Ingolstadt
Zu einer Bewährung führt kein Weg

Betrügerischer Bierladenbetreiber muss ein Jahr und elf Monate ins Gefängnis - Bald 15 Vorstrafen

28.10.2019 | Stand 23.09.2023, 9:12 Uhr
Mit diesem vielsagenden Schreiben im Schaufenster an der Ziegelbräustraße verabschiedete sich der jetzt vom Landgericht verurteilte Bierschmankerl-Betreiber seinerzeit aus Ingolstadt. Die genannten "nicht überwindbaren Differenzen" mit der Stadtverwaltung bestanden unter anderem in einer seit 2005 gegen den bald 15-fach vorbestraften Mann bestehenden Gewerbeuntersagung. Ein Geschäft in Eichstätt gab es genau aus diesem Grund auch nie. −Foto: DK-Archiv

Ingolstadt (DK) Kann er sich nun als moralischer Sieger der Berufungsverhandlung fühlen und dadurch seine Taten weiter herunterspielen?

Oder nimmt er sich die inzwischen 15. Verurteilung seines Lebens doch zu Herzen und biegt auf den Pfad der Tugendhaften ein? Wenn auch nicht ausgeschlossen, so dürften die Aussichten für Letzteres bei dem ehemaligen Betreiber eines Bierfachgeschäfts in Ingolstadt ehrlicherweise ziemlich schlecht stehen. Dafür hat der 44-jähriger Sachse wohl bereits zu viel auf dem Kerbholz und einen Lebensstil eingeschliffen, der ihn zwangsläufig und fast notorisch in Konflikt mit dem Gesetz bringt. Fast zweistellig ist seit gestern die Zahl der Verurteilungen alleine wegen Betrugs, die sich in den vergangenen gut 20 Jahren bei ihm angesammelt haben. Gestern kam eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten hinzu, die der Mann - obwohl er sicherlich, wenn auch völlig unverständlich, mit einer Bewährungsstrafe geliebäugelt hatte - absitzen werden muss. Der Knast ist ihm auch nicht fremd, da ihn bereits mehrere seiner Verfehlungen dorthin gebracht haben. Teils auch, da er die gewährten Bewährungschancen der jeweiligen bayerischen Gerichte samt und sonders vergeigt hat. Als "Bewährungsversager" habe der 44-Jähriger bisher "noch keine einzige Bewährung unfallfrei durchgestanden", fasste gestern der Vorsitzende Richter Jürgen Staudt am Ingolstädter Landgericht zusammen. Zu einer Bewährung in dem Fall jetzt führe folglich kein Weg.

Das wäre auch für die Öffentlichkeit kaum zu vermitteln gewesen ("Das völlig falsche Signal"), wie auch Staatsanwalt Steffen Kill über die Machenschaften des Angeklagten sagte, der in der zweiten Instanz allerdings doch deutlich besser davon kam als noch heuer Anfang des Jahres am Amtsgericht in Ingolstadt.

Dort war der Möchtegern-Geschäftsmann noch wegen vielfachen Betrugs und anderer Delikte zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Daran gemessen hat sich der Einspruch, der nun mit einem satten Rabatt kommt, schon gelohnt. Das Landgericht nahm sich noch einmal zwei Tage Zeit, um die Vorwürfe abzuklopfen. Unter anderem ging es um Bierlieferungen im Wert von mehr als 8000 Euro , die der Ladenbetreiber in den Jahren 2015 und 2016 bestellt hatte, obwohl seine Firma de facto pleite war und ihm das auch bewusst gewesen sein musste. Seine Gläubiger hielt er immer wieder mit Ausreden und Lügen hin - wie dass die Bank nicht überwiesen habe, was irgendwann natürlich doch auffiel.

Eine Strategie, die sich ebenfalls durch sein Leben zu ziehen scheint, wie die Vielzahl an einschlägigen Vorahndungen zeigt. Verteidiger Reinhard Riedl verwies auf eine "kaufmännische Unbedarftheit" seines Mandaten, der sich durchwurstelte, als das Geld knapp wurde. Der gelernte Maler und Lackierer und ausgebildete Berufskraftfahrer hat keinerlei kaufmännische Ausbildung und versucht sich trotzdem immer wieder als Unternehmer. "Der klassische Betrüger ist er nicht", sagte Riedl, wobei der Anwalt angesichts der gewaltigen Zahl an Vorverurteilungen und des Geschäftsgebarens seines Mandanten die Antwort schuldig blieb, wie ein notorischer Betrüger denn sonst aussehen sollte.

Es sei nur "die absolute Spitze des Eisbergs" an Vorwürfen gewesen, die den Weg in die Anklagen der Staatsanwaltschaften aus München und Ingolstadt gefunden habe, sagte wiederum Richter Staudt. Immerhin hatte der Bierhändler seinen Laden eröffnet, obwohl gegen ihn seit 2005 (! ) eine Gewerbeuntersagung durch das Landratsamt Dachau vorliegt. "Über Ihnen schwebte immer das Damoklesschwert, dass Ihnen von heute auf morgen der Laden dicht gemacht wird", sagte Staudt. Und trotzdem setzte der Mann sein Treiben fort. Wobei die Ermittlungsbehörden viele kleinere Fälle aus Ingolstadt angesichts der gewichtigeren Vorwürfe eingestellt und damit von deren Verfolgung abgesehen hätten.

Auch im Prozess kamen noch einmal ganze Tatkomplexe weg, die nach vier Jahren für das Gericht einen unverhältnismäßig großen Aufwand bedeutet hätten, um sie restlos aufzuklären. Bei anderen Teilen waren auch die Zeugenaussagen der Geschädigten nach dieser langen Zeit lückenhaft. So kapselte das Gericht den ganzen Mietärger um ein Objekt in der Ingolstädter Innenstadt ab, für das der Angeklagte nur eine Rate bezahlt hatte und dann nichts mehr. Er musste aus den Räumen rausgeklagt werden. Ebenso blieben Expansionspläne mit einem Bierladen in Regensburg sowohl tatsächlich als auch juristisch auf der Strecke. Der Angeklagte hatte sich die offenbar vereinbarte Kaution in Höhe von 3000 Euro für ein Mietobjekt von reichlich unbedarften Untermietern und Geschäftspartnern einverleibt. Moralisch schnell zu verurteilen, aber strafrechtlich aufgrund von lückenhaften Verträgen schwer zu ahnden.

Während das Amtsgericht diese Fälle noch geahndet hatte und im Urteil aufführte, fielen sie am Landgericht nun weg. An einer per Absprache zwischen den Prozessbeteiligten im Gegenzug für ein Geständnis grundsätzlich vereinbarten Strafhöhe von um die zwei Jahren ändere das aber letztlich nichts, betonte Staudt.

Das lag mit daran, dass sich auch für die Verteidigung sehr erhellende Details in der Bewährungsakte des Bierhändlers fanden, die der Richter angefordert hatte. Dort fand der Richter, wie er gestern ausbreitete, ein noch nicht rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Landshut gegen den Anklagten heuer aus dem Mai: weitere zehn Monate Gefängnis, da der Angeklagte als Abholfahrer eines Dienstleisters in drei Fällen die Tageseinnahmen von Filialen einer Bäckereikette aus der Region unterschlagen und sich damit fast 3500 Euro gesichert hatte. Fast müßig zu erwähnen, dass er sich auch diese Aktion in offener Bewährung zuschulden hat kommen lassen - und zudem in die fremde Kasse griff, als die ganze Dimension der Ermittlungswelle in Ingolstadt schon abzusehen war.

Christian Rehberger