Beilngries
Zu Besuch bei einem Beilngrieser Original

Hermann Brand gewährt einen Einblick in seine Raritäten-Sammlung

27.05.2021 | Stand 23.09.2023, 18:51 Uhr
Wochen, ja Monate könnte man bei Hermann Brand verbringen - und es würde doch nie langweilig. Der 87-jährige Beilngrieser lebt in seinem eigenen "Privatmuseum". Und er kennt zu allen Raritäten besondere Geschichten oder Hintergrundinformationen. −Foto: F. Rieger

Beilngries - Es gibt viele besondere Orte in Beilngries. Aber wer schon einmal die Ehre hatte, sich in Hermann Brands Haus umsehen zu dürfen, den wird so schnell nichts mehr beeindrucken. Das Beilngrieser Original lebt in seinem ganz persönlichen Museum. Unsere Zeitung hat den 87-Jährigen besucht.

A n der Haustür klingeln? "Naja, wenn'st meinst. Aber nächstes Mal klopfst gleich da an der Wohnzimmertür. Und ja nicht vorher anrufen. Da geh ich eh nicht hin." Wer eine solche Begrüßung schon einmal erlebt hat, der darf sich glücklich schätzen. Denn genau so wird man bei Hermann Brand empfangen. Und ein solcher Besuch beim Brand Hermann - so herum ist es eigentlich richtig - hat mehr zu bieten als jeder Aufenthalt in einem hochgelobten Museum. In jeder Schublade, in jedem Schrank, auf jeder Ablage - überall warten sie, die besonderen Raritäten. Und mit ihnen die Geschichten aus Beilngries und der ganzen Welt.

Ob man den Brand Hermann als Beilngrieser Original bezeichnen darf? Also das würde nun wirklich niemand anzweifeln, der ihn kennt. Die Frage ist eher, ob es sich bei dem inzwischen 87-Jährigen um das Beilngrieser Original schlechthin handelt. Ein, zwei Stunden mit ihm in seinem Haus reichen, damit auch hier die überzeugte Antwort lautet: Ja!

"Für mich ist jeder Tag wie Heiligabend. Ich stoße immer wieder auf Sachen, von denen ich schon gar nicht mehr wusste, dass ich sie habe. Das ist jedes Mal wie Bescherung." Es gibt keine Ecke, in der nicht ein schönes, altes Bild, eine Reihe von Büchern, ein Krug mit prachtvoll verziertem Zinndeckel - oder noch etwas viel Ausgefalleneres aufbewahrt wird. Aber es geht nicht allein ums Sammeln, auch wenn Brand diese Leidenschaft schon im Kindesalter gepackt hat, angefangen mit Schlüsseln. Viel wichtiger sind die Geschichten, die hinter jedem der Gegenstände stecken. Auf dem Tisch liegt ein Bildband mit Fotos. Brand kennt die Leute darin, natürlich. Und er beginnt zu erzählen. Von einem hochrangigen Staatsfunktionär "aus Persien", den er während des Volkswirtschaftsstudiums kennengelernt hat. Der ihn in Beilngries besucht hat. Und den er besucht hat. Von Reisen in viele verschiedene Teile dieser Welt. In die Ferne nach Nepal. Und, natürlich, nach Burgeis. Südtirol - das ist eine Herzenssache für Hermann Brand. Ohne ihn wäre die Freundschaft zwischen Beilngries und Burgeis nie entstanden, das betont auch Edi Liebscher, der an diesem Nachmittag "beim Hermann" vorbeischaut. Ja, er ist viel rumgekommen in der Welt, hat viel gesehen, viele Menschen kennengelernt. Aber Beilngries den Rücken kehren? Irgendwann ganz woanders ein neues Leben aufbauen? Nein, das kam für Hermann Brand nie in Frage. Nach einer Reise wieder heimkommen, im eigenen Bett schlafen - das sei einfach ein unvergleichliches Gefühl. "Dahoam is dahoam", sagt Brand. Aber bei ihm klingt das nicht kitschig wie im Fernsehen. Sondern ehrlich, von Herzen kommend.

