Viele
Wo der Alp umgeht

16.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:48 Uhr

Ein Holzkreuz (oben) markiert im Sätzelwald zwischen Menzenbach und Wolfsberg den Ort, an dem einst der Satzelhof stand. In dem umliegenden Waldstück soll der Geist einer ermordeten Hüterstochter umgehen. Den Spuk will die frühere Förstersfrau gehört haben. Neben dem Kreuz steht ein Gedenkstein, der an ein tödliches Unglück im Jahr 1950 erinnert. Weiter südlich, im Schusterschlag, stehen am Wegesrand die Nachbildungen historischer Totenbretter (unten). - Fotos: Kraus

Viele Flurnamen rund um Pfaffenhofen geraten mehr und mehr in Vergessenheit.
In der neuen PK-Serie werden sie beleuchtet - diesmal geht es um die Waldabteilungen"Sätzelwald", "Tabichau" und "Schusterschlag" zwischen Wolfsberg und Menzenpriel.

Auf unserem Rundgang durch die Fluren kehren wir zurück zum Wald, der zwischen Tegernbach und Menzenbach liegt, und betrachten wir Wald- und Flurnamen um den Fernsehturm bei Wolfsberg. Nördlich der Straße liegt der "Sätzelwald". Er hat seinen Namen vom Satzelhof, der bis ins 19. Jahrhundert hinein "Waltalpsbuch" hieß. Der frühere Namen hätte besser gepasst: Ein Alp ist ein unheimlicher Geist, der im Wald sein Unwesen treibt. "Satzl" ist eine Koseform von Arsatius oder auch Servatius - und so ein verniedlichender Name will sich so gar nicht zu all dem Schrecklichen fügen, das im Wald um den Satzelhof geschah: Ganz in der Nähe des 1911 abgerissenen Hofes erhoben sich bis etwa 1960 die "Drei Buchen", eine mächtige und imposante Baumgruppe. Ein Wilderer fand hier den Tod. Die Umstände wären ein dankbarer Stoff für ein Bauerndrama: Ein beim Schmidhofer zu Menzenbach bediensteter Knecht hatte eine große Leidenschaft. Immer wieder jagte er unerlaubt Wild. Die Förster von Engelmannsberg und Pörnbach versuchten ihn zu stellen - ohne Erfolg. Schließlich lockten sie ihn in eine Falle. Der eine Förster schlich um den Hof, auf dem der Knecht Dienst leistete. Dieser witterte Gefahr, ergriff sein Gewehr und eilte in den Sätzelwald. Bei den "Drei Buchen" wartete schon der andere Förster. Er befahl dem Knecht, seine Waffe wegzuwerfen und anzuhalten. Der Knecht lief weiter. Nun schoss der Förster. Der Knecht war getroffen und schwer verletzt. Er ließ keinen heran, der ihm helfen wollte. Schon bewusstlos wurde er auf einen Mistwagen geladen, der ihn nach Pfaffenhofen bringen sollte. Dort kam er nicht mehr lebend an. Er war auf dem Wagen verblutet.

Manche Orte scheinen Unglück förmlich anzuziehen: Der Haidforst hinter Hohenwart gehört dazu, der Schlossberg zwischen Haushausen und Wolnzach, die Gegend um Volkenschwand bei Mainburg - aber auch der Sätzelwald. Der Tod des Wilderes war nämlich nicht das einzige Unheil, das er sah. Wenige Hundert Meter entfernt wurde am 15. März 1908 die schöne Hüterstochter Anna Söhl von ihrem Verlobten grausam ermordet. Dieser hat die hochschwangere Anna unter dem Vorwand, ihr das künftige gemeinsame Haus in Pörnbach zu zeigen, in den Wald gelockt, um sie dann dort mit unzähligen Messerstichen zu töten. Nach der Tat verzehrte er mit dem Mordmesser im Pfaffenhofener Stegerbräu seelenruhig Weißwürste. Der Dienstknecht aus Fürholzen wurde schließlich vom Augsburger Schwurgericht zum Tode verurteilt. Kurz vor seiner Hinrichtung wurde er vom Prinzregenten begnadigt. Er soll sogar nach einigen Jahrzehnten aus dem Zuchthaus entlassen worden sein. Niemand wollte mit ihm etwas zu tun haben. Manche haben ihn an der Mordstelle innig beten gesehen. Freiwillig soll er ins Gefängnis zurückgegangen sein. Dort starb er in hohem Alter. An dem Marterl, das an die grausige Bluttat erinnert, soll es heute noch umgehen. Die Frau des Försters vom Satzelhof hörte die gellenden Schreie der sterbenden Hüterstochter. Die Förstersfrau wollte dann nicht mehr auf dem Hof bleiben.

