Wie kann Gewalt unter Flüchtlingen gestoppt werden?

28.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:45 Uhr

Kassel (dpa) Ein knappes Dutzend Flüchtlinge und drei Polizisten wurden bei einer Massenschlägerei in einer Flüchtlings-Notunterkunft im nordhessischen Kassel-Calden verletzt. 300 Albaner sowie 70 Pakistaner und andere schlugen unter anderem mit Stöcken aufeinander ein und versprühten Reizgas.

Wo kam es in der vergangenen Zeit noch zu Übergriffen?

In den vergangenen Wochen gab es in überfüllten Asyl-Unterkünften immer wieder Schlägereien unter Flüchtlingen - unter anderem in Ellwangen und Heidelberg in Baden-Württemberg, im thüringischen Suhl sowie in Leipzig, Dresden und Heidenau in Sachsen. Erst in der vergangenen Woche wurden in Calden bei einer Auseinandersetzung mit Reizgas 60 Menschen leicht verletzt.

Wie kommen die Bewohner an Reizgas? Wozu brauchen sie das?

Reizgas ist frei verkäuflich und kann von Erwachsenen erworben werden. "Auch bei uns tragen Menschen Reizgas für den Notfall", sagt Harald Merz vom Regierungspräsidium Kassel. Zudem sei es nachvollziehbar, dass Asylsuchende auf ihrer Flucht zum Eigenschutz auch Pfefferspray und Ähnliches bei sich hätten.

Warum gab es keine Kontrollen?

In Calden gab es zwar Eingangskontrollen mit Identifikationskarten, Taschen wurden aber nicht überprüft. "Die Menschen sind als Gast gekommen", sagt Merz. Eintritt haben nur Flüchtlinge sowie bestimmte Helfer, Sicherheitsleute und Offizielle.

Wie werden Vergehen wie in Calden geahndet?

Die Polizei ermittelt wegen schwerer Körperverletzung und auch wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Hessens CDU-Generalsekretär Manfred Pentz fordert, die Verantwortlichen müssten schnell ins Visier genommen und dann in ihrer Herkunftsländer zurückgeschickt werden. Es dürfe nicht sein, dass die Hilfsbereitschaft und die Rechte in Deutschland von Einzelnen mit Füßen getreten werden.

Was sind Auslöser für solche Massenschlägereien?

Ausgangspunkt sind oft Streitereien um eher banale Ereignisse wie Vordrängeln in Warteschlangen. "Wenn da 4000 Menschen in einem Heim sind, das eigentlich nur 750 Plätze hat, dann führt diese Enge zu Aggressionen, wo selbst eine Winzigkeit wie der Gang zur Toilette zu einer Handgreiflichkeit führt", sagte der Vize-Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, der Zeitung "Die Welt" (Montag). Weil sich die unterschiedlichen Gruppen solidarisierten, komme es vermehrt zu Massenschlägereien. In bestimmten Gruppen steige der Frust - auch weil sie wenig Chancen sehen, Asyl in Deutschland zu bekommen.

Wie können solche Übergriffe verhindert werden?

Caldens Bürgermeister Maik Mackewitz (parteilos) forderte eine Videoüberwachung in der Einrichtung, um die Täter zu überführen. Die GdP sprach sich für eine getrennte Unterbringung von Christen und Muslimen in Flüchtlingsunterkünften aus. "Eine getrennte Unterbringung auch nach den Religionen halte ich für absolut sinnvoll", sagte Radek. Er fordert zudem mehr Bewachung der Heime durch private Sicherheitsdienste. Allerdings müssten die Kommunen klare Standards setzen: "Die Sicherheitsleute müssen interkulturelle Kompetenz besitzen und die kulturellen Eigenarten der Heimbewohner kennen - sonst kann ihr Einsatz leicht zum Brandbeschleuniger werden."

Ist eine Trennung überhaupt möglich?

Innerhalb der Einrichtungen bemühe man sich bereits um eine Trennung, sagt Harald Merz vom Regierungspräsidium. Allerdings sei auch dies "aufgrund der hohen Belegungszahlen, die durch die hohe Anzahl an Flüchtlingen, die bundesweit alle Länder vor große Herausforderungen stellen" derzeit nicht immer möglich. Eine Trennung von ganzen Unterkünften nach Nationalitäten sei politisch nicht gewollt.

Was wird jetzt konkret in der Flüchtlings-Notunterkunft verändert?

Nach Angaben des Sozialministeriums wird in Calden geprüft, bei der Essensausgabe gruppenweise vorzugehen, um künftig Eskalationen zu vermeiden.