in einem Sonderfall geschossen werden. Solche Ausnahmesituationen gebe es bei sogenannten Problemwölfen, die sich - zum Beispiel, weil sie gefüttert wurden - Menschen nähern. In solchen Fällen sei auch er für einen Abschuss dieses eines Wolfes, so der Referent, denn: "Einen Problemwolf können wir uns nicht leisten." Grundsätzlich hätten Menschen aber nichts zu befürchten, betonte Reinbold. "Der Wolf ist kein Kuscheltier", sagte er. Er greife aber auch keine Menschen an.

Insgesamt plädierte der Referent klar dafür, dass die Menschheit wieder lernen müsse, mit dem Wolf zu leben. Dass dies nicht ohne große Diskussionen möglich sein wird, hat sich beim Vortragsabend in Beilngries eindeutig gezeigt.