Dieses "Dahoam", Beilngries, prägt Hermann Brand seit Jahrzehnten mit. Nicht als Funktionär, nicht als Kommunalpolitiker - sondern als Persönlichkeit, über die man sich besondere Geschichten erzählt. Die selbst besondere Geschichten zu erzählen hat. Die auch mal für einen Spaß zu haben ist, in Uniform für ein Foto posiert. Die sich für alles begeistern kann, vom Fußball bis zur Stadtgeschichte. Man könnte viel erzählen, auch vom Familienbetrieb und Ähnlichem. Aber danach steht dem 87-Jährigen gerade eigentlich nicht der Sinn. Menschen, Begegnungen - und zu allem die passenden Raritäten, die ihn und seine Besucher umgeben, in jedem einzelnen Raum seines Hauses. Da muss es einem doch förmlich in den Fingern jucken, gibt Brand seinen Gästen auffordernd zu verstehen.

Gibt es ein Lieblingsstück? Irgendetwas, woran sein Herz besonders hängt? Eine falsche Frage. Auf der Welt gebe es so viele schöne Dinge. Und so theoretisch geht man auch nicht mit besonderen Gegenständen um. Man muss die Sachen in die Hand nehmen, vom alten Flaschenöffner-Unikat bis zum Ordner mit Bildern - und dann die Erinnerungen und Geschichten nachvollziehen, ja spüren.

Aber wie kommt man eigentlich zu all diesen besonderen Stücken? Flohmärkte? Bekanntschaften? Zufälle? Wohl von allem etwas. Oder, um es in Hermann Brands Worten zu sagen: "Eine fliegende Krähe findet mehr als eine sitzende Krähe."

Wobei das mit dem "Fliegen" inzwischen weniger geworden sei. Er komme ja kaum noch aus dem Haus, sagt der 87-Jährige. Um dann aber doch von einem Ausflug nach Nürnberg zu berichten, von dem er jüngst natürlich ein paar schöne Sachen mitgebracht habe. Und Langeweile kommt sowieso nie auf, auch in den eigenen vier Wänden nicht. Da hört man dann eher mal ein "Zeit müsste man haben", wenn Brand gerade etwas ganz Besonderes in die Hände fällt, das er unbedingt mal wieder genauer ansehen müsste.

Treuer Begleiter im Alltag ist Hündin Cora. "Blind und taub ist sie", erzählt Hermann Brand. Und trotzdem findet sich das Haustier zurecht in diesem Privatmuseum - auch wenn sie es sich am liebsten einfach auf dem Teppich gemütlich macht, während das Herrchen und seine Besucher in Erinnerungen schwelgen.

Wie sich Beilngries entwickelt hat im Laufe der Jahrzehnte? Auch das ist so eine Frage, wie sie in jedem Lehrbuch steht. Aber die irgendwie nicht passt zwischen all den alten Karten, Zeichnungen - und was sich sonst noch so unter dem Begriff Raritäten zusammenfassen lässt. Zwei Projekte seien wirklich gut und prägend gewesen für die Altmühlstadt, antwortet das Beilngrieser Original dann doch auf die typische Journalistenfrage. Der Abriss und Neubau der Kirche vor gut 100 Jahren, zumal der Kirchplatz jetzt Zentrum des Stadtgeschehens sei - und die Renaturierung der Sulz.

Dann gleich noch so eine Standard-Reporterfrage: Wie steht's um die Gesundheit? "Mir geht's gut", sagt der 87-Jährige, Vater dreier erwachsener Kinder und mehrfacher Großvater. Freilich, ginge es nach den Ärzten, dann dürfe er ja schon gar nicht mehr da sein. "Aber die Zigaretten schmecken mir immer noch." 50 bis 60 könnten schon zusammenkommen am Tag. "Zur Zeit dreh' ich selber", da könne man das mit der Stückzahl nicht so genau beziffern. Und ja, die Augen machen ein bisschen Probleme. Aber davon darf man sich nicht ausbremsen lassen. Gerade hat Brand schon die nächste Besonderheit entdeckt. Ein schwerer, für den Laien nicht zuordenbarer Behälter wird auf den Wohnzimmertisch gewuchtet, der passende Schlüsselbund herausgekramt, das Schloss geöffnet - und eine weitere spannende Geschichte wartet nur darauf, erzählt zu werden.

DK

Fabian Rieger