Ingolstadt
"Wir warten wirklich sehnsüchtig aufeinander"

Julia Mayr, Leiterin des Jungen Theaters, bedauert die Verschiebung des "Südwind"-Festival für Kinder- und Jugendtheater - und fordert kulturelle Teilhabe für alle gerade in der Krise

30.04.2021 | Stand 04.05.2021, 3:33 Uhr
So lange kein Spielbetrieb stattfinden kann, bietet das Junge Theater digitale Probenbesuche oder Superheldenlesungen an. Für Schulklassen eignet sich das Papiertheaterprojekt, für das man ein Päckchen und Hilfestellungen bekommt. −Foto: Junges Theater

Frau Mayr, "Südwind" kann im Juli nicht stattfinden.

Geplant wird schon seit einem Jahr. Waren alle Vorbereitungen umsonst?
Julia Mayr: Es fühlt sich im Moment schon sehr frustrierend an, dass die ganzen Anstrengungen nun scheinbar ins Leere laufen. Dem ist aber nicht so, die vielen partizipativen Projekte, welche die Seele von "Südwind" darstellen werden, können jetzt noch intensiver gedacht werden. Mehr Vorlauf können manche Vorhaben auch noch reicher machen. Außerdem planen wir, einige Maßnahmen in Bezug auf mehr Barrierefreiheit, womit wir uns für das Festival intensiv beschäftigt haben, in der neuen Spielzeit in unseren Theateralltag zu integrieren, um dann bei Südwind 2022 praktische Erfahrung einbringen zu können. Demnach können wir einer Verschiebung auch positive Aspekte abgewinnen und wollen die Zeit konstruktiv zu nutzen. Dennoch: Es ist eine traurige und bittere Entscheidung, insbesondere unsere Verantwortung gegenüber dem jungen Publikum, das seit sehr langer Zeit keinerlei kreative Impulse bekommt, treibt uns um. Wir warten wirklich sehnsüchtig aufeinander.

Haben Sie denn auch mal über eine digitale Ausgabe des Festivals nachgedacht?
Mayr: Ja, haben wir, wir haben lange abgewägt und hin und her überlegt. Es gab dabei verschiedene Aspekte, die gegen eine digitale Ausgabe sprachen. Der wichtigste: "Südwind" ist das erste Festival seiner Art, es muss sich erst noch beweisen und etablieren. Außerdem ist das Festival als ein partizipatives Festival für und mit der Stadt, für und mit Ingolstädter Kindern und Jugendlichen aller Altersgruppen konzipiert. Der pandemiegerechte, digitale Alternativspielort Internet erschien uns für dieses Vorhaben ungeeignet, zumal eine digitale Ausgabe von "Südwind" die dafür nötigen personellen, technischen wie  finanziellen Möglichkeiten unseres Hauses überstiegen hätte.

Wie haben denn die eingeladenen Theater reagiert?
Mayr: Alle haben es bedauert, aber auch erwartet. Alle haben mit Verständnis reagiert, Motivation nach Ingolstadt geschickt und Vorfreude auf "Südwind" 2022 signalisiert.
Gibt es schon einen neuen Termin fürs Festival? Und kann man das angedachte Programm einfach so verschieben?
Mayr: Der neue Termin muss noch im Haus abgesprochen werden und dann mit den geplanten Festen und größeren Veranstaltungen der Stadt koordiniert werden. Aber in Planung ist der gleiche Zeitraum wie dieses Jahr.   Wir werden einen großen Teil des Programms verschieben, dort wo es uns nötig erscheint, kuratieren und justieren wir nach.

Wagen Sie eine Prognose: Wann kann das Junge Theater überhaupt wieder vor Publikum spielen?
Mayr: Ich lag leider oft falsch mit meinen Prognosen in diesem Jahr. Als Optimistin war ich überzeugt, dass wir schon längst wieder spielen würden. Es ist definitiv zu lang, dass das Junge Theater geschlossen ist. Ich bin absolut überzeugt davon, dass kulturelle Bildung ein unverhandelbarer Teil der Allgemeinbildung ist und finde es unverantwortlich, dass der Zugang zu kultureller Bildung für junge Menschen seit über einem Jahr ausgesetzt ist. In dieser Krisen-Situation sind Sinnlichkeit und Fantasie besonders gefordert. Daher muss es eine zentrale Aufgabe der Bildungspolitik und -einrichtungen sein, kulturelle Teilhabe sowie ein Mindestmaß an Grundversorgung der ästhetischen Auseinandersetzung und Gestaltung zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere für jene Kinder und Jugendlichen, für die die Schule ein wichtiger, vielleicht der einzige Ort der kulturellen Teilhabe und Erfahrungsraum ästhetischer Praxis ist.  Gerade jetzt darf der Status der ästhetischen Fächer und Bereiche nicht marginalisiert werden. Wir möchten und müssen spielen dürfen für unser Publikum, dies muss so schnell wie möglich ermöglicht werden. Das ist meine Überzeugung. Wir sind bereit.

DK


Die Fragen stellte Anja Witzke.