Röttenbach
"Wovor haben wir Angst"

Bürgermeister Schneider enttäuscht über plötzliche Bedenken der CSU gegen Wohnprojekt

27.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:38 Uhr

Röttenbach (srk) Die Entscheidung im Gemeinderat fiel nach kontroverser Diskussion denkbar knapp aus. Mit 6:5 Stimmen setzten sich Freie Wähler (FW) und SPD beim Projekt "Wohnen für alle" gegen die CSU durch. Jetzt sollen beide Bauabschnitte im Herbst gemeinsam begonnen werden. Auf dem Gelände der Firma Bartl soll damit ein "Ambulant Unterstütztes Wohnen" des Sozialnetzwerks Arche e.V. in Fürth entstehen. Die Wohnungen im Bauabschnitt I sollen vermietet, in Bauabschnitt II verkauft werden. Die Finanzierung soll außerhalb des Gemeindehaushaltes durch die KaDe GmbH oder eine neue Tochter-Firma erfolgen.

Die CSU-Vertreter hatten ihre Ablehnung mit dem finanziellen Risiko begründet. Bürgermeister Thomas Schneider (FW) zeigte sich tief enttäuscht. Er wundere sich, dass all die Bedenken erst jetzt, nachdem man dieses Projekt über vier Jahre hinweg so intensiv und gemeinsam diskutiert habe, vorgetragen würden.

Zunächst erläuterte Architekt Thomas Wenzel den Stand der Planungen und der Kostenentwicklung für die Bauabschnitte I und II. Dabei betonte er noch einmal, dass für den Bauabschnitt I mit 700 Quadratmetern Wohnfläche der Quadratmeter knapp 3300 Euro kosten würde, da das Treppenhaus und die Heizung, die für beide Wohnbauten genutzt werden, eingerechnet werden müssten. Bauabschnitt II ist mit knapp 1900 Euro pro Quadratmeter dementsprechend günstiger.

Im Bauabschnitt I würde die Gemeinde, falls sie als Bauträger auftrete, über den Betreiberverein Arche alle Wohnungen vermieten, während die Wohnungen im Abschnitt II verkauft werden sollen. Es käme hinzu, so Schneider weiter, dass man durch die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen potenziellen Wohnungskäufer nicht länger als vier Wochen hinhalten könne, um vom Verkaufsangebot zurückzutreten. Mit dem ersten Verkauf einer Wohnung muss sich nun der Bauträger verpflichten, den Bau auch tatsächlich auszuführen.

Für die Gemeinde ergäben sich daraus, so Bürgermeister Schneider, verschiedene Optionen. Entweder man stelle das Projekt ein, was einen Verlust von rund 170 000 Euro bedeuten würde, oder man begnüge sich mit dem Bau des ersten Bauabschnittes. In diesem Fall müssten die Planungskosten für den Bauabschnitt II und die Kosten für das Restgrundstück bezahlt werden, insgesamt etwa 115 000 Euro. Auf der Restfläche könnten allerdings zwei kleine Bauplätze mit je 300 Quadratmetern zu einem Preis von 70 000 Euro verkauft werden. Schneider favorisierte eine dritte Option, wonach beide Abschnitte gleichzeitig gebaut werden würden. Im nicht öffentlichen Teil der Sitzung hatte Schneider dafür bereits die konkreten Zahlen genannt.

Konrad Frank jun. (CSU) hatte bedenken, ob alle Wohnungen vermietet werden könnten. Zudem setze der Bürgermeister bei seiner Kalkulation eine Null-Zins-Entwicklung voraus, was unrealistisch sei. Auch seien die Verwaltungskosten nicht ausreichend berücksichtigt worden. Insgesamt kam er zu dem Schluss, dass die Gemeinde sich dieses Projekt nicht leisten könne. Wenn überhaupt, dann sollte man als Gemeinde nur den Bauabschnitt I in Angriff nehmen.

Bürgermeister Schneider wies den Vorwurf einer unsoliden Kostenberechnung entschieden zurück. Die Gemeinde sei dazu gar nicht in der Lage. Die Zahlen kämen vom Architekturbüro Wenzel, das auf Nachfrage bestätigte, dass man zwar knapp kalkuliert, aber "sauber gerechnet" habe. Bislang, so Schneider in der immer leidenschaftlicher geführten Diskussion, habe man eine konkrete Kaufoption für sechs Wohnungen vorliegen. Gesetzt den Fall, dass es dabei bliebe - seiner Meinung nach der "worst case" -, würde ein Minusbetrag von 600 000 Euro entstehen, den die Gemeinde durch ihre kurz- und mittelfristigen Rücklagen deckeln könnte. "Wovor", so fragte er in die Runde, "haben wir Angst? Das Risiko ist kalkulierbar."

Zweiter Bürgermeister Anton Schmidpeter (CSU) befürchtete, das Projekt reiße ein zu tiefes Loch in den Haushalt und verschlinge Reserven für andere Projekte. Johann Gilch (CSU) gab zu Bedenken, dass sich die wirtschaftliche Lage in den nächsten fünf, sechs Jahren verschärfen könne, und das Projekt nicht mehr refinanzierbar sei.

Dem entgegnete Charly Freudenberger (Freie Wähler), über die KaDe habe man in den letzten Jahren enorme Grundstücksverkäufe im Industriegebiet erzielen und nachhaltig die Finanzlage der Kommune verbessern können. Christian Riedl (CSU) warf ein, dass die Wohnanlage in 30 Jahren heruntergewirtschaftet sein könnte. Bürgermeister Schneider verwies auf die Grundschule oder das Rathaus, die man nach 30 Jahren Betrieb wahrlich nicht als Bauruinen bezeichnen könne. Reparaturen werde es immer geben, aber dafür seien Gelder in das Modell eingerechnet worden.

Michael Kauschka (CSU) fragte sich, wer das Projekt schultern solle, wenn sich Schneider im Oktober in den Landtag verabschieden sollte. "Können wir das alleine hinkriegen? Wer von uns hat die Nerven dazu", fragte er besorgt in die Runde. Er würde das Projekt lieber einer GmbH anvertrauen.

Schneider versicherte, er werde sich selbst im Falle seiner Wahl in den Landtag als Berater für dieses Projekt engagieren, bis es "in trockenen Tüchern" sei. Er würde sich als Geschäftsführer einer neu zu gründenden GmbH-Tochter der KaDe für einen bestimmten Zeitraum umsonst zur Verfügung stellen. Die bisherigen Verkaufserfolge habe man ohne großen Werbeaufwand erreicht. Wenn einmal der Rohbau stehe, würden sich neue Interessenten melden. Er gehe von einer dauerhaften Belegung der Anlage mit 80 Prozent und mehr aus. Was die Wohnungen im Bauabschnitt I anbelange, so habe die Arche eine Option auf acht Wohnungen angemeldet, und das auf 20 Jahre festgeschrieben.