Braunschweig
"Wir haben einen Traum"

Braunschweigs Trainer Torsten Lieberknecht über den Aufstieg, Code-Wörter und den FC Ingolstadt

14.11.2012 | Stand 03.12.2020, 0:50 Uhr

Braunschweig (DK) Sie sind in der Zweiten Bundesliga derzeit das Maß der Dinge: Nach 13 Spieltagen ist Eintracht Braunschweig noch ungeschlagen und geht am Samstag folgerichtig als Tabellenerster in die Partie gegen den FC Ingolstadt (13 Uhr). Vor dem Duell in Braunschweig hat sich unser Redakteur Norbert Roth mit Eintracht-Coach Torsten Lieberknecht über die Erfolgsserie seines Klubs und seine Erwartungen an das Spitzenspiel unterhalten.

Herr Lieberknecht, würden Sie zustimmen, dass am Samstag die Überraschungsmannschaften der zweiten Liga aufeinandertreffen?

Torsten Lieberknecht: Ich glaube, das trifft auf uns eher zu als auf Ingolstadt. Ich habe Ingolstadt nämlich schon vor der Saison als Geheimfavorit gesehen. Aus unserer Sicht ist es eine Überraschung, dass wir jetzt Erster sind.

 

Beide Klubs müssen sich damit auseinandersetzen, dass Ihnen bereits jetzt Größeres zugetraut wird. Wann haben Sie das letzte Interview geführt, in dem Sie nicht nach dem bevorstehenden Aufstieg gefragt wurden?

Lieberknecht: Wir können uns gegen die Fragen ja nicht wehren. Das ist wohl weltweit so, dass die Leute dann wissen wollen, ob man diesen großen Traum hat. Wie jeder Sportler haben wir diesen Traum natürlich auch, selbst wenn für uns das Etablieren in der zweiten Liga im Vordergrund steht.

 

Statistiker rechnen vor, dass mit einer Ausnahme alle Mannschaften, die nach dem 13. Spieltag 31 Punkte hatten, am Ende aufgestiegen sind.

Lieberknecht: Ich persönlich lese solche Statistiken nicht und weiß ehrlich gesagt auch von solchen Zahlenspielen nichts. Es interessiert uns null! Wir freuen uns, wenn wir uns schnell in der Liga behaupten können. Sollte sich dann etwas Unvorhergesehenes ergeben, werden wir uns aber sicher nicht dagegen wehren.

 

Die Euphorie und die Erwartungen im Umfeld wachsen. Die Fans kommen in Scharen, sodass Sie frühzeitig den Dauerkarten-Verkauf stoppen mussten. Auch wenn es in dieser Saison nicht unbedingt sein muss: Wie viel Zeit lässt man Ihnen denn für einen möglichen Aufstieg?

Lieberknecht: Da gibt es keinen Zeitplan für etwas ganz Großes. Was es bei uns gibt, ist eine sachliche ruhige Arbeit in allen Bereichen, damit wir Strukturen aufbauen und zugleich den Verein finanziell gesunden können. Da haben wir mit Sicherheit weniger Möglichkeiten als der Gegner, der jetzt zu uns kommt.

 

Sie haben Braunschweig seit 2008 stetig nach oben geführt. Wie würden Sie Ihr Erfolgsrezept beschreiben?

Lieberknecht: Das Stichwort heißt sicher Kontinuität. Auf allen Ebenen im Verein sind wir extrem gut aufgestellt, sodass ich hier Bedingungen vorfinde, wie ich sie jedem Trainer nur wünschen kann.

 

Hinzu kommt der Mut, vorwiegend auf junge Talente zu setzen.

Lieberknecht: Das war natürlich auch unserer finanziellen Situation geschuldet. In die erste Zweitligasaison sind wir zum Beispiel mit vier ehemaligen Oberligaspielern gegangen. Ein großes Risiko, aber wir sind dafür belohnt worden. Noch heute spielen 14 Akteure aus der Drittligamannschaft bei uns.

 

Ihre Mannschaft soll fünf verschiedene Systeme beherrschen, die Sie während des Spieles durch das Zurufen bestimmter Code-Wörter ändern können.

Lieberknecht: Das ist nicht ganz verkehrt (grinst). Wir sind in der Lage, mehrere Grundordnungen zu spielen, um ein Spiel auch mal drehen zu können. Das müssen wir aber auch so machen, weil wir eben nicht die großen Namen in unseren Reihen haben. Deshalb kommen wir sehr stark über das System und die extrem akribische Vorbereitung auf ein Spiel.

 

Nun kommt mit Ingolstadt ein Team nach Braunschweig, das auswärts noch ungeschlagen ist. Wie schätzen Sie das Team von Trainer Tomas Oral ein?

Lieberknecht: Man merkt deutlich, dass man dort nach dem erneuten Klassenerhalt in der zweiten Liga unter Trainer Tomas Oral versucht, etwas aufzubauen. Davor hat man sich vielleicht etwas blenden lassen – durch den großen Konzern, der hinter dem Klub steht, durch die großen Erwartungen von außen. Inzwischen spürt man aber, wie dort etwas ins Rollen kommt.

 

Wie sehen Sie die sportliche Entwicklung?

Lieberknecht: Verglichen mit der Vorsaison hat sich Ingolstadt gerade hinsichtlich der Konzentration über die gesamten 90 Minuten massiv verbessert. Das wird auch am Samstag das Spiel bestimmen. Ich rechne nicht mit einem offenen Schlagabtausch, weil beide Teams taktisch gut und deshalb schwer zu schlagen sind.

 

Sie sehen Ihr Team aber dennoch als Favorit?

Lieberknecht: Wenn man Tabellenerster ist, gilt man wohl in jedem Heimspiel als Favorit.

 

Guckt man auf die Trikots, dann spielt am Samstag ein VW- gegen ein Audi-Team. Glauben Sie, dass am Saisonende wenigstens eine der beiden Mannschaften dem Gesamtkonzern VW einen Anlass zum Feiern gibt?

Lieberknecht: Das kann schon sein. Die größte Feier bei VW steigt aber wohl, wenn der VfL Wolfsburg in der Bundesliga bleibt, oder? Alles andere gehe ich total entspannt an. Sollte es etwas zu feiern geben, werden wir sicher einen Platz finden.