Dort, wo der Satzelhof stand, ragt heute ein hohes Holzkreuz empor. Das schlichte Mahnmal ersetzte eine Kapelle, die verfallen war. Neben dem Kreuz erhebt sich ein Gedenkstein. Er mahnt uns, an Josef Reisner aus Schabenberg zu denken, der 1950 hier den Tod fand, als er in der nahen Sandgrube arbeitete. An eben dieser Stelle verunglückte 1913 der 49 jährige Taglöhner Peregrinus Gerbl aus Pfaffenhofen tödlich. Auch er starb in der Sandgrube.

Südlich des Fernsehturms gelangen wir in die Waldabteilung "Tabichau". Der Name klingt für unsere Ohren fremd und lässt sich kaum erklären. Dennoch sei ein Versuch gewagt. Vielleicht trug der Wald früher den Namen "Die Habichtau". Er wäre leicht zu deuten. Au (von althochdeutsch "aha" oder mittelhochdeutsch "ahe" für "Fluss" oder "die Wässerige" sowie mittellateinisch "augia" für "Land am Wasser") bedeutet "ein vom Wasser umflossenes Land" oder "wasserreiches, feuchtes Wiesenland". Am Ostrand der Tabichau entspringt eine Quelle, und das nahe Menzenpriel verweist in seinem Grundwort "priel" (von mittelhochdeutsch "brüel") auf sumpfige Wiesen, die sich hier ausgebreitet haben: "Die Habichtau" wäre demnach eine Aue mit vielen Habichten. Wie kommt man dann auf "Tabichau"? In bayerischer Mundart verkürzte man den Artikel "die" zu "d" oder "t", um ihn dann mit dem anlautenden "h"-zu verschmelzen. Das "t" von "Habicht" wurde der leichteren Aussprache wegen ausgestoßen - so wurde aus "Die Habichtau" die "Tabichau". Alte urkundliche Erwähnungen stützen diese Hypothese. In einer Grenzbeschreibung um 1580 ist der Wald zwischen der "Habichau" und dem Grain-stettener Kirchholz als Grenze des Scheyerer Klosters genannt.

Das heute noch einsame Menzenpriel gehört der Pfarrei Scheyern. Wenn die Menzenprieler die heilige Messe in Scheyern besuchen wollten, hatten sie den "Schusterschlag" zu durchqueren. Der Wald ist in Besitz des Grafen von Toerring. Die Deutung dieses Namens ist einfach. "Schlag" bedeutet, wie vergangene Woche erwähnt, dass im Wald Bäume geschlagen wurden. Das Bestimmungswort ist ein Haus- oder Familienname oder es verweist auf den Besitz eines Mannes, der das Schusterhandwerk ausübte.

"Ein kalter Wind streicht um den Baum; es fröstelt uns und wir wollen rasch vorübergehen. Totenbretter, alte und neue, säumen den Weg. Herbstnebel wallen weithin durch die hügelige Landschaft, die einem großen See mit versteinerten Wellen zu gleichen scheint." Diese Zeilen von August Sperl kommen einem in den Sinn, wenn er im November an den sechs Totenbrettern im "Schusterschlag" vorübergeht, wenngleich die originellen Verse, die die Bretter zieren, das Gemüt erheitern könnten. Wer sich vor Unheil schützen will, soll vor einem Totenbrett ein Vaterunser sprechen. Keinesfalls soll man dem Verstorbenen, an den erinnert wird, Böses wünschen. Die Seele wäre dann, so heißt es, für immer verloren. Bis zu ihrer Beerdigung hat man die Toten aus einsamen Weilern auf solche Bretter gelegt. Danach wurden sie auf dem Weg, der zur Kirche führte, aufgestellt, um an die zu erinnern, die hier einst vorübergingen. Im Schusterschlag sehen wir nur noch Repliken. Die Originale liegen seit der Schließung des Museums für religiöse Volkskunst im Pfaffenhofener Mesnerhaus in einem Depot und drohen zu vermodern.

Reinhard Haiplik (63,) ist Verfasser zahlreicher heimatkundlicher Schriften und Bücher, im PK hat er Serien über "Geheimnisvolle Plätze in unserer Heimat" und "Ungewöhnliche Ortsnamen" veröffentlicht.