Porträt des neuen GKO-Geschäftsführers
"Wir sind dieses Orchester"

13.08.2021 | Stand 22.08.2021, 3:33 Uhr
  −Foto: Wladyslaw, Barreto

Miquel Angel Parera Salva, der neue Geschäftsführer des Georgischen Kammerorchesters, will das Orchester bekannter machen. Die Bürger sollen sich mit ihm identifizieren und über dessen Zukunft bestimmen.

Ingolstadt - Miquel Angel Parera Salva, der neue Geschäftsführer des Georgischen Kammerorchester, erzählt gerne eine Geschichte über seine erste Bekanntschaft mit Ingolstadt. Als er mit dem Zug zum Vorstellungsgespräch anreiste, nahm er ein Taxi und kam wie so viele Reisende ins Gespräch mit dem Fahrer. Parera fragte ziemlich bald: "Ich kenne Ingolstadt nicht. Was ist besonders wichtig in dieser Stadt?" Der Taxifahrer schwärmte sogleich von der schönen Altstadt und von der Stadtmauer. Und natürlich erwähnte er immer wieder Audi. Vom Georgischen Kammerorchester sprach er nicht.

Genau das will der neue Geschäftsführer ändern. Als er vom Stadtrat gefragt wurde, was sein Ziel für die nächsten fünf Jahre sei, betonte er genau das: Derselbe Taxifahrer sollte dann hervorheben, dass Ingolstadt ein großartiges Orchester habe.

Eine steile Zielvorgabe, die sich Parera da gesetzt hat. Aber sie passt zu ihm. Bereits als Technischer Leiter des Sinfonieorchesters von Teneriffa hatte er große Pläne, und vor allem: Er hat sie alle erreicht oder sogar übertroffen. Der wichtigste Vorsatz für Ingolstadt allerdings hat viel mit dem Gespräch im Taxi zu tun. Denn der 37-Jährige möchte, dass die Stadt eine neue Art der Identifikation mit dem Orchester entwickelt. "Wir sind dieses Orchester", sagt er. "Aber nicht nur wir, wir sind nur die Angestellten. Die ganze Stadtgesellschaft ist das GKO. Und sie sollte entscheiden, was aus diesem Orchester wird."

Auch in Teneriffa begegnete Parera komplizierten Verhältnissen. Das Sinfonieorchester dort zählte in den 90er Jahren zu den besten Klangkörpern des Landes. Inzwischen hatte sich etwas Staub auf die ehrenvollen Geschichte der Sinfoniker gelegt. Das Orchester hat einen vorzüglichen, futuristischen Konzertsaal, der allerdings schwer zu füllen ist. 1600 Besucher können dort den Konzerten lauschen (zum Vergleich: Der Ingolstädter Festsaal fasst rund 1300 Gäste), aber bei den symphonischen Konzerten kamen meist nur rund 500 Leute, die sich natürlich in den Weiten des Saal verloren. Parera erreichte in den drei Jahren seiner Amtszeit dort, dass immerhin rund 1000 Besucher kamen, in der vergangenen Spielzeit war der Saal sogar zweimal ausverkauft. Außerdem erreichte er, dass das eigentlich bekannte Orchester endlich wieder auf Reisen geht.

Als Kulturmanager verfügt Perera über reiche Erfahrungen - gerade weil er seine Laufbahn nicht als Geschäftsführer, sondern als Musiker begonnen hat. Mit fünf Jahren begann er in seiner Heimat Mallorca mit dem Cellospiel, mit zwölf kam er aufs Konservatorium, das er mit 17 abschloss, um danach auf die Musikhochschule zu wechseln. Sein Studium setzte er dann nach dem Abschluss in Graz fort. Bei der Württembergischen Philharmonie Reutlingen erfolgte ein erstes Praktikum, später arbeitet er für verschiedene Orchester freiberuflich von Wien aus. Aber bald kam der Wunsch nach einem Wechsel. Parera wurde klar, dass es ihm immer schon Spaß gemacht hat, zu organisieren und zu planen. In Thüringen wurde er ab 2012 Leiter der kleinen Lux-Festspiele. Dort organisierte er zusammen mit der Universität Mainz ein Verzeichnis der Werke des kaum bekannten Romantiker Friedrich Lux (1820-1895) und entdeckte dessen bereits zu Lebzeiten verschollene erste Sinfonie. Ab 2015 arbeitete der Spanier auch für das Gustav-Mahler-Jugendorchester, bald sogar als dessen Orchestermanager. Beide Positionen gab er 2017 auf, als er zum Sinfonieorchester von Teneriffa ging - damals als jüngster Orchester-Geschäftsführer Spaniens.

In Ingolstadt sieht er beim Georgischen Kammerorchester alle Vorzeichen auf Erfolg gestellt: Die Musiker brennen für ihre Aufgabe, sagt er, die Qualität stimme und die Stadt bekenne sich zu ihrem Orchester. Nun gehe es darum, auch bei den Bürgern ein Bewusstsein vom kulturellen Wert dieses Orchesters zu entwickeln. "Wir alle tragen eine Mitverantwortung, dass diese Tradition an die nächste Generation weitergetragen wird", sagt er. Dabei kann er sich viele neue Formate für das Orchester vorstellen, die Trennung zwischen U- und E-Musik ist ihm dabei eher ein Hindernis. "Für mich ist allein die Qualität entscheidend." Überall in Europa sieht er, wie den Orchestern der feste Stamm an Abonnenten wegbreche. Da müsse man ansetzen, neu ermitteln, welche Form von Konzerten auch junge Menschen am meisten anspreche. Es gehe hier um Vermittlungsarbeit - nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern auch für ältere Konzertbesucher. Es sei schließlich nirgends geschrieben, dass Erwachsene nichts mehr lernen wollen.

DK