Neuburg
Wirbel um vermeintlichen Reichsbürger

48-jähriger Schrobenhausener wegen versuchter Nötigung zu Geldstrafe verurteilt

09.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:23 Uhr

Neuburg (szs) Unter ungewöhnlich strengen Sicherheitsvorkehrungen ist gestern am Neuburger Amtsgericht ein Prozess gegen einen vermeintlichen Reichsbürger abgelaufen.

Doch als besonders gefährlich stellte sich der Angeklagte aus Schrobenhausen nicht heraus. Sein Verteidiger nannte den Fall gar einen "Luftballon". Letztlich verurteilte Richterin Celina Nappenbach den 48-Jährigen wegen versuchter Nötigung zu einer Geldstrafe von 500 Euro.

 

Verschärfte Einlasskontrollen, bewaffnete Polizeibeamte zur Absicherung im Sitzungssaal: Bei potenziellen Reichsbürgern will die Justiz nach gewaltsamen Übergriffen und Störaktionen in deutschen Gerichtssälen kein Risiko mehr eingehen. So auch gestern, denn der Angeklagte hatte sich im Streit mit einer Versicherung Formulierungen bedient, wie sie Reichsbürger gerne benutzen, um die Rechtmäßigkeit der Bundesrepublik Deutschland in Abrede zu stellen. Für den Fall, dass die "vorgebliche Regierung" keine "Nachweise echter Rechtsgültigkeit" vorlegen könne, drohte der 48-Jährige der Versicherung und "deren Erfüllungsgehilfen" mit Schadensersatzforderungen zwischen 5000 und zwei Millionen Euro. Wegen dieser Drohungen verurteilte Nappenbach den Mann zu 20 Tagessätzen à 25 Euro. Sie räumte aber ein: "Ich denke nicht, dass Sie ein typischer Reichsbürger sind, aber sie haben sich Vokabeln zueigen gemacht, die typisch für die verfassungsfeindliche Gesinnungsvereinigung sind."

"Die Polizei hat den Fallaufgebläht, hat eine Reichsbürgergeschichte daraus gemacht."

Verteidiger Hartmut Wächtler

 

Eigentlich ging es bloß darum, dass die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau - eine Art gesetzliche Pflichtversicherung für Landwirte - nach einer Sicherheitsüberprüfung einige Maßnahmen auf dem privaten Hof des Schrobenhauseners anordnete. Dabei ging jedoch Einiges schief. Erst hielt sich der Sachbearbeiter nicht an die mit dem Hofbesitzer vereinbarten Fristen, dann blieb der Einspruch des Versicherten wegen einer Fusionierung der bayerischen und der deutschlandweiten Berufsgenossenschaft unbearbeitet. Plötzlich trudelte bei dem Schrobenhausener die Anordnung zu einem neuerlichen Kontrolltermin ein. Darüber ärgerte er sich und verschickte eine E-Mail, in der er nachfragte, was denn aus seinem Einspruch geworden sei und was die Versicherung eigentlich legitimiere, hoheitliche Rechte gegen ihn geltend zu machen. "Beides ist das Recht eines jeden Bürgers", betonte Verteidiger Hartmut Wächtler. Soweit so unproblematisch. Doch der Schrobenhausener googelte im Internet nach und wurde auf einem fragwürdigen Portal für Rechtshilfe fündig. Neben Herleitungen, warum die Bundesrepublik gar nicht existiere und wie man seine Staatsangehörigkeit anzweifeln könne, wurde auch ein Text zum Download zur Verfügung gestellt, der sich dem Widerstand gegen "unrechtsstaatliche Zwangsmaßnahmen" widmet. Den schickte der Angeklagte in seinem Zorn ebenfalls an die Versicherung. Das wurde ihm nun zum Verhängnis. Erst wurde die Kriminalpolizei hellhörig, dann folgte der Strafbefehl.

"Mein Mandant ist kein Reichsbürger, er zahlt Steuern und hält sich an die Gesetze", betonte der Verteidiger, nannte den Drohtext "sinnlosen Blödsinn" und den ganzen Fall "lächerlich". "Die Polizei hat ihn aufgebläht, hat eine Reichsbürgergeschichte daraus gemacht." Er plädierte auf Freispruch für seinen bislang unbescholtenen Mandanten. Staatsanwältin Vera Stoll forderte 2400 Euro Geldstrafe wegen versuchter Erpressung. Richterin Nappenbach sah eine versuchte Nötigung als nachgewiesen an. "Es heißt immer Google ist dein Freund. In diesem Fall war aber Google nicht dein Freund." Verteidiger Wächtler kündigte weitere juristische Schritte an. "Ich sehe schon das Oberlandesgericht über diesem tollen Fall brüten."