"Wir brauchen kein weiteres Rumgeeiere"

Lehrerverbands-Präsidentin Simone Fleischmann zum Streit über den Digitalpakt

03.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:06 Uhr

Frau Fleischmann, brauchen wir im wohlhabenden Bayern überhaupt die Milliarden vom Bund für die digitale Bildung?



Simone Fleischmann: Was wir jetzt unbedingt brauchen, ist ein "Go". Wir brauchen endlich Vereinbarungen, die ein Fundament bilden für all das, was die Digitalisierung bringen soll. Wir können kein weiteres Rumgeeiere brauchen. Und ich muss ganz ehrlich sagen, den Kindern, den Eltern und den Lehrern vor Ort ist es ziemlich egal, wer da zufinanziert oder basisfinanziert oder längerfristig finanziert. Es muss einfach endlich mal eine verbindliche, verlässliche Aussage her.

Wie sieht es heute mit der digitalen Bildung in den bayerischen Schulen aus?

Fleischmann: Es ist ja sowohl finanziell als auch von der Konzeption und Strategie her schon einiges geschehen. Alle Schulen in Bayern sind aufgefordert, Konzepte der digitalen Bildung für ihre eigene Schule zu schreiben. Wir haben auch die Motivation als Lehrerinnen und Lehrer. Wir wollen modern und digital unterrichten. Wir brauchen dazu aber eine profunde Fortbildung und eine gute Ausbildung. Die Anschaffung von Technik ist das eine. Man kann die Technik aber die Isar runterschütten, wenn sie dann nicht in das Konzept der Schule integriert wird. Wir brauchen eine Herangehensweise von verschiedenen Seiten, so dass das ein Gesamtkonzept wird. Da sind viele Schulen am Ball, da gibt es viele Leuchttürme. Aber ich glaube, wir sollten für ein bildungsgerechtes Gesamtsystem sorgen, und dazu braucht es klare Aussagen zum Digitalpakt.

Wo hakt es denn in der Praxis an den Schulen? Liegen die Probleme eher beim langsamen Internetanschluss und veralteten Computern oder fehlt es an der Fortbildung der Lehrer?

Fleischmann: Wir schauen natürlich auch, wie andere Länder mit digitaler Bildung umgehen. Unser Eindruck ist, dass dort, wo es gut läuft, als erstes die Lehrerinnen und Lehrer gut aus- und fortgebildet wurden. Wenn man die Expertise nicht hat, dann nutzen auch die modernen Medien nichts, weil man sie dann nicht effizient einsetzen kann. Das einzige Ziel, das wir alle miteinander haben sollten, ist, dass das Lernen für die Kinder optimiert wird, dass Lernen Spaß macht und effizienter wird. Die Technik kann dem Lernerfolg dienen. Der wesentliche Punkt im Klassenzimmer ist aber die Lehrerin oder der Lehrer.

Bei digitaler Bildung denken ja viele zuerst an das Gymnasium. Wie sieht das denn mit Grund- und Mittelschulen aus?

Fleischmann: Ich erlebe hier in Bayern die ganze Schullandschaft in einem Prozess des Nachdenkens, wie es im Förderzentrum, an der Realschule, an der Mittelschule und an der Grundschule vorangehen kann. Wir dürfen hier keine Altersgruppe auslassen. Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband legt großen Wert darauf, dass wir vor allem auch auf die Grundschulen blicken. Da geht es jetzt nicht darum, Algorithmen kennenzulernen, sondern da geht es um ein reflektiertes Verwenden von Medien, da geht es um erste Erkenntnisse im Bereich der Informatik. Wir sind der Meinung, dass es bei der digitalen Bildung einen roten Faden braucht von der häuslichen Erziehung über die Erziehung im Kindergarten zur medienkritischen Nutzung in der Grundschule und dann zu einer guten Anwendung in den weiterführenden Schularten. Letztendlich ist der Schlüssel zum Erfolg, wenn wir moderne digitale Medien zur Förderung des einzelnen Kindes einsetzen, wenn diese optimal funktionieren und wir als Lehrerpersönlichkeit sie gut in den Unterricht integrieren.

DK



Das Interview führte

Johannes Greiner. Foto: BLLV


ZUR PERSON
Simone Fleischmann ist seit 2015 Präsidentin des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes (BLLV). Bis dahin leitete sie die Grund- und Mittelschule in Poing (Landkreis Ebersberg). Der Lehrerinnen- und Lehrerverband ist mit über 60000 Mitgliedern die größte Berufsorganisation von Pädagogen im Freistaat. Er vertritt Lehrerinnen und Lehrer aller Schularten, historisch bedingt sind aber sehr viele Grund- Mittel- und Förderschullehrer ebenfalls im BLLV organisiert.