Schrobenhausen
Wider den Schönheitswahn

29.06.2010 | Stand 03.12.2020, 3:54 Uhr

 

Schrobenhausen (SZ) Mit ihrer modernen Adaption des Grimmschen Klassikers "Die zertanzten Schuhe" von Marlene Skala amüsierten und bezauberten die Jungschauspieler der Volksbühne das durchwegs junge Publikum. Die zwölfköpfige Truppe räumte mit dem herrschenden Schönheitswahn gründlich auf.

Tussi-Alarm herrschte von der ersten Sekunde an, als sich der Premierenvorhang des achten Jugendstücks der Volksbühne im Pfarrsaal von St. Jakob öffnete. Bei einem Verhältnis der Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern von zwei zu zehn war die weibliche Dominanz kaum zu übersehen. Mit "Die zertanzten Schuhe" von Marlene Skala hat sich die die junge Mannschaft an eine anspruchsvolle Lektüre mit enormer Textfülle herangewagt.

Neun vollkommen überdrehte Prinzessinnen, die jede ihren Spleen hat – schnippisch, zickig. Jede hängt dem Traumbild ihres ganz persönlichen Superstars nach, das mit der Realität nichts mehr zu tun hat. Die Neunmalkluge mit monströser Hornbrille (herrlich intellektuell: Amelie Gall) träumt von einem Genie à la Einstein. Für die männermordende Schwester (filmreif biestig: Lea Stemmer) darf es kein geringerer als Twillight-Star Robert Pattinson sein.

Das komplette Gruselkabinett für die Männerwelt an skurrilen Frauenrollen wurde herzerfrischend überzeichnet dargestellt. Hier die verklärte Träumerin (Lena Elbl), eine wandelnde Zitatensammlung von Dreigroschen-Romanen, da das knautschige Dummchen (Michelle Gries), das darüber aufgeklärt werden muss, dass "Pavian" kein Kosename ist. Statt sie selbst zu sein, jagen die Mädchen Phantombildern und dem Klischee "glücklich verliebt" nach. Jede Nacht tauchen sie in ihre Traumwelt ab und tanzen mit ihren imaginären Märchenprinzen. Das Ergebnis: durchgetanzte Schuhe.

Sehr zum Leidwesen des alleinerziehenden Königs, dem die Investition für die Ersatzbeschaffung von Schuhen über den Kopf wächst. Der Gärtner soll als Detektiv wider Willen dem nächtlichen Spuk ein Ende bereiten. Als Preis winkt ihm die Krone und eine Prinzessin nach Wahl. Die soll er am Ende auch bekommen. Allerdings droht sein Kopf zu rollen. Durch Intervention des genervten Spiegels, der die Faxen der Prinzessinnen über hat, gelingt es dem Gärtner den Beweis für das nächtliche Treiben der neun Grazien beizubringen.

Rockige Tanzszenen, Linedance und ein klassischer Reigen von der Musik aus der Konserve untermalt, wirken genauso lebendig wie die temporeichen Dialoge. Durch überzeichnete Mimik und Gestik als Stilmittel gerät so manche Szene ins Groteske.

Von den zerronnenen Träumen vom Supermann verabschiedet, begaben sich am Ende die verbliebenen acht Prinzessinnen in der realen Welt des Publikums auf die Suche nach einem probaten Partner. Sehr zur Erheiterung ihrer Zuschauer. Nicht nur die zehnjährige Tabea fand das Theaterstück "voll witzig".

Kaum hatte sich der Premierenvorhang vor ihnen geschlossen, war ein erlösender Juchzer und fröhliches Geschnatter von der jungen Schauspieltruppe zu hören. Martha Pelikan, Regisseurin der aktuellen Produktion und selbst Grande Dame der erwachsenen Schauspieler, freute sich nach zweijähriger Pause wieder zu einer Produktion der Theaterjugend begrüßen zu können.

Dank des Betriebsausflugs der Steingriffer Maitanzkinderschar war trotz Bilderbuchwetters die Premierenvorstellung auch gut besucht.